EVG ruft zu Urabstimmung auf und … akzeptiert Schlichtungsverfahren

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Tarifverhandlungen bei der Bahn

EVG ruft zu Urabstimmung auf und … akzeptiert Schlichtungsverfahren

Von Helmut Born | 04.07.2023

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hatte die Verhandlungen am 22. Juni für gescheitert erklärt und die Einleitung einer Urabstimmung angekündigt. Grund dafür war das völlig unzureichende Angebot des Vorstands der Deutsche Bahn AG, besonders unannehmbar war für die EVG die lange Laufzeit des neuen Tarifvertrages über 27 Monate. Die Forderung der EVG nach einer Lohnerhöhung von 12 %, mindestens 650 €, beantwortete der DB-Vorstand mit dem Angebot einer ersten Lohnerhöhung im Dezember 2023 und einer zweiten ein Jahr später sowie der Zahlung eines Inflationsausgleiches in Höhe von 2850 €, das ist ebenfalls unakzeptabel.

Unannehmbar war dieses „Angebot“ des Bahn-Vorstandes aber nur für die große Mehrheit der Tarifkommission, während der Vorstand der EVG sich für die Annahme aussprach. Doch die Tarifkommission konnte sich gegen den Verhandlungsführer Kristian Loroch und den Vorstand durchsetzen. Ein Vorgang, der in der deutschen Gewerkschaftslandschaft nicht häufig vorkommt. Er zeigt: es ist viel Druck im Kessel.

Der Bahn-Vorstand hat der EVG am 24. Juni vorgeschlagen, in einem Schlichtungsverfahren zu versuchen, zu einem Ergebnis zu kommen. Der Vorstand der EVG hat sich am 28. Juni dafür entschieden, dieses Angebot anzunehmen. Damit ist die Urabstimmung erst einmal ausgesetzt, weitere Warnstreiks sind sehr unwahrscheinlich geworden. Bis eine Schlichtungsstelle tagen kann, können Wochen vergehen, zumal es bei der Bahn keine Vereinbarung zur Regelung von Schlichtungen gibt (wie das etwa im Öffentlichen Dienst der Fall ist).

Zugleich hieß es: „An der Urabstimmung werde allerdings festgehalten. ,Unsere stimmberechtigten Mitglieder bei der DB AG würden so über das Ergebnis der Schlichtung und damit auch über die Möglichkeit unbefristeter Arbeitskämpfe abstimmen. Überzeugt das Ergebnis nicht, werden unbefristete Streiks die Folge sein, ergänzte EVG-Tarifvorstand Cosima Ingenschay.ʻ“

Jetzt müssen erst einmal die Beisitzer:innen der beiden Seiten und vor allem ein/e Vorsitzende*r und mögliche Termine gefunden werden. Mit dem Beschluss, dem Vorstand der Bahn zu folgen, ist zunächst jede Dynamik aus der Tarifrunde genommen worden. Damit sind die Mitglieder wieder in die Rolle von Zuschauer:innen zurückversetzt worden. Über das Ergebnis der Schlichtung soll von den Mitgliedern in einer Urabstimmung befunden werden. Die Gefahr besteht, dass der EVG-Vorstand empfiehlt, einen Schlichtungsspruch zu akzeptieren, der keine wesentliche Forderung der Gewerkschaft erfüllt.

Dagegen sollten die aktiven Teile jetzt mobil machen. Wenn der Schlichtungsspruch den Forderungen nicht entspricht, muss er abgelehnt werden. Der EVG-Vorstand scheint seine neue Rolle als kämpferischer Gegenpol zum DB-Vorstand noch immer nicht gefunden zu haben. Bisher gab es vereinzelte Mobilisierungen, aber keine erkennbare Strategie, wie der Bahn-Vorstand wirklich unter Druck gesetzt werden kann. Dies ist auch in der Zustimmung zur Schlichtung zum Ausdruck gekommen.

Dagegen sind jetzt eine breite aktuelle Information der Mitglieder und ihre Einbeziehung in die Entscheidungsfindung notwendig. Die Mitglieder der EVG sollten gegen ein mögliches sang- und klangloses Akzeptieren eines Schlichtungsspruchs aktiv werden. Der Vorstand muss daran gehindert werden, faule Kompromisse einzugehen. Ansonsten droht auch das Ergebnis dieser Tarifrunde zu einer Enttäuschung zu werden ‒ so wie bei der Post oder im Öffentlichen Dienst.

Einmal mehr ist eine politische Offensive zur Unterstützung der Tarifrunde der Eisenbahner:innen erforderlich. Die zarten ersten Ansätze für Bündnisse mit der Klimagerechtigkeitsbewegung und Bahnverbraucherinitiativen sollten gestärkt werden.

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