Nachdem es im Dezember die letzten Streiks und die Urabstimmung über einen unbefristeten Streik bei der Bahn gegeben hat, geht die Tarifrunde in die entscheidende Phase. Bevor ich auf die momentanen Bedingungen eingehe, möchte ich an die Forderungen der Bedingungen eingehe, möchte ich an die Forderungen der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) erinnern. Sie fordert:
- 555 € Lohnerhöhung und eine entsprechend deutliche Erhöhung der Ausbildungsvergütungen und der Zulagen für die Schichtarbeit um 25 % bei einer Laufzeit von 12 Monaten
- Verkürzung der Arbeitszeit von 38 auf 35 Stunden pro Woche für alle Schichtarbeiter:innen bei vollem Lohnausgleich
- Einführung der 5-Schichten-Woche für Schichtarbeiter:innen
- Inflationsausgleichprämie von 3000 € für alle Beschäftigten – ganz gleich ob Voll- oder Teilzeitbeschäftigte
- 5 % Arbeitgeberanteil an der betrieblichen Altersvorsorge
Wie sich in den vergangenen Wochen heraus gestellt hat, ist die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich für Arbeiter:innen im Schichtdienst der Knackpunkt bei den Verhandlungen. Am 5. Januar hat der Bahnvorstand erstmals zu erkennen gegeben, dass er bereit ist, hierüber zu reden, und hat ein Modell vorgelegt, das allerdings keinen Lohnausgleich vorsieht. Der Bahnvorstand setzt auf individuelle Lösungen und unterschiedliche Absenkungsmöglichkeiten.
In der Zwischenzeit hat die GDL mit zwei anderen Bahnunternehmen, Netinera und Go-Ahead, Tarifverträge abgeschlossen, die eine stufenweise Verkürzung der Arbeitszeit vorsehen. Das Inkrafttreten dieser Verträge ist allerdings an einen Abschluss mit der Deutschen Bahn gekoppelt.
Gleichzeitig hat der Bahnvorstand eine Klage vor dem Landesarbeitsgericht in Frankfurt gegen die GDL eingereicht, in der er die Tariffähigkeit der GDL bestreitet. Hintergrund dieser Klage ist die an die GDL angebundene Genossenschaft „Fairtrain“, die Lokfüher:innen einstellen will, um sie an Bahnunternehmen zu verleihen. Damit würde die GDL nicht mehr nur die Interessen von Beschäftigten vertreten, sondern auch eine Arbeitgeberfunktion ausüben. Dieses Verfahren wird allerdings keine direkten Auswirkungen auf diese Tarifrunde haben, da es hier um eine grundsätzliche Frage geht, die die Gerichte sicherlich noch einige Zeit beschäftigen wird.
Der Bahnvorstand hat der GDL als nächsten Termin für Verhandlungen Mittwoch, den 10. Januar vorgeschlagen. Die GDL hat angekündigt, ab diesem Tag bis Freitagabend im Personenverkehr zu streiken (im Güterverkehr bereits einen Tag früher) und damit diesen Termin ausgeschlagen. Der Vorstand der Bahn hat nichts Besseres zu tun, als zu versuchen, den Streik durch Gerichte verbieten zu lassen. Dies wird genauso wenig Erfolg haben wie in der Vergangenheit und wird eher die Wut der Beschäftigten gegen den Vorstand verstärken. Letzten Endes wird dem Vorstand nichts anderes übrig bleiben, als auf die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich einzugehen.
Bisher war es für kämpferische Gewerkschafter:innen selbstverständlich, mit den Streiks der GDL solidarisch zu sein. Dies gilt auch weiterhin für die Forderungen zum Einkommen und vor allem mit der Arbeitszeitverkürzung. Die Gründung der Leiharbeitsgenossenschaft „Fairtrain“ trübt diese Solidarität, da Leiharbeit eher abgeschafft statt gefördert gehört. Hinzu kommt, dass die Vorstellungen der GDL zur Zukunft der Bahn ziemlich problematisch sind. Statt die vollständige Vergesellschaftung der Bahn und damit ein öffentliches Unternehmen zu fordern, ist die GDL durchaus offen für eine weitere Zergliederung, die auch Privatisierungen bedeuten kann.
Trotzdem gilt es, Solidarität mit den Streiks zu üben und die Streikenden in ihrem Kampf für höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten zu unterstützen.
7. Januar 2024
Siehe dazu auch Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn AG in der avanti2