Seit der schrecklichen Ermordung von Samuel Paty vergeht kein Tag ohne neue, mal symbolische mal ganz handfeste Gewalt gegen Einzelpersonen, Gruppen oder muslimische Kultstätten: Beschädigungen von Moscheen (in Montélimar, Bordeaux, Béziers usw.), rassistisch motivierte bewaffnete Angriffe auf verschleierte Frauen in der Nähe des Eiffelturms, Aufrufe zur Ermordung von Aktivisten verschiedener muslimischer Organisationen ‒ oder solche, die es vermeintlich sein sollen usf.
In den letzten Tagen wurden, wenn auch in geringerem Maße, verschiedene linke Organisationen, Persönlichkeiten und Aktivist*innen ins Visier genommen: Sprühparolen „Kollaborateure“ auf das Gebäude der Französischen Kommunistischen Partei (PCF), gewalttätige Kampagnen gegen die Abgeordneten von La France insoumise, abscheuliche Anschuldigungen gegen Journalist*innen wie Rokhaya Diallo[1] oder Edwy Plenel, Morddrohungen gegen politische und gewerkschaftliche Aktivist*innen ‒ darunter mindestens zwei Genossen der NPA, Julien Salingue und Anasse Kazib ‒ usw.
Die Regierung trägt die Verantwortung für den Ausbruch von hasserfüllter rassistischer Gewalt. Von einem Gérald Darmanin [seit Juli 2020 Innenminister], der Millionen von Muslimen angreift, indem er einen Zusammenhang zwischen „Theken mit Halal-Waren“ und „Separatismus“ konstruiert, bis hin zu einem Jean-Michel Blanquer [Minister für Erziehung, Jugend und Sport], der „islamo-gauchistes“ (Islamo-Linksradikale) angreift, die angeblich die Universitäten mit „einer Weltsicht, die mit den Interessen der Islamisten konvergiert“, überflutet hätten.
Die Thesen der extremen Rechten werden auf diese Weise verharmlost und legitimiert, und es ist kaum verwunderlich, dass sich immer mehr Menschen aufgerufen fühlen, öffentlich zu beleidigen, zu drohen oder gar zu handeln. Muslime, insbesondere muslimische Frauen, werden mit Abstand am meisten ins Visier genommen; die Behörden verurteilen diese Angriffe nicht, sondern greifen lieber das Komitee gegen die Islamophobie in Frankreich (CCIF) an, dessen Aufgabe gerade darin besteht, den Opfern der Islamophobie zu helfen.
Die NPA verurteilt alle diese rassistischen Angriffe und Bedrohungen auf das Schärfste, bekräftigt ihre Solidarität mit all jenen, die Opfer dieser Angriffe und Bedrohungen sind, und warnt vor den großen Risiken einer solchen Situation. In diesem Zusammenhang bedauern wir die Trägheit einiger linker Organisationen in den letzten zehn Tagen, die die Realität dieser Gewalttaten nur dann zu erfassen scheinen, wenn sie selbst das Ziel sind. Doch es ist noch nicht zu spät: Angesichts dieses Ausbrüche von Hass steht mehr denn je eine gemeinsame Antwort auf der Tagesordnung, die gewerkschaftliche und politische Organisationen, antirassistische Vereinigungen und muslimische Kollektive zusammenbringt ‒ eine Antwort, um die Islamophobie zu bekämpfen, wo immer sie auch herkommt, von der Spitze des Staates oder der völlig verrotteten extremen Rechten.
Montreuil, den 26. Oktober 2020
Aus dem Französischen übersetzt
[1] Rokhaya Diallo ist eine in Paris geborene schwarze Journalistin, Filmemacherin und Aktivistin für rassische, Gender- und religiöse Gleichheit; im Oktober 2017 wurde sie in einer Artikelserie im Figaro Magazine zusammen mit einer Reihe von Intellektuellen, Journalist*innen, Politiker*innen der Linken als Vertreterin eines „islamo-gauchisme“ und einer „islamosphère“ angegriffen, die angeblich systematisch den politischen Islam unterstützen würde und in die Medien eingesickert wäre (siehe https://fr.wikipedia.org/wiki/Rokhaya_Diallo; https://en.wikipedia.org/wiki/Rokhaya_Diallo). Anm. d. Bearb.