Am 9. Juni hat die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) die Tarifverhandlungen mit der Deutschen Bahn für gescheitert erklärt. Eine hochpolitische Angelegenheit, weil das Unternehmen dem Bund gehört.
Und die Bundesregierung will, genau wie die Unternehmensführung, eine zahme Gewerkschaft. Das Tarifeinheitsgesetz der damaligen Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) könnte der GDL deshalb noch Probleme bereiten. Das ISO-Sekretariat ruft im aktuellen Tarifkonflikt zur Solidarität mit der Gewerkschaft auf.
Die Tarifforderung der GDL
Im Zuge der Öffnung für neue Berufsgruppen fordert die GDL für das gesamte direkte Personal derzeit einen Eisenbahn-Flächentarifvertrag (EFTV) 2 mit einer Entgelterhöhung von 3,2 Prozent zum 1. März 2021 sowie eine Corona-Beihilfe von 600 Euro wie im TVöD-Abschluss 2020 vereinbart. Dieser Tarifvertrag soll bei der DB AG neben dem Zugpersonal auch für die Beschäftigten der Fahrzeuginstandhaltung, des Netzbetriebs und für die Fahrweginstandhaltung gelten.
In den vier Tarifverhandlungen hatte die GDL wohl Kompromissbereitschaft gezeigt, aber die Deutsche Bahn hat das provokativ zurückgewiesen. Nun wird aus allen medialen und politischen Rohren auf die GDL geschossen.
Der GDL wird vorgeworfen, eine Branchengewerkschaft zu sein oder gar nur eine privilegierte Berufsgruppe zu vertreten. Schon die Tarifforderung zeigt, dass beides nicht richtig ist. Und wenn Lokführer so privilegiert sind, warum haben die Eisenbahnunternehmen so große Schwierigkeiten, Nachwuchs und überhaupt Arbeitskräfte zu finden?
„Unverantwortlich hoch“ seien die Forderungen der GDL. Nein, die GDL fordert nach einer Nullrunde im Jahre 2020 eine Einkommenserhöhung, die angesichts der steigenden Inflationsrate mindestens einen Reallohnausgleich garantiert. Der Verweis der Manager der DB auf den Abschluss mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die nur 1,5 % mehr akzeptiert hat, zeigt, dass genau dieser Reallohnabbau das Ziel des Unternehmens ist.
Wir lernen: Reallohn sichern ist „unverantwortlich“.
Die Bereitschaft der GDL, ihre berechtigten Forderungen auch mit Streiks durchzusetzen, sei „egoistisch“. Nein, die GDL ist tatsächlich eine Gewerkschaft, die die Interessen ihrer Mitglieder vertreten und kollektiv durchsetzen will.
Wir lernen: Wenn Beschäftigte ihre Interessen als Gewerkschaft durchsetzen wollen, dann ist das „egoistisch“.
„Unverantwortlich“ ist es, wenn der Vorstand der Deutschen Bahn AG – zu 100 Prozent im Besitz des Bundes – 30 Milliarden (30.000.000.000 €) Steuergelder in unsinnigen Großprojekten wie Stuttgart 21 und dem weltweiten Aufkauf von Transportunternehmen verbrennt.
„Egoistisch“ ist es, wenn 3.500 Manager im Konzern ihre Bonuszahlungen weiterbekommen, aber die normalen Beschäftigten mit Reallohnverlust abgespeist werden sollen.
Diese Tarifauseinandersetzung ist zweifacher Hinsicht auch eine hochpolitische Angelegenheit.
Die Bahn gehört dem Bund. Dass der Vorstand der Bahn mit Rückendeckung der Bundesregierung handelt, liegt auf der Hand.
Die Gewerkschaften waren während der Pandemie weitgehend wie gelähmt. In den Tarifrunden im öffentlichen Dienst und in der Metall- und Elektroindustrie 2020/21 haben ver.di und IG Metall sich von der Krisenpropaganda einschüchtern lassen und Abschlüsse getätigt, die Reallohnverlust festschreiben und den Unternehmen mehr Flexibilität auf Kosten der Beschäftigten zugestehen.
Das war und ist ganz nach dem Geschmack der Unternehmerverbände und der Regierungsparteien. Und das soll aus deren Sicht auch noch so bleiben. Eine Gewerkschaft, die die „Spielregeln“ von: „Wir sitzen doch alle in einem Boot“ (der deutschen Volkswirtschaft) und „wir schnallen unseren Gürtel enger“ (um international konkurrenzfähig zu bleiben), nicht anerkennen will, passt da nicht ins Bild.
Ein Streik der GDL wird mit allen politischen, publizistischen und rechtlichen Mitteln bekämpft werden.
Eine herausragende Rolle soll dabei das Tarifeinheitsgesetz spielen, was von SPD-Nahles eingeführt wurde. Danach ist in einem Betrieb nur noch die Gewerkschaft tariffähig, welche die Mehrheit hat – und nur sie hat das Recht zu streiken! Was ein Betrieb ist, weiß man dabei nicht so genau. Die Deutsche Bahn AG z. B. behauptet, sie habe 300 (!) Betriebe und nur in einigen wenigen davon hätte die GDL eine Mehrheit. Es ist absehbar, dass die deutsche Arbeitsgerichtsbarkeit in den nächsten Wochen viel beschäftigt sein wird.
Wir unterstützen die Beschäftigten bei der Deutschen Bahn AG und ihren Arbeitskampf mit der GDL.
Dieser Arbeitskampf kann beispielhaft dafür sein, wie es in diesem Land weitergeht mit Tarif- und Streikbewegungen.
Eine Niederlage der GDL oder gar ihre Zerschlagung wäre eine Niederlage für die gesamte Gewerkschaftsbewegung in Deutschland.
Offensive Lohnpolitik auch in der Pandemie, Streiks auch in der Pandemie, nachhaltige Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen für die Beschäftigten bei der Bahn! Und im ganzen Land!
Im Übrigen gilt für die Beschäftigten der Bahn, was die Beschäftigten im Gesundheitswesen rufen: „Mehr von uns ist besser für alle!“ Denn der Kampf gegen die Klimakatastrophe erfordert die massive Verlagerung von Verkehr auf die Schiene. Auch deshalb muss es lohnender und attraktiver werden, für die Bahn zu arbeiten.
Sekretariat der ISO, 18. Juni 2021
Internationale Sozialistische Organisation (ISO)
iso@intersoz.org