EVG-Streik bei der Deutschen Bahn abgesagt!
TEILEN
Chance vertan?

EVG-Streik bei der Deutschen Bahn abgesagt!

Von J.H. Wassermann | 15.05.2023

Nach den vorliegenden Pressemeldungen hat die Eisenbahn und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ihren 50-stündigen Warnstreik von Sonntagabend 22 Uhr an abgesagt. Grund dafür war, dass die Deutsche Bahn (DB) vor dem Arbeitsgericht Frankfurt im Wege des Eilverfahrens ein Verbot beantragt hatte.

Nach vierstündiger mündlicher Verhandlung hat die vorsitzende Richterin die DB und EVG zu einem Vergleich gebracht. Die Formulierungen der beiden Parteien hinterher lassen vermuten, dass die Richterin angedeutet hatte, dass sie womöglich dem Antrag der DB ganz oder teilweise stattgeben würde.

Die EVG betont, dass Teil des Vergleiches sei, dass eine ihrer Forderungen im aktuellen Tarifkampf von der DB erfüllt werden würde, jedenfalls sei dies Teil des abgeschlossenen Vergleichs.

Tarifforderung der EVG erfüllt?

Es geht hier um den besonderen Umstand, dass es bei der DB Beschäftigte gibt, deren tariflicher Grundlohn unterhalb des Mindestlohnes liegt – auch wenn in der Praxis durch Zulagen der Mindestlohn erreicht oder knapp überschritten wird. (Und damit das Gesetz erfüllt wird.) Bei den anstehenden Tariferhöhungen wollte die EVG erreichen, dass alle Erhöhungen auf den Mindestlohn oben drauf kommen, die DB wollte weiterhin nur den niedrigeren Grundlohn als Basis für die möglichen zukünftigen Erhöhungen behalten.

Die EVG hatte in ihrer Streikankündigung zudem ein Hintertürchen offen gelassen. Da die EVG ja nicht mit der DB sondern gleichzeitig auch mit buchstäblich Dutzenden anderer Bahnbetreibern verhandelt, war diese vielleicht für einige von diesen gedacht. Jedenfalls behielt sich die EVG vor, dort nicht zu streiken, wo die andere Seite substantiell entgegenkommen würde.

Nun ist es etwas sehr gedehnt, aber das Zugeständnis der DB im gerichtlichen Vergleich könnte man vielleicht als so ein Zugeständnis ansehen.

Rechtsprechung zunehmend gewerkschaftsfeindlich

Wichtiger aber ist, dass die Arbeitsgerichtsbarkeit immer häufiger entscheidet, wann gestreikt werden darf und wann nicht. Und auch darüber, ob ein Streik in seinem geplanten Umfang „angemessen“ ist oder nicht.

Jetzt ist es sicher so, dass eine ganz ordentliche Mehrheit in der Bevölkerung und unter den Beschäftigten, aber vor allem auch in den Gewerkschaften und vor allem in ihren Vorständen der Illusion anhängen, dass die Justiz in Deutschland “neutral“ sei. Diese Illusion muss verstärkt bekämpft werden. Es ist ja nicht nur eine zunehmende Propaganda von Unternehmen und ihren publizistischen Knechten, die nach einer Einschränkung des Streikrechts rufen, es ist eben auch die Rechtsprechung, die diesem Geheule häufiger folgt.

Angriff auf das Streikrecht

Das Streikrecht in Deutschland ist nur „Richterrecht“, also nicht als Gesetz aufgeschrieben. Eine Wirksamkeit der Unternehmerpropaganda in der Praxis der Gerichte ist also ein Angriff auf das Streikrecht. Es ist ein Angriff auf die Grundlagen der Existenz von Gewerkschaften. Und deshalb ist es ein politischer Angriff. Es wäre angemessen, diesen politischen Angriff in einer gemeinsamen Front der DGB UND der anderen Gewerkschaften auch politisch zurückzuweisen und die Mitglieder breit darüber aufzuklären und dagegen zu mobilisieren.

Artikel teilen
Tags zum Weiterlesen
Kommentare auf Facebook
Ähnliche Artikel
Zur Startseite