Ein unbefriedigender Abschluss
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Tarifrunde Eisen und Stahl 2023

Ein unbefriedigender Abschluss

Von Helmut Born | 18.12.2023

Am frühen Morgen des 16. Dezember wurde der Abschluss in der nordwestdeutschen Stahlindustrie in der diesjährigen Tarifrunde verkündet. Die IG Metall hatte eine Lohnerhöhung von 8,5 % und die Verkürzung der Arbeitszeit von 35 auf 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich, gefordert. Diese Forderungen wurden von den „Stahlarbeitgebern“ als unbezahlbar zurückgewiesen, da sie auf eine Erhöhung der Personalkosten auf 17 % hinausliefen. Zur Durchsetzung der Forderungen hatte die IG Metall zu ganztägigen Warnstreiks an den verschiedenen Orten der Stahlbetriebe aufgerufen, es gab eine sehr gute Beteiligung.

Dass es zu einem Abschluss noch vor Weihnachten kommt, war aber nicht überall erwartet worden. Aber wieder einmal war das Interesse der IG-Metall-Führung an der Sicherung des „Industriestandortes Deutschland“ offensichtlich wichtiger als die Durchsetzung der Forderungen. Der Verhandlungsführer der IG Metall, Knut Giesler (Bezirksleiter der IGM Nordrhein-Westfalen), zeigte sich demensprechend zufrieden mit dem von ihm ausgehandelten Ergebnis.

Das Ergebnis im Einzelnen:

• Im Januar 2024 gibt es eine Inflationsausgleich über 1500 €, Azubis erhalten 1000 €.

• Von Februar 2024 bis November 2024 gibt es monatlich einen Inflationsausgleich von 150 €, für Azubis 80 €.

• Teilzeitbeschäftigte erhalten den Inflationsausgleich anteilig.

• Ab Januar 2025 gibt es eine Lohnerhöhung von 5,5 %.

• Die Laufzeit des Tarifvertrages beträgt 22 Monate und endet im September 2025.

Regelungen zur Arbeitszeit

In einem zusätzlichen Tarifvertrag „Transformation“ wurden Regelungen zur Sicherung der Beschäftigung durch Arbeitszeitregelungen getroffen. Diese Regelungen sehen folgendermaßen aus:

Die Arbeitszeit kann durch betriebliche Regelungen auf 32 Stunden verkürzt werden, wobei eine Stunde mit Lohnausgleich bezahlt wird. Die restlichen zwei Stunden müssen die Arbeiter:innen aus eigener Tasche bezahlen. In Zeiten der Transformation, in denen in der Stahlindustrie sowohl auf Koks basiert wie auch schon wasserstoffbasiert produziert wird, kann die Arbeitszeit auf 38 Stunden erhöht werden, dabei werden die bestehenden tariflichen Regelungen angewendet.

Die IG Metall erklärt zu diesem Abschluss zur Arbeitszeit, dass damit den Beschäftigten Sicherheit in Zeiten der Transformation gegeben wird. Wenn es zu Druck auf die Beschäftigung kommt, kann die Arbeitszeit verkürzt werden. Ob dies dann so kommt, bleibt abzuwarten. Dass die Beschäftigten den größten Teil dieser Absicherung selber bezahlen sollen, ist aber eine weitere Aufgabe gewerkschaftlicher Positionen.

Lohnverzicht lohnt sich nicht

Wiederum lässt sich die IG Metall, genau wie die anderen DGB-Gewerkschaften, auf eine für die Unternehmer preiswerte Regelung eines Inflationsausgleichs ein. Nicht nur, dass dieser Inflationsausgleich keine Tabellenwirksamkeit entfaltet, sondern er bedeutet auch eine Schwächung der Sozialversicherungen, da dafür keine Beiträge in die Sozialkassen geleistet werden. Da braucht sich niemand zu wundern, wenn die Beiträge für die Krankenversicherung demnächst erhöht werden und die Rentenerhöhungen niedriger ausfallen weeswn. Für die Unternehmer ist dies ein probates Mittel, um die Lohnkosten niedrig zu halten, da diese Regelung gegenüber erheblich preiswerter ist eine tabellenwirksame.

Wiederum wird dieses Ergebnis kaum ausreichen, um die Verluste durch die hohen Preissteigerungen der letzten Jahre auszugleichen, geschweige denn für eine Verbesserung sorgen. Dafür wäre es erforderlich, Tarifverträge mit einer kürzeren Laufzeit abzuschließen und die Interessen der Beschäftigten in den Vordergrund zu stellen. Was nützt den Beschäftigten eine Verkürzung der Arbeitszeit ohne einen vollen Lohnausgleich? Was nützen ihnen Lohnabschlüsse, die ihr Einkommen nicht sichern?

Nötig ist eine grundsätzliche Umkehr der Politik der Gewerkschaften. Die Sozialpartnerschaft in Krisenzeiten wird immer mehr zu einer Politik, die es dem Kapital ermöglicht, seine Profite zu sichern oder zu erhöhen. Es braucht eine Abkehr von dem Vorrang der Sicherung des „Industriestandortes“ ‒ hin zu einer kämpferischen Politik des Vorrangs der Interessen der abhängig Beschäftigten. Die Standortsicherungspolitik dient den Interessen des Kapitals in ihrem Kampf um Weltmarktanteile.

18.12.2023

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