Solidarität mit Palästina und der arabischen Revolution
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Gegen Antisemitismus – offenen und versteckten!

Solidarität mit Palästina und der arabischen Revolution

Von Manuel Kellner | 19.05.2024

Während ich diese Zeilen schreibe, geht das Grauen im Gaza-Streifen weiter. Das offizielle Ziel Israels ist die Zerschlagung der Hamas bzw. ihres bewaffneten Arms. Opfer ist zum größten Teil die Zivilbevölkerung. Unter den bislang 40.000 Toten oder mehr sind viele Kinder. Das winzige Territorium ist nahezu in Schutt und Asche gelegt. Bei weitem nicht ausreichend humanitäre Hilfe wird durchgelassen. Menschen verhungern, verdursten und sterben an mangelnder medizinischer Hilfe. Aber Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung wird von der etablierten bürgerlichen Politik zunehmend aggressiv mit Antisemitismus gleichgesetzt und kriminalisiert. Das ist unerträglich.
Den antisemitischen Anschlägen und allen Äußerungen von Judenhass muss entschieden entgegengetreten werden, in der deutschen Bevölkerung wie in der Palästina-Solidaritätsbewegung. Doch die Gleichsetzung von Kritik an der rechtsextremistischen israelischen Regierung und den Grundlagen des israelischen Staats mit Antisemitismus erweist dem wirklichen Kampf gegen den Antisemitismus einen Bärendienst.
Das Innenministerium von NRW hat zum Beispiel am Donnerstag, den 16. Mai die „Palästina Solidarität Duisburg“ verboten. Vorgeworfen wird dieser Gruppierung unter anderem, sich mit dem palästinensischen Widerstand in allen Formen zu solidarisieren, auch mit dem bewaffneten Kampf und der Hamas. Sie hetze gegen Israel und verbreite Judenhass.
Innenminister Herbert Reul führt dafür vor allem das Argument an, der Verein werbe seit seiner Gründung für das Ziel der „Befreiung Palästinas vom Mittelmeer bis zum Jordanfluss“, womit de facto die Vernichtung des Staates Israel gefordert werde.
Aber Momentchen mal! Was hat die Kritik an der israelischen Landnahme und der fortgesetzten Vertreibung und Bedrückung der palästinensischen Bevölkerung mit Antisemitismus zu tun? Unsere etablierte Politik hält das alles anscheinend für legitim, liefert aber Waffen an die Ukraine, damit die sich gegen den in ausdrücklich kolonialistischer Absicht geführten Angriffskrieg von Putin-Russland wehren kann. Zugleich liefern die USA und andere westliche Mächte Israel Geld und Waffen, mit deren Hilfe es die palästinensische Bevölkerung bedrängt, vertreibt und dezimiert. Und seit wann ist es nicht legitim, sich gegen Besatzer und Eroberer – auch bewaffnet – zu wehren?
Mehr noch. Das Ziel eines freien Palästinas vom Fluss bis zum Meer hat nichts mit Judenhass zu tun. Auch wenn es verbitterte und fehlgeleitete arabische Menschen geben mag, die das so meinen. Aber weder die PLO meinte das so, noch meinen die jüdischen Gegnerinnen des Zionismus das so und am wenigsten wir revolutionär-sozialistischen Internationalistinnen. Vielmehr geht es um die Vorstellung eines gemeinsamen demokratischen und laizistischen Staats, der allen seinen Bevölkerungsgruppen ein – auch materiell ansprechendes – Leben in Sicherheit und gleiche Rechte bietet.
Ist das utopisch? Nun, die sogenannte Zwei-Staaten-Lösung ist auch weiter denn je davon entfernt, verwirklicht zu werden. Die Vorbedingungen für einen unabhängigen palästinensischen Staat neben Israel erscheinen als schier unrealisierbar. Voraussetzung wären ein durchgehendes Territorium und sicherlich auch massive internationale materielle Hilfe. Doch der winzige Gaza-Streifen ist vom Westjordanland getrennt und dieses durch die fortgesetzte Landnahme seitens von Siedlern zum Flickenteppich geworden. Voraussetzung wäre auch das Rückkehrrecht der Flüchtlinge, das alle relevanten jüdisch-israelischen Strömungen strikt ablehnen, weil Israel sich ethnisch definiert und eine arabische Bevölkerungsmehrheit um keinen Preis dulden will. Mag es auch Übergangslösungen geben können, vielleicht auch eine Föderation, auf längere Sicht heilt nur der genannte gemeinsame Staat den Konflikt.
Doch Israel ist ein vom Westen mit immensen finanziellen und materiellen Mitteln gepäppelter Staat in der arabischen Weltregion. Eine Zitadelle der Ersten Welt in der Dritten Welt. Große Teile der jüdischen Bevölkerung Israels beziehen daraus ihre Arroganz gegenüber der arabischen Umgebung. Ich vermisse sehr in unseren westlichen Ländern, zumal in Deutschland, das Gespür dafür, was das für die Gefühle der arabischen Massen bedeutet. Das etwas sperrige Wort „Subimperialismus“ beschreibt die Sachlage recht treffend. Und damit ist die Palästina-Solidarität in erster Linie eine anti-imperialistische Bewegung, die sich gegen den illegitimen und überwältigenden Einfluss der Westmächte in den ärmeren und abhängigen Ländern richtet.
Die sogenannte deutsche „Staatsraison“ der bedingungslosen Unterstützung Israels – weil Nazi-Deutschland die jüdische Bevölkerung Europas ausgerottet hat – ist weit weniger unschuldig, als sie tut. Es handelt sich dabei um eine Kompensation des eigenen latenten Antisemitismus. Der denkt nämlich insgeheim „Juden raus! Weg mit den Juden!“. Weg mit ihnen von uns und ab nach Palästina, wo es ja nur Araber gibt, die uns nichts angehen. Damit ergibt sich eine kaum verschleierte Komplizenschaft von latentem Antisemitismus und Zionismus.
Denn der Zionismus vereinnahmt alle Jüd*innen der ganzen Welt für sich und sagt ihnen, dass sie eigentlich nach Israel gehören. Bloß kann Israel denen kein Leben in Sicherheit bieten – wie denn auch, wenn es alles dafür getan hat, sich seine arabische Umgebung spinnefeind zu machen. Und die Lehren, die aus der mörderischen Nazi-Diktatur zu ziehen sind, sollten eher die Ablehnung von ethnisch definierten Grundlagen von Staaten, der Diskriminierung von Bevölkerungsteilen und der räuberischen Landnahme beinhalten.

Bündnispartner sind die ausgebeuteten und unterdrückten Massen, angefangen mit denen der arabischen Weltregion


Die Alternative zu der verfahrenen Situation kann auch nicht ein sogenannter Gottesstaat sein. Der beruht nicht auf Gott, sondern auf Sektierertum und auf Männern, die sich blasphemisch anmaßen, in Gottes Namen zu sprechen, ihre Mitmenschen zu unterwerfen, zu richten, einzusperren, zu quälen und zu morden. Die Alternative – auch für Palästina – kann nur im Wiederaufblühen der arabischen Revolution bestehen.
Ihr seht keine Anzeichen dafür? Gut! Wer von uns hat damals den Ausbruch des arabischen Frühlings vorausgesehen? Dessen Inhalt war nicht religiös-sektiererisch. Sondern die Sehnsucht nach demokratischen und menschenwürdigen Verhältnissen und die Selbstbehauptung gegenüber den Mächtigen dieser Erde.
Die Bündnispartner der geschundenen palästinensischen Bevölkerung sind nicht irgendwelche Potentaten und diktatorischen Regimes, die Solidarität heucheln und nur ihre eigenen Interessen verfolgen, wenn es opportun ist auch Hand in Hand mit dem US-Imperialismus. Ihr wahrer Bündnispartner sind die ausgebeuteten und unterdrückten Massen, angefangen mit denen der arabischen Weltregion.

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