1.
Der internationale Aufschwung extrem rechter bis faschistischer Bewegungen und Parteien ist Ausdruck der tiefen Krisen des kapitalistischen Weltsystems. Er wurde und wird durch die Vorherrschaft und Verstetigung neoliberaler Strategien gefördert. Die anhaltende politische und organisatorische Schwäche von Linken und Gewerkschaften erleichtern diese bedrohliche Entwicklung.
In der Bundesrepublik marschiert die AfD von einem Umfragehoch zum nächsten. Sie gewinnt nicht nur zunehmend Posten im parlamentarischen Raum, sondern in Verbindung damit auch beträchtliche Einnahmequellen. Die vielbeschworenen „Brandmauern“ gegen rechts werden zunehmend brüchiger. Und schlimmer noch: Die neoliberale und autoritäre Politik der etablierten Parteien ebnet dem weiteren Rechtsruck den Weg (Vertiefung der Klassenspaltung, Einschränkung demokratischer Rechte, Forcieren der Umweltzerstörung, Beschleunigung der Militarisierung, Verschärfung der Flüchtlingsbekämpfung usf.).
Der Aufschwung der extremen Rechten geht einher mit einer Zunahme an rassistischen Übergriffen und Anschlägen gegen Migrant:innen und Einrichtungen für Migrant:innen, sowie mit Attacken gegen Linke und Menschenrechtsinitiativen ebenso wie gegen queere Menschen und Personen mit Behinderungen. Diese Entwicklung stellt eine große Bedrohung und Herausforderung für die gesamte Linke dar. Wir sind mit allen Opfern dieser reaktionären Politik solidarisch und setzen uns für gemeinsame Schutzabkommen unter linken und gewerkschaftlichen Kräften ein.
Der mediale und gesellschaftliche politische Diskurs wird von den etablierten Parteien und den Agenturen der herrschenden Klasse insgesamt nach rechts verschoben. Damit werden weitere sozialpolitische Angriffe und Kürzungen vorbereitet. Die Wahlkämpfe im Herbst dieses Jahres, die Europawahlen und Landtagswahlen in 2024 und wahrscheinlich auch die Bundestagswahl 2025 sind bereits bzw. werden aufgrund des Druckes der AfD stark von den Themen Migration, Flüchtlingspolitik, Alltagsrassismus, Kriminalität bestimmt.
Die von den europäischen Regierungen, der EU und von der Ampel-Regierung in Berlin beschlossene weitere Aushöhlung des Asyl- und Einwanderungsrechts werden dafür nur ein Vorspiel sein. Auch die angebliche Menschenrechtspartei DIE GRÜNEN haben diesen Regierungsmaßnahmen zugestimmt.
Die Debatte über Integration der AfD in das Regierungsgeschäft wird beständig zunehmen. Die Zusammenarbeit der bürgerlichen Parteien mit der AfD auf kommunaler und bald auch Landesebene wird von der heutigen Ausnahme immer mehr zu einer Regel werden. Das müssen wir regelmäßig enthüllen und bekämpfen.
2.
Es gibt keine Gemeinsamkeiten zwischen der AfD und der Linken. Die ISO lehnt jedes Zusammengehen mit der AfD in gemeinsamer Propaganda gegen die Regierungspolitik ab. Wir unterschreiben keine gemeinsamen Appelle, wir unterstützen nicht ihre parlamentarische Initiativen und Anträge. Wir lehnen ebenso eine Taktik ab, gemeinsame linke Aufrufe und Initiativen so zusammenzustreichen und zu entpolitisieren, dass auch rechte Kräfte mitmachen könnten.
Auch mit Organisationen, die zu Propagandablöcken mit der AfD bereit sind, arbeitet die ISO nicht zusammen. Das betrifft Gruppen wie „Die Basis“, „Die Unbeugsamen“, „aufstehen“ usw.
Wir treten für eine breite Aktionseinheit auf allen Ebenen und den Aufbau einer sozialen Front gegen Faschismus ein, die in keinem Widerspruch zu unseren Positionen steht. Wir rufen dazu in der Regel mit eigenen Aufrufen der ISO oder uns sehr nahe verbundener Partner:innen auf.
Kommen zu diesen Aktionen auch Unterstützer:innen der AfD, so werden wir verhindern, dass sie AfD-Banner und -Materialien verteilen. Das muss über Ordnerdienste und ähnliche Absprachen im Vorfeld geklärt werden.
Ohne solche Erkennungsmerkmale werden wir keine Ausschlussmaßnamen oder Gesinnungsprüfungen bei Teilnehmer:innen an von uns mitorganisierten Aktionen durchführen.
3.
Gegen öffentliche Aktionen, Parteitage und Kundgebungen der AfD und anderer extrem rechter bis faschistischer Organisationen und Bündnisse mobilisieren wir gemeinsam mit anderen antifaschistischen und antirassistischen Kräften. Wir rufen zu politischen Gegenaktivitäten auf, in deren Mittelpunkt die linken alternativen Inhalte und Forderungen stehen müssen. Auch Anti-AfD-Kampagnen in „Wahlkämpfen“ (Brauner-Sack-Aktion an AfD-Ständen u. ä.) unterstützen wir.
Bündnisse, die sich für solche politischen Kampagnen gebildet haben (Aufstehen gegen Rassismus, lokale Strukturen „Gegen rechts“ oder „Stellt sich quer“-Gruppen) werden wir unterstützen und uns nach unseren Kräften an diesen Aktivitäten beteiligen.
4.
Wir lehnen eine Kampagne „Verbot der AfD“ ab. Wir sind der Meinung, dass sich eine Partei mit vielen Millionen Wähler:innen nicht mit staatlichen Verboten bekämpfen lässt. Es ist zudem offensichtlich, dass staatliche und halbstaatliche Institutionen, die ein solches Verbot durchführen müssten, viel zu sehr mit den rechten Kräften strukturell verbandelt sind.
Aber wir werden unsere Kritik an einer Verbotskampagne nicht zum Ausschlussgrund für gemeinsame Aktivitäten machen.
Wir wollen eine offene und eindeutige Bewegung gegen die AfD und die Rechtsentwicklung fördern, um ihre Unterstützerbasis zu schwächen – ohne demokratische Rechte für alle einzuschränken oder zu zerstören.
5.
Die AfD ist eine Bedrohung für die Handlungsmöglichkeiten und die Existenz von Gewerkschaften und betrieblichen Interessenvertretungen. Die AfD wird überdurchschnittlich oft von Gewerkschaftsmitgliedern gewählt. Die ISO tritt deshalb für eine aktive und aktivierende Gewerkschaftspolitik gegen diese Gefahr in Betrieb und Gesellschaft ein. Sie unterstützt Initiativen der Gewerkschaften gegen AfD- oder AfD-nahe Gruppen wie Zentrum Automobil in den Betrieben und Verwaltungen. Betriebs- und Personalräte müssen im Umgang mit rechter Alltagskultur geschult und unterstützt werden. Wir werden uns in keinem Fall an Listen zur Betriebsratswahl mit AfD-Mitgliedern beteiligen, auch dann nicht, wenn sie als „Oppositionslisten“ gegen verknöcherte DGB-Bürokraten antreten.
Rassistische, sexistische und rechtsradikal begründete Übergriffe gegen Kolleg:innen sind heute bereits Grund für verhaltensbedingte, auch fristlose Kündigungen. Das sollte so bleiben, wird aber unter Wahrung aller Regeln des Kündigungsschutzgesetzes im Einzelfall zu prüfen sein.
Die ISO ist für die offensive Auseinandersetzung mit Mitgliedern der AfD oder anderer rechtsextremer Organisationen in den Gewerkschaften. Hier gilt ebenfalls das Argument, dass sich ein politischer Masseneinfluss mit Ausschlüssen nicht zurückdrängen lässt.
6.
Für die ISO ist der Kampf gegen rechts untrennbar verbunden mit dem Kampf gegen die verheerende und zerstörerische Logik des kapitalistischen Wirtschafts- und Herrschaftssystems, die wir grundlegend und nachvollziehbar in Frage zu stellen haben. Diese Herausforderung hat eine theoretische und eine praktische Form. Wir müssen sie sowohl lokal als auch national und international angehen. Ein Mittel zur Veränderung von gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen sind kämpferische Aktionseinheiten, vor allem wenn sie Ansätze für eine praktische Einheitsfront der arbeitenden Klasse fördern. Unser Aktionsschwerpunkt liegt daher im Aufbau von außerparlamentarischer Opposition.
Um unsere Kritik an der Rechtsentwicklung gemeinsam mit anderen wirksam und glaubwürdig werden zu lassen, dürfen wir einer zentralen Frage nicht ausweichen. Wie können wir unsere örtlichen und bundesweiten Strukturen für den Kampf gegen rechts stärken, besser vernetzen und handlungsfähiger machen? Unabhängig von dem jeweiligen politischen Aktionsfeld wird es ohne diese bewusst organisierten und solidarisch handelnden Strukturen keine Wahrnehmung der durchaus existierenden Chancen für Widerstand geben ‒ weder im Kleinen noch im Großen. Dabei zwingend erforderlich sind die kontinuierliche Bündelung und der Austausch über unsere Aktivitäten im Kampf gegen rechts.
Die ISO sieht es als ihre Aufgabe an, hierbei eine vorantreibende Rolle zu spielen und öffentlichkeitswirksame Materialien zur Verfügung zu stellen.
Unsere strategische Orientierung im Kampf gegen rechts und gegen Armut, Ausbeutung, Unterdrückung, Umweltzerstörung und Krieg ist nicht neu, aber dennoch hochmodern: Wir wollen geduldig unsere gesellschaftliche und betriebliche Verankerung stärken und damit den Aufbau einer handlungsfähigen, nützlichen und glaubwürdigen Sektion der IV. Internationale in Deutschland ermöglichen. Hierbei setzen wir auf eine aktive und solidarische Bündnispolitik mit anderen Kräften und Strömungen der sozialistischen Linken und der Arbeiter:innenbewegung. Wir vernachlässigen jedoch nicht unseren eigenen organisatorischen Aufbau als einem nützlichen Instrument der Widerstandsbewegungen.
Am 20. August 2023 von der Koordination der ISO diskutiert und in der generellen Linie beschlossen