DIE LINKE vor einem Neustart oder Sturz in die Bedeutungslosigkeit
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Nach dem Beschluss des Parteivorstands vom 10. Juni

DIE LINKE vor einem Neustart oder Sturz in die Bedeutungslosigkeit

Von Helmut Born | 07.07.2023

Am 10. Juni hat der Parteivorstand der Linkspartei eine folgenreichen Beschluss gefasst, in dem es zusammenfassend heißt: „Die Zukunft der LINKEN ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht.“ Im Vorfeld hatte der Parteivorstand Sahra Wagenknecht aufgefordert, bis zum 9. Juni eine Erklärung abzugeben, dass sie nicht die Gründung einer neuen Partei betreibt. Diese Erklärung hat sie erwartungsgemäß nicht abgegeben, so dass dem Parteivorstand nichts anderes übrig blieb, als ein deutliches Zeichen zu setzen. In dem Beschluss des Parteivorstandes werden Sahra Wagenknecht und ihre Unterstützer:innen aufgefordert, ihr Mandat abzugeben, da dies eine Mandat der Partei sei und nicht ihr persönliches. Damit wahrt der Parteivorstand zwar sein Gesicht, aber dieser Beschluss ist nur eine neue Stufe der Auseinandersetzungen in der Partei über den inhaltlichen Kurs.

Falls es zu der Neugründung kommen sollte, werden die Auseinandersetzungen um den Kurs der Partei künftig unter anderen Voraussetzungen geführt. Dann wäre es keine parteiinterne Debatte mehr, sondern würden zwei unterschiedliche Parteien gegeneinander antreten und um die Stimmen der Wähler:innen buhlen.

Mit diesem einstimmig gefassten Beschluss ist immerhin geklärt, dass eine jahrelange Auseinandersetzung um den Kurs der Partei zwischen dem „sozialkonservativen Flügel“ und dem Teil, der eine verbindende Klassenpolitik vertritt, entschieden wurde. Zuletzt hatte sich an der Frage der Einschätzung des Ukraine-Krieges und der Bündnispolitik dazu, gezeigt, dass erhebliche Differenzen bestehen. Dabei geht und ging es nicht um die Haltung zu dem Krieg insgesamt, aber doch darum, wie eindeutig der Einfall Russlands in die Ukraine verurteilt wird. Während sich die Mehrheit der Partei sehr eindeutig gegen den Überfall Russlands stellte und den Rückzug der russischen Armee fordert, spielte die Rolle und Beteiligung des Westens an dem Konflikt in der Ukraine für den sozialkonservativen Flügel eine sehr viel größere Rolle, was oftmals als Unterstützung Russlands angesehen wurde.

Festzuhalten bleibt, dass in der Frage, dass der Krieg durch Verhandlungen beendet werden muss und dass Waffenlieferungen an die Ukraine abgelehnt werden, in der Partei Einigkeit besteht. Nach wie vor besteht aber große Uneinigkeit in der Frage, mit welcher Bündnispolitik gegen den Krieg mobilisiert werden soll. Dies zeigte sich exemplarisch an der Kundgebung zum Jahrestag zu Beginn des Krieges am 24. Februar, als Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer mit einem politisch sehr breiten Manifest nach Berlin mobilisierten und der Parteivorstand sich ausdrücklich gegen eine Beteiligung aussprach.

Darin drückt sich der unterschiedliche politische Ansatz aus: einerseits breite politische Bündnisse, wobei auch die Beteiligung von rechtsextremen Kräften in Kauf genommen wird, oder dezidiert linke Bündnisse, wo inhaltlich klare Forderungen gegen Krieg und Aufrüstung formuliert werden. In den letzten Monaten zeigte sich, dass der sozialkonservative Flügel durchaus bereit ist, mit Strukturen zusammenzuarbeiten, die auch mit rechten Kräften besetzt sind. So haben Dieter Dehm und Andrej Hunko mehrmals auf den Kundgebungen des Friedensbündnis.NRW geredet, das von ehemaligen „Querdenkern“ und anderen rechten Kräften durchsetzt ist, während der Landesverband der Partei DIE LINKE und mehrere Kreisverbände sich eindeutig von dem Friedensbündnis.NRW distanziert haben.

Differenzen zwischen den Sozialkonservativen und der Mehrheit in der Partei gibt es auch in manch anderen Fragen, wobei die Unterschiede zur Migration und die Antworten auf die Herausforderungen des Klimawandels nur die offensichtlichsten sind. Auf der einen Seite die eher national orientierte Ausrichtung der Sozialkonservativen und auf der anderen Seite die internationalistische der Parteimehrheit. Allerdings gibt es in beiden Spektren viele unterschiedliche Ansätze, wobei nicht zuletzt die Frage der Regierungsbeteiligungen und die sich die daraus ergebenden Konsequenzen noch erhebliches Konfliktpotential enthalten.

Die Frage wird sein, welche Auswirkungen eine Abspaltung der Sozialkonservativen auf die Akzeptanz der Partei haben wird. Sie wird danach sicherlich manche Mitglieder weniger haben, die in die „Wagenknecht-Partei“ wechseln. Wird es ihr trotz der medialen Präsenz von Wagenknecht gelingen, mit ihren politischen Inhalten durchzudringen? Momentan geht der Trend eher nach rechts, was sich an den Meinungsumfragen ablesen lässt. Wird eine Politik, die solidarische Lösungen und eine gesellschaftliche Umverteilung propagiert, genügend Unterstützung finden? Auf jeden Fall wird DIE LINKE hierzu und zu einer Reihe von anderen Fragen Antworten finden müssen, um die Bedeutungslosigkeit zu verhindern.

Die Mitglieder der ISO werden für eine Schärfung des bewegungsorientierten und antikapitalistischen Kerns der Partei streiten und sich für den Erhalt des sozialistischen Charakter der Partei einsetzen. In diesen Zeiten ist eine glaubwürdige, aktive und kämpferische sozialistische Partei nötiger denn je.

Dieser Beitrag wurde für die Diskussion in der Koordination der ISO geschrieben.

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