“…da reicht es überhaupt nicht, sich hauptsächlich auf die Landtagswahlen zu konzentrieren.”

Helmut Born

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Interview mit LINKE-Stadtrat Helmut Born

“…da reicht es überhaupt nicht, sich hauptsächlich auf die Landtagswahlen zu konzentrieren.”

04.11.2020

DIE LINKE kann in der Kommunalpolitik Teile ihrer Forderungen erfolgreich umsetzen. Dazu kann sie in der Opposition sein und muss nicht zur Ratsmehrheit gehören. Das sagt ISO-Mitglied Helmut Born, der in Düsseldorf im Stadtrat sitzt.

Leer stehende Wohnungen müssen in Düsseldorf spätestens nach sechs Monaten neu vermietet werden, außerdem heißt die Stadt offiziell Flüchtlinge willkommen. Beides ist keine Selbstverständlichkeit und auch auf die Arbeit der LINKEN-Fraktion im Stadtrat zurückzuführen, sagt ISO-Mitglied Helmut Born im Interview. Der aktive Gewerkschafter ist schon seit mehreren Jahren in der Kommunalpolitik aktiv und wurde von der LINKEN auch mehrfach als Oberbürgermeisterkandidat für Düsseldorf aufgestellt. Wir haben mit ihm über Perspektiven linker Kommunalpolitik gesprochen.

Mit welcher Idee für die Ratsarbeit bist du in den Wahlkampf gegangen?

Helmut Born: Hier in Düsseldorf bin ich schon seit Jahren Mitglied in der erweiterten Fraktion und Arbeit in einem Ausschuss des Stadtrates. Die letzte Amtszeit war ich im Personal- und Organisationsausschuss und da habe ich meine Aufgabe als Gewerkschafter darin gesehen, dass die personelle Ausstattung in der Stadtverwaltung nach Erfordernissen und nicht absurden betriebswirtschaftlichen Zahlen bestimmt wird. Dadurch ist man mit allen möglichen Themen konfrontiert. In letzter Zeit waren wir mit Fragen zur Verkehrswende, Klima- und Gesundheitspolitik und vielen anderen Fragen beschäftigt.

Dabei wird deutlich, dass uns in der Kommune, ausgehend von der Arbeit in solchen Ausschüssen, die Themen beschäftigen, die wir auch im internationalen Rahmen oder in der Bundespolitik vorfinden und die dort eine Rolle spielen, nur dann eben ganz konkret runtergebrochen auf die Umsetzung vor Ort. Das ist deswegen interessant, weil wir auf kommunaler Ebene tatsächlich schnell in eine Rolle kommen die Umsetzung solcher Politiken vor Ort in politische Entscheidungen mit zu gestalten. In dieser Hinsicht hat die Fraktion auch in den letzten Jahren wirklich gute Arbeit geleistet, auf die wir jetzt in der neuen Legislative aufbauen können.

Das ist vielleicht frustrierend, aber das ist trotzdem so, dass wir Anstöße geben, die zu Veränderungen führen…

Bei den Worten kommunalpolitisch mitgestalten würden bei einigen ja schon die Alarmglocken angehen. An was denkst du da in den letzten Jahren, was waren Punkte, bei denen das der Fraktion gut gelungen ist?

Ein anderes Thema ist die Wohnraumschutzsatzung. Die Linke war die erste Fraktion, die eine Wohnraumschutz überhaupt gefordert hat.

Helmut: Ja, das verstehe ich. Ich denke, dass ich mit einer ökosozialistischen Perspektive und einer Politik, die die sozialen Interessen der Einwohner*innen und die ökologischen Erfordernisse in den Mittelpunkt stellt, manchen Beitrag leisten kann. Das hat auch nichts damit zu tun, das wir uns in Kooperationen mit SPD und Grünen  einbinden lassen. Gerade in letzter Zeit hat es aber durchaus Themen gegeben, wo linke Politik Impulsgeber war.  

Am Beispiel der Flüchtlingspolitik kann ich das gut festmachen – da war in der Ratsfraktion von Anfang an klar eine „Refugees welcome“ Haltung in der Kommunalpolitik stark zu machen. Dementsprechend wurde sich in den verschiedenen Arbeitsbereichen und Ausschüssen eingebracht und daran mitgearbeitet, dass es für diese Haltung eine breite Mehrheit im Stadtrat gab. Das war nicht von Anfang an ausgemacht, denn die SPD zögerte erst, ist dann aber auch auf diesen Kurs eingeschwenkt, der OB an erster Stelle. Das war ein Punkt, an dem wir uns mit eigenen Standpunkten positiv einbringen konnten, wenn es um die Frage der Unterkünfte und andere Fragen der praktischen Umsetzung ging. Da haben sich unsere Genossinnen auch wirklich in der Stadtpolitik einen guten Namen gemacht.

Ein anderes Thema ist die Wohnraumschutzsatzung. Die Linke war die erste Fraktion, die eine Wohnraumschutz überhaupt gefordert hat. Das ist jetzt zwei Jahre her und nach und nach haben sich die anderen Fraktionen dieses Themas angenommen und mittlerweile konnte, ohne Stimmen der FDP und AfD, eine solche Satzung verabschiedet werden – mit vielen Elementen, die wir als Linke dort einbringen konnten. Wir konnten einbringen, dass Leerstände früher gemeldet werden müssen, dass Airbnb zurückgedrängt wird usw. und so fort. Da gab es Gerangel darum, dass diese Satzung vorerst nur für zwei Jahre gültig ist, da konnte jetzt durchgesetzt werden, dass sie für fünf Jahre gewählt. Da wird natürlich unsere Rolle sein mit der Zeit immer wieder an konkreten Punkten Verbesserungen einzufordern.

Ich will damit sagen, mit der Mitgestaltung ist es normal so, dass wir oft Anträge einbringen, die dann nur von den eigenen Leuten getragen werden, dann aber in veränderter Form mit anderen Parteilogos ganz ähnlich vorgelegt und abgestimmt werden. Das ist vielleicht frustrierend, aber das ist trotzdem so, dass wir Anstöße geben, die zu Veränderungen führen.

Du hast einige Beispiele gebracht, die klassische Felder parlamentarischer Politik sind. Wie läuft das denn konkret? Mit welchen Akteuren seid ihr in Verbindung, wie erlebt ihr die Problematiken im Dreieck außerparlamentarischen Bewegung – Fraktion – Partei?

Helmut: Dass ist eine spannende Frage, weil es wird ja oft gegeneinandergestellt, also Ratsarbeit contra Arbeit in den Bewegungen. Das Kuriose hier ist, dass es Genossinnen aus der Ratsfraktion sind, viel mehr als die Genossinnen aus dem Kreisvorstand, die mit den außerparlamentarischen Bewegungen verwoben oder selbst Aktivist*innen sind. Genossen wie z.B. Lutz Pfundner, haben in den letzten Jahren in den Bündnissen für bezahlbaren Wohnraum mitgearbeitet und sich in seiner Arbeit im Rat immer eng mit denen abgestimmt und rückgekoppelt. Alle Anträge, die in verschiedenen Gremien eingebracht wurden, sind mit der Initiative abgestimmt worden.  Auch wenn der Genosse nun ausgeschieden ist, können wir auf diese Arbeit prächtig aufbauen.

Im Bereich der antirassistischen und antifaschistischen Arbeit waren es Leute aus der Fraktion, die in den Bündnissen „Düsseldorf stellt sich quer“ mitmachen und eine transformierende  Rolle einnehmen, bei Demonstrationen, Kundgebungen, Blockaden diese Erfahrung direkt in die Fraktion geben und über verschiedenste Kanäle die Arbeit von Initiativen und der Fraktion verzahnen.

Und im Bereich Stadtverwaltung konnte ich mich, als aktiver Gewerkschafter ganz selbstverständlich einbringen, schließlich ist es auch ein ver.di-Bereich. Dort ging es also immer um die Koordinierung mit den verschiedenen gewerkschaftlichen Gremien. In Düsseldorf gab es eine Projektverwaltung 2020, ausgehend vom Oberbürgermeister, der einen Personalabbau von 20 % vorsah. Das ist  zum Glück nie so realisiert worden, aber da war der Druck von Ver.di, der Linken und dem Personalrat schon sehr wesentlich. Wäre das durchgekommen, wäre die Stadtverwaltung Düsseldorf in vielen Bereichen nicht mehr funktionsfähig.

Also ist es bei euch nicht wie in München, wo gerade hunderte von Stellen gestrichen werden sollen? Wie konntet ihr das abwehren, oder ist die Situation nicht vergleichbar?

Helmut: Wir haben in der Verwaltung etwas über 10.000 Planstellen. Aber die werden im Etat nicht alle abgebildet. Da heißt es dann von der Mehrheit im Stadtrat, nein wir müssen soundso viel einsparen. Wir fordern seit Jahren das alle Planstellen finanziert werden sollen. Da machen auch die Grünen und SPD nicht mit, aber der Personalrat fordert das und wir sind in der Frage deren Sprachrohr im Stadtrat.

Es ist so, dass seit Jahren die Zahl der Planstellen nach unten geht. Es ist zwar offiziell so, dass noch immer 10.000 Stellen im Plan stehen, aber nur 8800 tatsächlich besetzt sind. Sie merken immer wieder: Damit kommen Sie nicht hin. Erzieherinnen fehlen, aber auch Personal im Jugendamt, im Ausländeramt. Unter alldem leiden vor allem die Einwohnerinnen, die dann auf der Kfz-Zulassungsstelle den ganzen Tag warten müssen und irgendwann Amok laufen. Jetzt sind sie auf den Trichter gekommen, Leiharbeiter*innen einzustellen. Und die werden dann nicht aus dem Personalbudget finanziert, sondern wie in einem kapitalistischen Unternehmen über das Sachkostenbudget.

Inzwischen gibt es rund 500 Stellen, die als außerplanmäßig gelten, so dass sie von den 1200 nicht besetzten Stellen abgezogen werden müssten. Aber sie müssen halt aufgrund der Situation in den Ämtern reagieren. Der Personalrat war immer gegen Befristungen und hat ihnen  nur mit Sachgrund zugestimmt. Aber jetzt brauchen die so dringend Leute, in Zusammenhang mit Corona, für solche Aufgaben wie die Rückverfolgung von Kontakten, dass solche Maßnahmen mit vielmehr Akteuren nötig sind. Das war bis jetzt nicht die Regel.

Leiharbeit im Tochterunternehmen der Stadt, das gibt es schon lange und das ist auch schwer zurückzudrängen. Aber in der Stadtverwaltung war es bisher die Ausnahme. Mit Corona hat die Verwaltungsleitung das jetzt durchgezogen.

Es herrscht ein großes Vertrauen in die herrschende Politik…

Inwieweit prägt die aktuelle Situation in Zusammenhang mit der Pandemie die Kommunalpolitik? Gibt es da neue Chancen für linke Politik, oder ist das einfach nur ein Problem mehr? Manche sagen ja die Rechte würde da etwas auffangen an Unmut, das die Linken nicht zu packen kriegen? Wie ist da deine Erfahrung?

Helmut: Erstaunlich war, das dieser ganze Themenblock im Kommunalwahlkampf eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Ich habe auch mit etwas anderem gerechnet, aber so ist es. Wir hatten durchaus auch im Wahlkampf an den Ständen mit Leuten zu tun, die aus dieser Querdenker-Szene kommen, aber das war eine absolute Minderheit, die den ganzen Schrott, der im Internet kursiert, runtergebetet hat. Was wichtiger ist und worüber wir uns keine Illusionen machen dürfen: Es herrscht ein großes Vertrauen in die herrschende Politik, dass die schon in der Pandemie die richtigen Sachen machen würde. Und dann kamen wir und haben gesagt, die Krankenhäuser gehören wieder in öffentliche Hand, die zwei privatisierten Kliniken sollten wieder rekommunalisiert werden. Wir wollten also ein Bild zeichnen, wie das Gesundheitswesen unserer Meinung nach funktionieren sollte. Das hat aber im Wahlkampf real keine Rolle gespielt, da hat kaum einer nachgefragt. Das mag daran liegen, dass wir in Düsseldorf diese große Uniklinik haben, die ja mehr als ein öffentliches Krankenhaus ist. Wenn hier evangelische oder katholische Krankenhäuser nicht mehr weiter wissen, dann schicken Sie Leute in die Uniklinik, egal ob das kompliziert, lebensbedrohlich oder sonst was ist, da machen die einfach eine super Arbeit – trotz Personalmangel. Wir haben Mitglieder in der Uniklinik, die das bestätigen.

Das ist aber auch in Essen so, da hat die Uniklinik dieselbe Stellung wie in Düsseldorf, hoch anerkannt mit Topärzten super Pflegepersonal und Abteilungen, die wirklich in ihrer Sache zu den besten gehören. Von daher gibt es ein großes Vertrauen in das momentan bestehende Gesundheitssystem.

Was natürlich gut ankommt, ist, wenn wir dafür einstehen mehr Personal einzustellen und die besser zu bezahlen – das spielt jetzt auch in der Tarifrunde eine große Rolle.

… ein ganz anderes Gesundheitssystem zu fordern, ist im Moment nicht im Fokus des Massenbewusstseins, ganz anders bei Leuten, die hautnah und alltäglich damit zu tun haben.

Das ist sehr wichtig, denn viele Linke sind den letzten Monaten ja davon ausgegangen, dass wir uns auf dieses Thema fokussieren müssten, und du sagst jetzt „das ist gar nicht so einfach, dass funktioniert nicht so einfach“. Um was ging‘s den Leuten dann, wenn du sagst, das war nicht so sehr das Thema, was wäre im Nachhinein die bessere Schwerpunktsetzung gewesen?

Helmut: Ich glaube schon, dass man sich dem Thema widmen muss und dass das Thema Fallpauschalen eines ist, was von Natur aus jeden interessiert, denn das kann jeden plötzlich selbst betreffen, auch wenn nicht alle Menschen die Auswirkungen der Fallpauschalen wissen. Wichtig ist es, daran zu gehen, sei es, dass keiner blutig entlassen werden will oder ganz allgemein zu merken, dass wir im Gesundheitssystem eben nicht als Menschen im Mittelpunkt stehen. Hier können wir punkten, aber generell ein ganz anderes Gesundheitssystem zu fordern, ist im Moment nicht im Fokus des Massenbewusstseins, ganz anders bei Leuten, die hautnah und alltäglich damit zu tun haben.

Habt ihr Themen gefunden, die am Alltagsbewusstsein anknüpfen konnte?

Helmut: Naja, das lief widersprüchlich. Zum Beispiel haben wir guten Kontakt in die Krankenhäuser, machen auch jenseits des Wahlkampfs Stände vor den Kliniken, jenseits von unseren Kontakten stoßen wir aber auf sehr verhaltene Rückmeldungen. Wir haben hier in Düsseldorf auch alles: wir haben evangelische und katholische Krankenhäuser, das Uniklinikum und mehrere privatisierte Kliniken. Wenn man dann sagt: „Wir wollen aber ein öffentliches Gesundheitssystem“ dann kommt die Frage: „Aber von wem sollen die denn weiterbetrieben werden?“ Das wird direkt sehr komplex, wie soll das mit den Ärzten werden, mit den Praxen? Soll man das auch alles anders organisieren? Das darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Wir haben uns dann entschieden, den kostenlosen ÖPNV zu fordern….

Immer mehr linke Akteure wenden sich der Verkehrswende zu. Wie sieht das in Düsseldorf aus, wie ist die Situation im öffentlichen Bereich und was sind eure Erfahrungen und Standpunkte?

Helmut: Tatsächlich war die Verkehrspolitik in unseren Kommunalwahlkampf recht prominent gesetzt. Dazu muss ich aber sagen, dass es da im Vorfeld auch viele Debatten in den eigenen Reihen gab. Wir treten schon seit Jahren für ein zehn Euro Sozialticket für Geringverdiener ein und haben uns schon lange den Ausbau des ÖPNV auf die Fahnen geschrieben und fordern eine breitflächige Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km die Stunde im Stadtbereich. Diesmal haben wir im Vorfeld der Kommunalwahl recht hitzig diskutiert, für was wir eintreten: Ein Vereinsmodell, mit dem die Kosten für einen fahrscheinlosen Nahverkehr von allen Bewohnerinnen monatlich bezahlt wird? Wir haben uns dann entschieden, den kostenlosen ÖPNV zu fordern, und sind damit meiner Erfahrung nach auch ganz gut angekommen. Interessanterweise hat aber die Mobilitätswendeinitiative sich entschlossen für das 365 € Ticket einzutreten und für ein Tagesticket von zwei Euro. Das finde ich auch noch symptomatisch für diese Bewegung.

Im Vorfeld der Kommunalwahl intervenierte die Umwelthilfe mit der Thematisierung der Stickstoffwerte über den geltenden Grenzwerten an einzelnen Orten in der Stadt. Da war das Druckmittel die Drohung mit Dieselfahrverboten und um dem auszuweichen sind Umweltspuren eingerichtet worden, denen auch DIE LINKE zugestimmt hat. Das hat aber auch mächtigen Druck gemacht, unter anderem von der IHK, weil es dadurch längere Staus, bis auf die Autobahn gab. Der OB Kandidat der CDU und die Kandidatin der FDP haben das natürlich dankbar aufgegriffen und ausgenutzt. Die FDP Kandidatin forderte zum Beispiel schlicht die Abschaffung dieser Sondermaßnahmen, ohne zu sagen, was stattdessen getan werden sollte. Und der nun ins Amt gewählte Oberbürgermeister machte Wahlwerbung mit Sprüchen wie „Düsseldorf staubfrei machen“ und „Für eine grüne Welle“. Gleichzeitig will er aber viele Fahrradwege bauen lassen.

Wie ist da grundsätzlich die Situation in Düsseldorf? Wird der Nahverkehr ausgebaut oder wie in manchen Kommunen einerseits von der Verkehrswende geredet, aber gleichzeitig schleichend zurückgebaut?

Helmut: Düsseldorf hat vor vier Jahren eine große U-Bahn-Linie eröffnet, da läuft jetzt momentan nichts Neues. Obwohl die CDU wieder Vorschläge eingebracht hat zur Verlängerung dieser U-Bahn-Linie. Die Buslinien sind in den letzten Jahren in Düsseldorf ausgebaut worden, ganze Buslinien neu geschaffen worden. Eine sogenannte Metrolinie die schnellere Beförderung gewährleisten sollen – davon gibt es mittlerweile drei Stück in Düsseldorf. Ich selbst halte die nicht für eine tolle Errungenschaft, weil die parallel mit einer Linie fahren, die eh alle 10 Minuten fährt. Aber die Rheinbahn behauptet, das wären alles erfolgreiche Linien.

Jetzt ist in der Pipeline eine Direktverbindung einer U- und Straßenbahn zum Flughafen, wo wir als Fraktion das Geld lieber woanders investiert wüssten. Es gibt schon viele Verbindungen zum Flughafen und nur damit die Passagiere ein paar Minuten schneller ankommen, brauchen wir jetzt nicht noch mehr neue Verbindungen. Da scheint so ein Prestigeobjekt zu werden und natürlich hat der Flughafenbetreiber daran ein großes Interesse.

Apropos Flughafen: Glaubst du Corona wird den Flughafen dauerhaft verändern? Ist es nicht schon viel ruhiger geworden, weil es weniger Flugbewegungen gibt?

Helmut: Klar, der Flugverkehr ist massiv zurückgegangen. Wir fordern, dass Flüge bis 600 km eingestellt werden und der Verkehr auf die Schiene verlegt wird. Rund um den Flugverkehr gibt es viele Fragen. Eine wesentliche ist der Fluglärm, gegen den viele Initiativen in der Umgebung Sturm laufen. Der Flughafen hat schon vor Jahren eine Erweiterung der Kapazitäten gefordert, was die Linksfraktion immer abgelehnt hat. Die Landesregierung schiebt die Entscheidung dazu immer weiter raus. Offensichtlich hat sie gedacht „wir lassen das mal laufen“, dann wird es automatisch mehr Starts und Landungen geben. Das ist aber jetzt vorbei. Ob der Flugverkehr wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht, bleibt abzuwarten.

Als Ökosozialist*innen kommen wir jetzt in eine Phase, in der die Folgen der Klimakatastrophe unübersehbar und unausweichlich Bedingungen für politisches Handeln sind – was bedeutet das für Kommunalpolitik, wie sieht Düsseldorf 2030 aus?

Helmut: Wir wollen die Innenstadt, im Zusammenhang mit dem Ausbau des ÖPNV, autofrei machen. Der Ausbau und der kostenlose Nahverkehr könnte die Verkehrswende massiv beschleunigen und das könnte ein Prozess sein, der 2030 bis zu einem relativen Ende gekommen ist. Andererseits würde selbst das nicht reichen, weil nach Düsseldorf täglich 300.000 Menschen rein pendeln. D. h. wir können das gar nicht in Düsseldorf regeln, sondern der ÖPNV im ganzen Umland muss besser, mehr und zugänglicher werden. Das weiter mit Park&Ride beantworten zu wollen, ist bisschen absurd, wird aber selbst von Mitgliedern der Initiative für Mobilitätswände gerne vor die Tore der Stadt gelegt. Wir müssen also den Blick fürs Ganze wahren und auch deutlich sagen: Nicht jede Konzernzentrale muss in Düsseldorf sein, d.h. das generell Stadtplanung ganz anders betrieben werden muss. Eine Stadt konkurriert für Ansiedlung von Betrieben und Verwaltungen gegen andere Städte. Das muss aufhören, damit die Beschäftigten in der Nähe ihrer Wohnorte arbeiten können.

Ob die neue Mehrheit im Landesverband eine Politik entwickeln kann, die eine größere Unterstützung in der Bevölkerung erfährt, das müssen wir jetzt abwarten. Aber die Orientierung auf die Landtagswahl 2021 halte ich für verheerend.

Dann zuletzt noch eine Frage zu Politik und Entwicklung der LINKE: Wie schätzt du das insgesamt ein und welche Perspektiven liest du daraus ab?

Helmut: Das Gute ist: nach wie vor steigen unsere Mitgliederzahlen in NRW, neue jüngere Genossinnen treten der Partei bei, auf der anderen Seite heißt das nicht, dass die Mitgliedschaft der Linken insgesamt aktiver würde. Und dann bindet die Arbeit in den verschiedenen Gremien der Partei und in den verschiedenen parlamentarischen Strukturen nach wie vor zu viele Kräfte. Dazu kommt, dass das, was linke Kommunalpolitik ausmacht, von Ort zu Ort sehr unterschiedlich sein kann: Manche liebäugeln mit der Zusammenarbeit Richtung rot-rot-grün, andere verfolgen eher die Perspektive etwas Oppositionelles aufzubauen und zu stabilisieren. Die Frage was sie eigentlich wollen, auch ob wir immer so ein buntscheckiges Bild abgeben wollen oder eher unser eigenes Bild auf- und ausbauen wollen, bleibt zu klären. Die innerparteilichen Auseinandersetzungen, die ja seit 2015 eher zugenommen haben, sind nicht besonders förderlich für eine positive Entwicklung innen und außen.

Ob die neue Mehrheit im Landesverband eine Politik entwickeln kann, die eine größere Unterstützung in der Bevölkerung erfährt, das müssen wir jetzt abwarten. Aber die Orientierung auf die Landtagswahl 2021 halte ich für verheerend. Dadurch fallen wichtige Themen, die die Genossinnen ja beackern, wie Karstadt Kaufhof oder ThyssenKrupp und die ganzen Fragen, die in Zusammenhang mit der Eskalation der Krise aufkommen, müssen ja jetzt von unseren Genoss*innen beantwortet werden. Und sich dann auf parlamentarische Wahlkämpfe zu fokussieren, dass würde unserer gesellschaftlichen Rolle nicht gerecht werden. Die Frage ist doch: wie können wir es schaffen in den Betrieben und Stadtteilen, in den sozialen Bewegungen präsenter sind. Das sind die drei wichtigen Bereiche, in denen wir praktische Antworten finden müssen. Da ist sich die ISO Gruppe vor Ort einig, dass in der nächsten Zeit wichtige Anforderungen an linke Politik gestellt werden. Ob es nun um die Zukunft von Thyssen Krupp geht, oder die Situation in den verschiedenen Bereichen, in denen es in der nächsten Zeit zu Kämpfen kommt:  Nicht nur die Partei DIE LINKE steht hier vor großen Herausforderungen. Da reicht es überhaupt nicht, sich hauptsächlich auf die Landtagswahlen im Mai 2022 zu konzentrieren.


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