Was tun gegen die Teuerung?
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Erklärung der Koordination der ISO

Was tun gegen die Teuerung?

23.08.2022

Seit der zweiten Jahreshälfte 2021 hatte die Preissteigerungsrate in Deutschland und auch in den übrigen entwickelten kapitalistischen Ländern eine seit den 1970er Jahren nicht mehr gekannte Höhe erreicht. Mit dem Ukrainekrieg hat dann auch noch eine vor allem Energie und ihre Rohstoffe und Lebensmittel betreffende Spekulation eingesetzt. Die Regierungen schauen dem Treiben dieser Kriegsgewinnler weitgehend tatenlos zu.

Dabei vergessen wir nicht, dass die offizielle Inflationsrate keineswegs die wirkliche Bedrängnis vieler Menschen in diesem Land widerspiegelt. Für die Bezieher von staatlichen Einkommen (Renten, Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, BAföG usw.), aber auch für kleine und mittlere Einkommen aus Lohnarbeit oder Selbständigkeit hat die Teuerung von Energie und Lebensmitteln schon lange eine zweistellige Größenordnung der Steigerung ihrer Lebenshaltungskosten verursacht.

Sicher auch mit der Absicht, mögliche Sozialproteste zu entschärfen, sah und sieht sich die Regierung veranlasst, eine Reihe von vorübergehenden Entlastungsmaßnahmen zu beschließen. Solche Maßnahmen können aber bei weitem nicht die Reallohnverluste ausgleichen und erst recht nicht die Verluste der Bezieher:innen staatlicher Einkommen.

Angesichts der anhaltenden Teuerung sind hier zum einen die Gewerkschaften gefordert. Sie müssen ihre Tarifpolitik völlig neu ausrichten. Die dringlichste Aufgabe ist, dass kein Tarifvertrag mehr abgeschlossen wird, der zu einem Reallohnverlust führt. Gleichzeit setzen wir uns dafür ein, dass die Laufzeit nicht länger als 12 Monate ist.

Die übergeordnete Ausrichtung kann nur in dem Ziel einer automatisierten Anpassung der Löhne an die Teuerung liegen.

Diese Ausrichtung ist keineswegs unrealistisch. Erste Tarifforderungen, bei den Hafenarbeitern oder der Pilotengewerkschaft Cockpit haben den Kern des Gedankens schon aufgegriffen. Darüber hinaus verweisen wir darauf, dass es in Luxemburg und Belgien entsprechende gesetzliche Regelungen gibt. Und dass es auch in Italien, einem großen Industrieland, viele Jahre lang eine solche Regelung gab. Diesen internationalen Verweis verbinden wir mit der Aufklärung darüber, dass diese Regelungen das Ergebnis heftiger und langjähriger sozialer Kämpfe und Streikbewegungen waren.

In Deutschland ist allerdings durch die Jahrzehnte der Sozialpartnerschaft das Vertrauen in die Führung der Gewerkschaften im Betrieb und in der Gesellschaft stark ausgehöhlt. Nicht nur politische Parteien setzen auf eine „Supersozialpartnerschaft“, eine Neuauflage einer „konzertierten Aktion“. Die Gewerkschaften sollen in Regierungspolitik eingebunden werden.

Wir setzen uns deshalb energisch dafür ein, dass die Gewerkschaftsorganisationen selbst gemeinsam und aktiv den Kampf gegen die Teuerung aufnehmen und nicht auf die Regierung und sogenannte „Entlastungsmaßnahmen“ warten und vertrauen.

Eine fortgesetzte Steigerung der Preise für Gas, Strom, Heizung und warmes Wasser in Privathaushalten und bei einer Reihe von Grundnahrungsmitteln, kann die Menschen massenhaft zur Verzweiflung treiben. Dagegen können sich spontane Proteste entwickeln.

Wir begrüßen solche Bewegungen, nehmen teil und fördern ihre Selbstorganisation. In einer solchen Situation schlagen wir vor, dass sich solche Proteste mit Gewerkschaften und mit Sozialverbänden zusammentun, um in einer breiten Bewegung für folgende Zielrichtung zu mobilisieren:

Die Reichen und die Konzerne sollen für die Krise zahlen!

Kostenlose Grundmenge an Strom und Gas für alle privaten Haushalte, verbunden mit steigenden Preisen für Mehrverbrauch. Gewerbliche Großverbraucher sollen die gleichen Tarife zahlen wie private Verbraucher:innen.

Deckelung der Preise für Heizöl, Gas und Sprit für private Haushalte, verbunden mit steigenden Preisen für Mehrverbrauch.

Fortführung des 9-€-Tickets als Schritt hin zu einem kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr.

Preisstopp für Grundnahrungsmittel und eine öffentliche Kontrolle der Preise.

Entlastung für alle – auch für Rentner:innen, Studierende oder Erwerbslose. Die Grundsicherung muss deutlich angehoben werden.

Keine Rettungspakete für Konzerne aus Steuermitteln oder von den Verbraucher:in­nen!

Die Reichen und die Konzerne sollen für die Krise zahlen!

Zurecht empfinden die Menschen die Bereicherung der Energiekonzerne durch die Krise als Skandal. Wir treten dafür ein, dass die Supergewinne der Spekulant:innen und der Kriegsgewinnler:innen bei Energie und Lebensmitteln abgeschöpft werden. Die Regierung soll diese Mehreinnahmen z. B. für eine kostenlose Energiemenge für alle privaten Haushalte verwenden.

Deshalb setzt die gegenwärtige gesellschaftliche Diskussion über die Energie- und besonders die Gasversorgung die Überführung der Energiekonzerne und der Infrastruktur der Energieversorgung in die Öffentliche Hand sowie den Ausbau der erneuerbaren Energiequellen als aktuelle politische Maßnahmen gegen die Teuerung auf die Tagesordnung.

Viele Unternehmen der Energieerzeugung und der Verteilungsnetze waren schon früher über Jahrzehnte in kommunaler, regionaler oder in anderer Form in Öffentlicher Hand. Wir ergänzen die Idee der Verstaatlichung, die ja nur die Form des Eigentums betreffen würde und nicht die Handlungsweise dieser Unternehmen, um die Idee einer wirksamen Mitbestimmung und Kontrolle der Beschäftigten und der privaten Verbraucher:innen.

Dem Vorhaben der Regierung, zur Vermeidung von Pleiten bei privatwirtschaftlichen handelnden Energieimporteuren, den Verbraucher:innen eine zusätzliche Umlage auf den Gaspreis aufzuschlagen, muss energisch entgegengetreten werden. Es kann nicht sein, dass private Unternehmen oder Teile von Konzernen, die heute Verlust machen, vom Staat Geld bekommen oder dass die Masse der Bevölkerung diese Verluste bezahlen soll. Gleichzeitig scheffeln die Mutterkonzerne zum Teil zusätzliche Milliardengewinne. Wir treten für eine Überführung in die Öffentliche Hand und für eine Ausrichtung auf eine Preisgestaltung ein, die an den Bedürfnissen der großen Mehrheit der Bevölkerung ausgerichtet ist.

21. August 2022

Internationale Sozialistische Organisation (ISO) / Vierte Internationale

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Hier findet ihr das aktuelle Flugblatt der ISO zum Thema

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