1. Wieder einmal stehen die herrschenden Klassen von Indien und Pakistan am Rand eines Krieges. Der Angriff in Pulwama[1] hat ihnen die Gelegenheit gegeben, einmal mehr die Kriegstrommeln zu rühren und sich gegenseitig mit feindlichen Aktionen zu überziehen. Dutzende Menschen verloren dabei ihr Leben.
2. Man kann gar nicht genug darauf hinweisen, wie groß die Risiken sind, wenn sich zwei Atommächte gegenüberstehen, und das in einer international instabilen politischen Lage, bei der zudem die reaktionären Kräfte weltweit auf dem Vormarsch sind.
3. Während Millionen von Armen noch nicht einmal Zugang zu genügend Nahrung haben, schürt die rechtsextreme Regierung von Narendra Modi den Hass zwischen unterschiedlichen Gemeinschaften, um die Aufmerksamkeit von ihren eigenen Defiziten abzulenken und ihre Anhänger*innen zu mobilisieren. Modi hat die Spannungen mit Pakistan bewusst verstärkt, um sich im Namen des Hindutva (Hindu-Nationalismus) zusätzliche Unterstützung für seine Partei bei den (im Mai d. J. [Anm.d.Üb.]) anstehenden Parlamentswahlen zu sichern.
4. In Pakistan liegt die wahre Macht in den Händen der Armee, für die die ständige Kriegsgefahr einen immerwährenden Zugang zu Geld und Privilegien bedeutet. Für die Militärs ist der Krieg ein gutes Geschäft.
5. Die beiden Parteien spielen mit dem Feuer, wenn sie glauben, sie könnten ihre Länder an den Rand einer Katastrophe bringen und dann aus chauvinistischen Gefühlen und Angst vor dem vorgeschobenen Feind Profit ziehen. Obwohl im Moment keine der beiden Parteien einen totalen Krieg zu wollen scheint, darf man nicht vergessen, dass die Geschichte voller Kriege ist, die durch den Leichtsinn und die Dummheit der herrschenden Klasse ausgelöst wurden.
6. Die beiden Parteien haben Gruppen in Kaschmir und anderswo manipuliert, um sie einen Stellvertreterkrieg führen zu lassen. Das Schicksal des Volks von Kaschmir kümmert weder die herrschende Klasse in Indien noch die in Pakistan: Es handelt sich um eine von Eigennutz und Chauvinismus angefeuerte Konfrontation. Und die unterdrückten Kaschmiri müssen den Preis dafür bezahlen.
7. Im von Indien besetzten Teil Kaschmirs haben die Menschen gegen die vom Regime der BJP[2] betriebene kommunale Entrechtung und Diskriminierung revoltiert. Die Antwort waren ein massiver Militäreinsatz von mehr als 650 000 indischen Soldaten und brutale Gewalt. Die Soldaten schossen auf die lediglich mit Steinen bewaffneten Demonstrant*innen und verfolgten jedweden Widerstand als Akt des „Terrorismus“.
8. Auf der anderen Seite der Grenze verschließt der pakistanische Staat seine Augen vor den Aktivitäten fundamentalistischer Gruppen, solange er glaubt, dass diese Gruppen seine eigenen Feinde attackieren. Die pakistanischen Geheimdienste unterdrücken die demokratischen Freiheiten, knebeln die Presse, entführen, foltern und töten. Wer auch immer für die Unabhängigkeit kämpft, macht sich zu einem Ziel der repressiven Gewalt des Staates.
9. Wir verurteilen die zynischen Manipulationen der herrschenden Klassen beider Seiten und fordern Freiheit für das Volk von Kaschmir. Wir unterstützen ihren Kampf – auf beiden Seiten der Grenze –, ihre Zukunft selbst bestimmen zu können. Freiheit für Kaschmir kann nur eine Massenbewegung bringen, die Allianzen mit den sozialen und demokratischen Kämpfen der Völker von Indien und Pakistan schmiedet.
10. Wir verurteilen die Versuche von Kräften, die Konfessionalismus und die Diskriminierung zwischen Gemeinschaften predigen, um aus dem Leid des Volks von Kaschmir ihren Profit zu ziehen.
11. Wir erklären uns solidarisch mit dem demokratischen Kampf des Volks von Kaschmir für seine Freiheit und rufen sowohl auf der Ebene des indischen Subkontinents als auch auf internationaler Ebene zu breiten Mobilisierungen gegen den Krieg, gegen die Unterdrückung und für die Selbstbestimmung des Volks von Kaschmir auf.
Internationales Komitee der IV. Internationale, 5. März 2019
Übersetzung: Antje Hink
[1] Selbstmordanschlag mit einer Autobombe mit über vierzig Toten am 14. Februar d. J. [Anm.d.Übers.]
[2] Bharatiya Janata Party – Indische Volkspartei, nationalhinduistische Regierungspartei [Anm.d.Red.]