Zeit für linke Opposition
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Anmerkungen zu den Berliner Wahlen

Zeit für linke Opposition

Von Manuel Kellner | 14.02.2023

Das herausragende Ergebnis der Wahlen im Land Berlin letzten Sonntag ist natürlich das spektakulär gute Abschneiden der CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Kai Wegner. Zwar hält sich der (aufhaltsame, dazu weiter unten) Anstieg der AfD mit 9,1% in überschaubaren Grenzen. Beunruhigend ist aber, dass die CDU im Berliner Wahlkampf voll auf das Thema Sicherheitspolitik gesetzt hatte (zuzüglich solcher Garnituren wie Klimakleber einsperren oder Autofahrer in Ruhe rasen lassen). Das Konzept ging leider voll auf – mit 28,2% der Stimmen ein Zuwachs von 10 Prozentpunkten!

Geradezu symbolisch wurde in der Presse das Ergebnis in Neukölln genannt. Franziska Giffey von der SPD, die Regierende Bürgermeisterin, konnte keinen Amtsbonus ausspielen, ganz im Gegenteil. Mit 29,6% der Stimmen verlor sie 11,2 Prozentpunkte und ihr Direktmandat gegen den CDU-Kandidaten Olaf Schenk, der um 11,5 Prozentpunkte zulegte und mit 45,3% der Stimmen gewann. Ja, auch er mit dem Thema innere Sicherheit – der Bezirk Neukölln gilt als Epizentrum der „Silvesterkrawalle“.

Die CDU gewann Stimmen von der SPD und von den anderen Parteien und konnte außerdem bisherige Nichtwähler für sich gewinnen. Dabei deuten Umfrageergebnisse darauf hin, dass sie weniger für ihre Inhalte, als wegen der Unzufriedenheit mit der rot-grün-roten Landesregierung gewählt wurde. Da gibt es allerlei Punkte, von der organisatorisch verkackten Landtagswahl – die ja am Sonntag wiederholt worden war – bis „zu viel Streit in der Öffentlichkeit“, und, da sind wir wieder, wegen zu wenig Eifer in Sachen innere Sicherheit.

Rot-grün-rot sieht sich selbst als „progressives“ Bündnis. Die Parteien diese Koalition konnten alle nicht begeistern; vor allem die SPD, aber auch die Partei Die Linke mussten Verluste hinnehmen. Alle drei verloren zudem an das Lager der Nichtwähler – die SPD 78.000 Stimmen, Bündnis90/Die Grünen 48.000 Stimmen und Die Linke 46.000 Stimmen.

Spannend bis zum Schluss blieb in der Wahlnacht das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der SPD und den Grünen um den Platz 3 hinter der CDU. Im Endeffekt gewann dieses Rennen die SPD denkbar hauchdünn mit !8,4 zu 18,39 Prozent – in absoluten Zahlen errang sie gerade mal 105 Stimmen mehr als die Grüne Partei!

So minimal das ist, so kann das doch politische Folgen haben. „Gewöhnlich gut unterrichtete Kreise“ in Berlin – grad mit solchen pflege ich ja Kontakt – gingen davon aus, dass Franziska Griffey und die SPD Grün-rot-rot nicht mitgemacht hätten, weil der Anspruch, das Ministerpräsidentenamt abermals zu erben, dann flöten gegangen wäre. Dann hätte es die SPD vielleicht vorgezogen, Juniorpartnerin in einer schwarz-roten Koalition zu werden.

Wie es gelaufen ist scheint es nun denn doch am Wahrscheinlichsten, das Rot-grün-rot fortgesetzt wird. Aber hat der Kai Wegner nicht doch irgendwie recht, wenn er sagt, das Wahlergebnis habe ihn und die CDU zum klaren Wahlsieger gemacht? Hat die mit einigem Abstand stärkste Partei nicht das Recht, die Regierung zu bilden? Zeigt das Wahlergebnis nicht, dass „die Berliner“ Rot-grün-rot loswerden wollen?

Nun, so einfach ist die Sache nicht. Obwohl das Wahlergebnis selbst für die Ansicht von Kai Wegner zu sprechen scheint, tun das die Umfragen zur Regierungskonstellation gar nicht. Nur eine recht deutliche Minderheit spricht sich für eine von der CDU angeführte schwarz-rote Koalition aus. Die relativ meisten Wählerinnen und Wähler ziehen da doch eine Fortsetzung des Regierungsbündnisses aus SPD, den Grünen und der Partei die Linke vor.

Hinzu kommt, dass alle diese drei Parteien öffentlich sehr deutlich ihre „Präferenz“ für die Fortsetzung der rot-grün-roten Koalition ausgesprochen haben. Sondierungsgespräche wollen alle natürlich mit allen führen, außer mit der AfD. Am wahrscheinlichsten scheint mir aber doch, dass die rot-grün-rote Regierungskoalition letztlich fortgesetzt werden wird.

Abgesehen von dem kleinen Trost, dass die FDP an der 5%-Hürde gescheitert ist – möge dies ihren Einfluss auf die Bundespolitik eindämmen –, interessieren wir uns als Linke am meisten für das Abschneiden und die Perspektiven der Partei Die Linke. Das Mitregieren, die Mitverantwortung für eindeutig prokapitalistische Regierungspolitik scheint ihr nicht gut zu tun.

Um Missverständnisse zu vermeiden: das Beharren auf der Oppositionsrolle ist keineswegs ein Garant dafür, wieder bessere Wahlergebnisse einzufahren. Es gibt genug Leute, die der LINKEN übel nehmen würden, wenn sie die Chance ablehnen würde, auch nur ein kleines bisschen ihrer Inhalte in Regierungsverantwortung umzusetzen.

Es handelt sich aber um eine Grundsatzfrage, um eine strategische Frage auf längere Sicht. Es kann doch nicht gut sein, gegenüber der AfD als „etablierte“ Kraft zu erscheinen, während diese als die einzige wirklich oppositionelle Kraft auftritt. Wichtiger noch: Der eigene linke Anspruch, ohne Wenn und Aber für die Interessen der Beschäftigten und Benachteiligten zu streiten, sich in ihren Reihen zu verankern und in Wort und Tat dafür einzustehen, dass nur der Bruch mit der kapitalistischen Produktionsweise, der Sturz der Macht des Kapitals irgendeine Chance bietet, die schlimmen Krisen der Gegenwart aufzulösen – angefangen mit der Klimakatastrophe – muss zu einer Politik linker Opposition führen, bis Mehrheiten für die so dringend nötige sozialistische Umwälzung errungen sind.

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