Landtagswahlergebnisse zum weglaufen
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Eine neue Polarisierung ist nötig

Landtagswahlergebnisse zum weglaufen

Von Manuel Kellner | 02.09.2024

Das Ergebnis der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen ist zum Weglaufen. Aber wohin? Der Aufschwung der äußersten Rechten ist in vielen Ländern so bedrückend wie in Deutschland. Die Masse der Ausgebeuteten, Unterdrückten und Benachteiligten kann ohnehin nicht weg. Gleichwohl: Was für ein schlimmes Gefühl, darauf hoffen zu müssen, dass in beiden Bundesländern irgendwie eine CDU-geführte Regierung gegen die AfD zusammengestoppelt werden kann!
Führende AfD-Politiker konnten am Wahlabend hohnlachend erklären, dass die Ampel- und die Unionsparteien ihre Positionen vor allem in der Flüchtlingspolitik übernommen haben (sie aber nicht umsetzen könnten). Man werde die etablierten Parteien daher weiter „vor sich hertreiben“. In der Tat, die gesamte öffentliche Debatte wird von den Rechtsextremisten bestimmt. Je mehr die etablierten Parteien von ihnen übernehmen, desto sicherer werden bei den nächsten Anlässen noch mehr Leute das rechtsextremistische Original wählen.
Die einstelligen Wahlergebnisse für die Ampelparteien sind eine schallende Ohrfeige für die Regierungskoalition und für den Bundeskanzler Scholz (für die SPD, für die Grünen auch, und für die Lindner-FDP besonders spektakulär). Kann man sich darüber freuen und Neuwahlen auf Bundesebene fordern? Die CDU ist mit den geringsten Verlusten als stärkste bzw. zweitstärkste Kraft aus diesen Landtagswahlen hervorgegangen. Die Unionsparteien sind laut der Umfragen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die führende Kraft einer wie immer gearteten Regierung, die die Ampel ablöst. Das aber bedeutet, doch nur vom Regen in die Traufe zu geraten.

Krise der Regierung macht so keine Freude.

Das BSW konnte allen anderen Parteien Stimmen abjagen, aber bei weitem am meisten von der Partei Die Linke – und am wenigsten von der AfD. Ihre Existenz ist Ausdruck der Krise der Linken. Ihr Profil ist mehrdeutig, und nicht nur in der Flüchtlingspolitik und im kulturpolitischen Konservativismus weist es Überschneidungen mit dem Profil der AfD auf. Wieweit seine sozial- und verteilungspolitisch eher linkeren Ansätze eine positive Rolle spielen können ist unklar. Als an eine charismatische Persönlichkeit angehängtes Top-down-Projekt hat es eine ungewisse Zukunft. Zudem die Kräftekonstellation in beiden neuen Landtagen ihm realpolitische Entscheidungen abverlangen wird. In unseren politisch höchst volatilen Zeiten kann es dem BSW leicht passieren, in kurzer Zeit entzaubert und im Massenbewusstsein den Etablierten zugerechnet werden.

Freude über die Krise der Regierungskoalition könnte nur aufkommen, wenn die Linke – und damit wahlpolitisch die Partei DIE LINKE – damit gestärkt würde. Wie alle wissen ist da Gegenteil der Fall. Die einst so stolze Regierungspartei des Bodo Ramelow in Thüringen steht da wie ein gerupftes Huhn. Da hat es Ramelow nichts genützt, auf seinen persönlichen Nimbus zu setzen und den Namen seiner Partei auf den Wahlplakaten wegzulassen. In Sachsen ist DIE LINKE gar unter die 5%-Hürde gesackt und nur dank zweier Direktmandate wieder in den Landtag gekommen. Bei Umfragen begründeten viele ihre Wahlentscheidung für das BSW (oder gar für die AfD) mit ihrer Enttäuschung über die Partei DIE LINKE. Natürlich finden sich wieder welche, die sagen, die Partei Die Linke müsse nun endgültig abgeschrieben werden.

Aber, Momentchen mal…

Die wahlpolitischen Misserfolge machen die Partei DIE LINKE weder rechter, noch etablierter, noch bürgerlicher. Was ich schonmal gesagt hatte, gilt heute mehr denn je: Wer heute noch Mitglied ist oder wird und wer weiterhin Die Linke wählt, handelt aus Überzeugung. Das ist viel wert und sollte nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Natürlich braucht die Linke insgesamt, und die Partei DIE LINKE ist immer noch die relativ stärkste Kraft in ihr, einen Reflexionsprozess darüber, wie sie aus ihrer Krise herauskommen und wieder erstarken kann.

DIE LINKE hat alles Interesse daran, den falschen Polarisierungen in der öffentlichen Debatte den antagonistischen Klassengegensatz von Arbeit und Kapital entgegenzusetzen. Keine wahrnehmbare politische Kraft in Deutschland fordert systematisch und bei jeder Gelegenheit, Schluss zu machen mit der Politik der etablierten Parteien wie auch der AfD im Interesse des Kapitals und gegen die Interessen der abhängig Beschäftigten, Ausgebeuteten und Benachteiligten. Der Mangel an einer solchen Kraft lastet wie ein Alp auf vielen Köpfen, die sich verzweifelt den blau angestrichenen braunen Rattenfängern zuwenden.

Keine Abkürzungen zur Verankerung, keine Alternative zur Kühnheit

Es gibt keine Abkürzungen. Ohne tiefe Verankerung in den Betrieben und Stadtteilen wird linke Politik nicht wieder stärker. Doch gibt es auch wichtige Fragen der Orientierung:

Solidarität mit Palästina statt Staatsraison, Internationalismus und Antimilitarismus statt Kriegstreiberei und Pazifismus – da gibt es viele dicke Bretter zu bohren.
Aber auch kühne politische Initiativen sind erforderlich. Dazu gehört die Besinnung auf die verbliebene Kampfkraft der Gewerkschaften und deren Einbeziehung in eine große Beratung darüber, wie der rechtsextremistischen Gefahr mit Massenaktionen für solidarische Lösungen begegnet werden kann.

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