In Solidarität mit den Kämpfen der Völker gegen den ungezügelten Imperialismus, für die Befreiung der Völker und die Rettung der Umwelt
- Widersprüche des globalen Kapitalismus führen weiterhin zu brutalen Kriegen und Besetzungen. Bedroht durch wirtschaftliche und politische Krisen konstruieren sich kapitalistische Regierungen, die rassistische, patriarchale und imperiale Ideologien vertreten, äußere und innere Feinde, was zu Kriegen und anhaltender Unterdrückung führt. Solche Konflikte sind Teil der globalen Logik des neoliberalen Kapitalismus, der Logik des intensiven wirtschaftlichen und politischen Wettbewerbs, der zunehmenden Ungleichheit und des Chaos, das sie auf allen Ebenen hervorbringt. Die Kriege, denen wir ausgesetzt sind, stehen im Zusammenhang mit der globalen Krise des Kapitalismus und der daraus resultierenden überstürzten Flucht in Konflikte zwischen rivalisierenden imperialistischen Mächten.
- Mit der umfassenden russischen Invasion in der Ukraine am 24. Februar 2022, die auf die totale Unterwerfung der Ukraine abzielte, hat der von Putin geführte russische Imperialismus einen qualitativen Schritt in seinem Krieg gegen die Völker getan, gegen alle, die sich seinem autoritären und „großrussischen“ Kolonialprojekt widersetzen. Durch seinen Widerstand konnte das ukrainische Volk die Invasion eindämmen, aber Putins Krieg bedeutet einen langwierigen Krieg, der Tod, Zerstörung von Städten und Infrastruktur, Flucht und Vertreibung, Ökozid und Verbrechen aller Art durch die Invasionsarmee mit sich bringt.
- Der israelische Staat hat Gaza in ein neues und gewaltiges Ghetto verwandelt. Seit dem 8. Oktober 2023 lässt der israelische Staat unter dem Vorwand der Angriffe der Hamas Feuer auf den Gazastreifen regnen und hat die dort lebenden Palästinenser:innen von externen Ressourcen abgeschnitten und die Gewalt im Westjordanland verstärkt. Der israelische Kolonialismus, der heute von Netanjahu und seiner rechtsextremen Koalition angeführt wird, hat in seinem Projekt zur Auslöschung und Vertreibung des palästinensischen Volkes aus seinem Territorium eine qualitativ neue Stufe erreicht. Dieses Projekt ist das Herzstück des israelischen Kolonialismus, es ist ein Projekt extremer Gewalt, das von den Regierungen der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union aktiv unterstützt wird.
- Der erneute Angriff des israelischen Staates auf das palästinensische Volk hat in weiten Teilen der Welt Proteste ausgelöst. Die Westmächte und große Teile der führenden Medien bezeichnen den neuen israelischen Angriff als „Krieg gegen den Terrorismus“ und als Antwort auf den Angriff der Hamas und ihrer Verbündeten am 7. Oktober. Bei diesem Angriff, der die physische Mauer der kolonialen Unterdrückung durchbrach und die Besatzungsarmee überraschte, verübte die Hamas auch inakzeptable Morde an Zivilist:innen. Solche Verbrechen lehnen wir als Handlungen, die unserem emanzipatorischen Projekt zuwiderlaufen, entschieden ab. Aber im Gegensatz zu denen, die mit „zweierlei Maß messen“, können wir, wie die israelische Linke, sehen, dass diese Gewalt aus einem Kontext extremer Unterdrückung entsteht.
- Die russische Invasion der Ukraine und die israelische Besatzung Palästinas unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht, aber in beiden Fällen wird die Vierte Internationale von dem Grundsatz der Unterstützung des Selbstbestimmungsrechts der Völker geleitet. Wir lehnen jede Form von Campismus [Lagerdenken] ab, der eine imperialistische Macht gegenüber einer anderen bevorzugt oder revolutionäre Politik auf geopolitische Berechnungen reduziert. Stattdessen stützen wir uns auf die Solidarität mit den Völkern und ihren Kämpfen, auch wenn die Völker heute von bürgerlichen und/oder reaktionären Kräften geführt wird. Die herrschenden Klassen weigern sich, das Selbstbestimmungsrecht der Völker anzuerkennen, und versuchen, jeglichen Widerstand zu unterdrücken. Doch diese Repression stößt auf entschlossenen Widerstand. Wir unterstützen den Kampf des ukrainischen Volkes und der russischen und belarussischen Opposition, Putins verbrecherisches Regime zu besiegen und den Abzug der russischen Truppen als einzigen Weg zu einem gerechten und dauerhaften Frieden zu erreichen. Ebenso unterstützen wir den Widerstand des palästinensischen Volkes und erkennen an, dass nur das Ende des israelischen Kolonialismus der Gewalt ein Ende setzen kann.
- In verschiedenen Teilen der Welt entwickeln sich kriegerische Situationen, in denen unterdrückerische Mächte Völkern und nationalen Minderheiten ihre Rechte verweigern. So führte die jüngste Militäroffensive des aserbaidschanischen Regimes zur Vertreibung von über 100 000 Armenier:innen aus Berg-Karabach. Diese Offensive wurde in Zusammenarbeit mit dem türkischen Regime Erdogans durchgeführt, das weiterhin seinen eigenen Krieg gegen die Kurd:innen in der Türkei und in Syrien führt und gleichzeitig jede fortschrittliche Opposition in der Türkei zum Schweigen bringt. Auch Kaschmir ist weiterhin Opfer kolonialer Unterdrückung durch Indien und Pakistan. Saudi-Arabien hat in den letzten Jahren einen grausamen Krieg im Jemen geführt, mit Unterstützung westlicher, insbesondere französischer Waffen.
- Zynischerweise geben die Regime von Pakistan, Saudi-Arabien, der Türkei, dem Iran und anderen vor, Freunde des palästinensischen Volkes zu sein. Sie versuchen, die weltweite Sympathie für die palästinensische Sache zu instrumentalisieren, um ihre eigenen repressiven Regime zu legitimieren, während sie sich weigern, die Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes wirklich ernsthaft zu unterstützen. Ebenso heuchlerisch sind die westlichen Regierungen, die in Bezug auf die Ukraine ehrenwerte Reden über Demokratie und Selbstbestimmung halten, aber gleichzeitig in Bezug auf den israelischen Kolonialismus auf Zusammenarbeit und Unterstützung beharren und alle seine Verstöße gegen das Völkerrecht ignorieren. Unterdessen gibt die chinesische Regierung vor, den „globalen Süden“ anzuführen, während sie gleichzeitig unterdrückerische Regime wie die mörderische Diktatur in Myanmar unterstützt.
- Der US-Imperialismus, immer noch der führende Imperialismus der Welt, hat den russischen Krieg gegen die Ukraine als Chance genutzt, sich zu stärken. Insbesondere versucht er, die Ukraine für seine interimperialistische Rivalität mit Russland zu instrumentalisieren. Die NATO hat die Gelegenheit genutzt, sich zu vergrößern, und die NATO-Mitgliedstaaten nutzen die russische Invasion als Vorwand, um ihre Militärbudgets massiv zu erhöhen. Wir fordern die sofortige Auflösung von NATO und OVKS[1]. Solche Militärblöcke imperialistischer Staaten sind die Feinde der sozialen und nationalen Emanzipation.
- Der französische Staat hat in der afrikanischen Sahelzone einen eigenen sogenannten „Krieg gegen den Terrorismus“ geführt, der keine Probleme gelöst hat. Dieser französische Krieg hat eine antiimperialistische Reaktion unter den Völkern von Mali, Burkina Faso und Niger hervorgerufen, eine Reaktion, die von militärischen Abenteurern genutzt wurde, um die Macht durch Staatsstreiche zu übernehmen, die keine Aussicht auf eine fortschrittliche Alternative bieten. Im Sudan führen die Militärputschisten einen Krieg gegen ihre eigenen Völker, die ihre Macht in Frage stellen.
- Diese Welt des Militarismus und der Kriege, des Einsatzes von Waffen, die durch internationale Konventionen verboten sind, der Verweigerung von Grundrechten, insbesondere der Rechte von Frauen, und von Massakern an Zivilist:innen; diese Welt der Flüchtlinge, die in alle Ecken der Welt gedrängt werden, und der herrschenden Klassen, die sich weigern, die Klimakrise anzugehen ‒ diese Welt scheint jeden Sinn zu verlieren. Leider ist das nichts Neues: In den vergangenen Jahrzehnten wurden im Irak, in Afghanistan, in Tschetschenien, in Syrien und anderswo Kriege geführt. Doch heute scheint die Situation noch schwieriger zu sein: Eine katastrophale Logik des „Kampfes der Kulturen“ wird sowohl von den sogenannten „westlichen“ Regierungen als auch von Putin und Xi Jinping umgesetzt. Diese Logik dient als Sprungbrett für die rassistische und sexistische extreme Rechte, die überall auf dem Vormarsch ist. Während die Bekämpfung des Klimawandels immer dringender wird, werden wertvolle Ressourcen in Angriffs- und Besatzungskriegen verschwendet.
- Und doch erleben wir weltweit ein massives Streben nach Würde und der Verteidigung von Grundrechten, nach demokratischer, sozialer und ökologischer Gerechtigkeit sowie dem Schutz der Umwelt. Volksbewegungen gegen imperialistische und koloniale Beherrschung, feministische Bewegungen, Bewegungen für die Rechte von LGBTIQ und Minderheiten, Umweltbewegungen, Bewegungen für soziale Rechte. Angesichts der derzeitigen Kriege müssen wir dringend wieder durch Massenbewegungen in die Offensive kommen. Frieden kann nur dann gerecht und dauerhaft sein, wenn er Unterdrückung, Besatzung und Militarismus beendet. Das bedeutet, jede Logik der Aufteilung von Einflusszonen zwischen Militärblöcken abzulehnen, weder NATO noch OVKS! Frieden kann nur gerecht und dauerhaft sein, wenn er antiimperialistisch ist; wenn er demokratisch ist, die Rechte aller respektiert und die notwendigen Mittel für ökologische Lösungen bereitstellt. Was dringend benötigt wird, ist die Mobilisierung aller Energien, Kenntnisse und Ressourcen auf globaler Ebene. Wir brauchen einen ökosozialistischen Umbau, um die Grundbedürfnisse der Menschen überall auf der Welt zu befriedigen!
- Angesichts der Barbarei des Krieges müssen wir konkrete Solidarität von unten mobilisieren, mit Völkern, die für ihre Rechte kämpfen, in völliger Unabhängigkeit von Regierungen, globalen oder regionalen Mächten und reaktionären politischen Kräften. Wir betonen die Universalität von Prinzipien wie dem Recht auf Selbstbestimmung und dem Recht auf Widerstand, sei es in der Ukraine, in Palästina oder anderswo. Wir unterstützen den Widerstand gegen Oligarchen und Kapitalisten, wo immer sie tätig sind, und haben keine Illusionen in reaktionäre und rechte Führungen. Wir unterstützen den Kampf gegen die ultraliberale Agenda der Regierung Selenskyj und gegen ihre Ausrichtung auf den US-Imperialismus. Wir verurteilen die reaktionäre Weltanschauung der Hamas und lehnen ihre kriminelle Taktik ab. Wir vergessen nicht, wie die Unterdrückung fortschrittlicher Kräfte religiös-fundamentalistische Kräfte wie die Hamas begünstigte.
- Heute müssen wir alles in unserer Macht Stehende tun, um eine massive weltweite Bewegung in Solidarität mit dem palästinensischen Volk zusammen mit seinen Verbündeten in Israel zu mobilisieren. Das palästinensische Volk ist isoliert und lebt unter Besatzung; es steht allein, fast ohne materielle Unterstützung von außen. Umso notwendiger ist unsere Solidarität. Wir müssen die Vertreibung der Menschen, die „ethnische Säuberung“ des palästinensischen Volkes durch den israelischen Staat und eine zweite „Nakba“ verhindern. Wir fordern ein sofortiges Ende der Bombardierung und Blockade des Gazastreifens, einen Waffenstillstand und humanitäre Hilfe. Wir fordern die Freilassung der Gefangenen aller Seiten. Wir solidarisieren uns mit der palästinensischen Zivilgesellschaft und unterstützen ihren Aufruf, die BDS-Bewegung (Boykott Desinvestitionen Sanktionen) zu stärken.
- Unser Ziel ist eine politische Lösung, die die Kolonisierung beendet und das Recht der Vertriebenen auf Rückkehr sowie gleiche Rechte für Menschen aller Herkunft im Land garantiert. Die Solidaritätsmobilisierungen mit Palästina stehen vor großen Hindernissen: Propaganda mit dem Ziel, die Mobilisierungen und die Kräfte, die sie aufbauen, zu isolieren, und in anderen Ländern sogar physische Unterdrückung von Demonstrationen und anderen Solidaritätsbekundungen. Trotz dieser Repression geht die Palästina-Solidaritätsbewegung weiter und kämpft, indem sie diese Hindernisse überwindet, auch für Demokratie in ihren eigenen Ländern.
- Wir wissen, dass die Hamas oder andere religiös-fundamentalistische Kräfte keine Verbündeten bei der Suche nach einer progressiven palästinensischen Lösung sein werden. Die Vorstellung, dass das palästinensische Volk seine nationale Emanzipation durch eine militärische Niederlage des israelischen Staates, eines Staates mit einer überwältigenden militärischen Überlegenheit, erreichen könnte, ist eine Illusion. Im Nahen Osten eines Mosaiks von Völkern und Minderheiten ist Frieden nur durch die demokratische Emanzipation aller möglich.
Die Lösung der gegenwärtigen globalen Krisen kann nur durch eine internationale Massenmobilisierung der Arbeiter gegen die imperialistische Besatzung, für das Selbstbestimmungsrecht der Völker, gegen die Einschränkung demokratischer Freiheiten und für konkrete Solidarität, einschließlich humanitärer Hilfe, erreicht werden.
Es ist die Aufgabe der Organisationen der Arbeiterbewegung und der Volksbewegungen, einen großen Teil der Arbeiterklasse und der Unterdrückten zu mobilisieren, um zu diesen internationalistischen Mobilisierungen beizutragen, konkrete Verbindungen mit den Organisationen der Unterdrückten aufzubauen und das globale Kräfteverhältnis zu verändern.
[1] Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (englisch: Collective Security Treaty Organization – CSTO) ist ein von Russland geführtes Militärbündnis
Ende der israelischen Angriffe auf das palästinensische Volk, sofortiger Waffenstillstand!
Russische Truppen raus aus der Ukraine!
Auflösung von NATO und OVKS!
Gegen alle Formen des Imperialismus, internationale Solidarität!
Beschlossen am 25. Oktober 2023
Übersetzung aus dem Englischen: T.R.
Quelle: fourth.international
[1] Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (englisch: Collective Security Treaty Organization – CSTO) ist ein von Russland geführtes Militärbündnis
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