Wie frau & man unter Bedingungen der Ausgangssperre nicht durchdreht

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5 Widerständige Alltagstips aus Barcelona - zur Nachahmung empfohlen!

Wie frau & man unter Bedingungen der Ausgangssperre nicht durchdreht

Von Laia Facet, Barcelona | 29.04.2020

Geneigte Leser*in,
der folgende Text von Ende März passt nicht so recht zu unseren Erfahrungen im Alltagsleben. Glücklicherweise: Wir haben keine landesweite verschärfte Ausgangssperre mit Verbot von Spaziergängen und Sport im Freien, wie die Regierung in Madrid sie am 13. März verhängt und am 28. März weiter verschärft hat. Und leider passt er auch nicht zu unserer politischen und Alltagspraxis in der Corona­krise in Deutschland. Das sollten wir ändern. Laia, Aktivistin der marxistischen Organisation Anticapitalistas bzw. Anticapitalistes (so nennen sie sich auf Katalanisch), weist mit ihren Angeboten an die Lesenden auf eine Lücke hin, die wir durch andere Formen unseres Politikmachens füllen sollten.

Viele von uns sind seit über zehn Tagen zu Hause eingesperrt. Den Müll rausbringen, einkaufen oder mit dem Hund Gassi gehen sind die drei gängigsten Fluchtmöglichkeiten geworden. Die Covid-19-Krise erhöht unsere zukünftigen Ansprüche an Science-Fiction Stories, aber sie kann uns auf diesem Weg auch in den Wahnsinn treiben. Deshalb habe ich fünf Tipps zum Überleben in der Gefangenschaft zusammengestellt.

1. Einer Gewerkschaft beitreten

Wenn du entlassen wurdest, gib dich nicht mit Arbeitslosengeld zufrieden. Denk daran, dass diese Leistung kein Geschenk ist, sondern dass sie von dem Geld bezahlt wird, das wir als Steuern zahlen. Wir alle? Nun, einige mehr als andere. Die großen Unternehmen und die Vermögenden werden angesichts dieser Krise nichts zusätzlich einzahlen. Deshalb rate ich dir, dich einer Gewerkschaft anzuschließen und dich zu organisieren, einer Gewerkschaft, die nicht an der miesen Verordnungen mitgearbeitet hat, und dafür zu kämpfen, dass die Krise nicht von den gleiche gezahlt wird wie immer.

Widerstand? Funktioniert!

Wenn du zu denjenigen gehören, die weiterarbeiten müssen, weil das Unternehmen entschieden hat, dass das Risiko der Beschäftigten weniger wichtig ist als ihr Gewinn (während dein Chef im Home-Office arbeitet), organisier dich mit deinen Kolleg*innen. Die Belegschaft des Mercedes-Benz-Werks in Vitoria ist aufgestanden und hat erreicht, dass das Werk den Betrieb einstellt. Es funktioniert also.

Darüber hinaus sind Gruppen wie Haushaltshilfen oder Sexarbeiter*innen gefährdet, indem sie gezwungen werden, weiter zu arbeiten oder eine drastische Verringerung ihres Einkommens hinzunehmen, ohne die Möglichkeit, an Arbeitslosengeld zu kommen. Du kannst helfen, indem du in den Solidaritätskassen einzahlst oder dich an der Kampagne der Haushaltshilfen beteiligst.

Wenn du zu den Unabkömmlichen gehörst, zu denen, die im Gesundheitssektor, in Supermärkten, im Verkehrssektor oder in Wohnheimen usw. arbeiten, dann fordere Neueinstellungen, eine Prämie wegen des Risikos, sich zu infizieren, Handschuhe, Schutzmasken und weitere Schutzausrüstung. Und natürlich, dass alle Ressourcen, die Infrastruktur und die privatisierten Bereiche des Gesundheitswesens sofort unter öffentliche Kontrolle gestellt werden.

2. Organisier den Mietenstreik

Du bist arbeitslos und/oder hast kein Einkommen, und dann stellt sich noch raus, dass die Regierung bei den Mieten so gut wie nichts macht? Na, dann aber… Die Mietergewerkschaft organisiert eine Kampagne, um von die Regierung zu fordern, dass die Mietzahlungen ausgesetzt werden können, und um diejenigen zu organisieren, die nicht in der Lage sein werden, ihre Miete zu bezahlen.

Zu allererst zeigt dir die Gewerkschaft, dass du nicht allein bist (auch wenn wir in den eigenen vier Wänden eingesperrt sind). Auf der Website der Kampagne erfährst du, wie du in der Kampagne mitmachen kannst, und da bekommst einen Leitfaden, wie vorzugehen ist, wenn du die Miete nicht mehr bezahlen kannst. Darüber hinaus werden wir ermutigt, unsere Fälle über soziale Netzwerke öffentlich zu machen.

3. Stoppt Covid-19, aber auch den Machismo

Die Romantisierung der Ausgangssperre ist nicht nur ein Klassenprivileg (wie wir in diesen Tagen im Internet lesen konnten), sondern auch ein Geschlechterprivileg. Eingesperrt in die eigene Wohnung, einem Ort, in dem sich seit Jahrhunderten vielfaches machistisches Unrecht verbirgt: häusliche Pflichten, Kinderziehung, Altenpflege… und Gewalt.

Lassen wir unsere Nachbarinnen nicht allein

Wenn machistische Gewalt schon hinter dem Schleier der Unsichtbarkeit geschieht und straflos bleibt, was geschieht dann heute unter den Bedingungen der Isolation und der Ausgangssperre? Auch wenn wir meinen, es sei nicht vorstellbar ‒ auch unter diesen Bedingungen können wir Hilfe leisten: Lassen wir unsere Nachbarinnen nicht allein. Wenn du den Verdacht hast, dass Frauen in der Umgebung solche Gewalt zu erleiden haben, versuch Kontakt zu ihnen aufzunehmen, wende dich an Beratungsstellen und nimm Kontakt zu feministischen Gruppen auf. Sorgen wir dafür, dass die feministische Solidarität, die wir in den letzten Jahren unter Beweis gestellt haben, nicht ausgesperrt wird. Um es mit Virginia Woolf zu sagen: Wir alle sollten das Recht auf ein eigenes Zuhause haben, in das wir uns sicher zurückziehen können.

4. Reich deinen Nachbarn die Hand zur Hilfe!

Möglicherweise bist du eingesperrt und nicht in der Lage, deiner Mutter oder Großmutter zu helfen, weil sie Hunderte von Kilometern entfernt wohnen, aber vielleicht kannst du den Nachbarinnen und Nachbarn im Haus oder im Wohnblock helfen. Vielleicht brauchst auch du Hilfe, weil du zu einer gefährdeten Gruppe gehörst, weil du mit den Kindern nicht zurechtkommst oder warum auch immer. In jedem Fall sollst du wissen, dass in vielen Nachbarschaften Unterstützungsnetzwerke organisiert werden, damit niemand in Gefahr gerät. Such nach dem nächstgelegenen Unterstützungsnetzwerk oder, falls es noch nicht existiert, wende dich an Vereine und Gruppen, um so etwas zu organisieren.

5. Übungen machen

Ja, Turnen ist wichtig und schon die POUM [die 1935 gegründete antistalinistische marxistische Partei, die in der spanischen Revolution 1936/37 eine bedeutende Rolle gespielt hat, vor allem in Katalonien, bis die Revolution abgewürgt und die revolutionären Strömungen im republikanischen Lager gewaltsam unterdrückt wurden] hat schwedische Heilgymnastikübungen empfohlen:

Aus dem Spanischen und Englischen übersetzt von Michael und Wilfried

http://www.internationalviewpoint.org/spip.php?article6485

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