LINKE Kommunalpolitik wirkt gegen den Trend
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Kommunalwahl NRW 2020 – Sechs Fragen an Hanno von Raußendorf

LINKE Kommunalpolitik wirkt gegen den Trend

18.09.2020

Für Nicht-NRWler*innen: NRW ist das Bundesland der SPD – die schmiert ab, aber die LINKE tritt eben nicht an ihre Stelle. Wie  erklärst du dir das?

Ich bezweifele zunächst, dass NRW noch „das Bundesland der SPD“ ist – aber zurück zur Frage: Die Linke ist nicht die „bessere Sozialdemokratie“ und alle enttäuschten Sozialdemokrat*innen kommen einfach mal zu uns. So richtig es ist, dass die SPD kaum mehr eine „sozialdemokratische“ Partei ist, die Ursachen liegen tiefer. Das Modell „Sozialdemokratie“ funktioniert nicht mehr. Das Kapital hat keinen Systemvergleich mehr zu fürchten und steht in einer immer brutaleren Konkurrenz auf globalisierten Märkten. Es ist daher nicht mehr ohne weiteres bereit, Produktivitätszuwächse zu teilen. Das bringt eine deutliche Verschärfung der Konflikte zwischen Kapital und Arbeit mit sich. Sozialdemokratische Wählerinnen und Wähler, die diese Konsequenz noch scheuen, finden deshalb nicht notwendig ihren Weg zu uns, mögen sie von der SPD auch gründlich desillusioniert sein. Die Linke muss unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen als die Kraft wahrgenommen und akzeptiert werden, die die Interessen der Beschäftigten und Ausgegrenzten auf der politischen Ebene vertritt. Daran müssen wir arbeiten.

Du bist kommunalpolitisch aktiv – ob das Sinn macht ist unter Linken umstritten – was sind deine Beweggründe und womit haben die Kritiker*innen vielleicht recht?

Auch in der Kommunalpolitik besteht immer die Gefahr, sich in Gremienarbeit zu verlieren und zu glauben, dass ein gelegentlicher kluger Antrag schon eine reale Veränderung bedeutet. Aber mir scheint, dass eine Linke, die Menschen von der Seitenlinie die Welt erklärt, im Moment auch nicht so richtig gut funktioniert. Linke dürfen sich nicht zu schade sein, die Interessen der Frau zu vertreten, die sich über die parkenden Autos in ihrer Straße ärgert, an denen sie mit ihrem Rollstuhl nicht vorbei kommt – oder den Mann, der dagegen Sturm läuft, dass bei ihm um die Ecke ein Baum gefällt werden soll, weil eine Textilkette meint, dass ihre Auslage dann besser zu sehen sei.

Leider sind die Ursachen aber auch hausgemacht.

DIE LINKE hat mit dieser Kommunalwahl, in Zeiten akuter Krisen, in NRW nichts gewonnen, sich bestenfalls gehalten. Woran scheitert es unterm Strich? Nur an der Bundespolitik?

Wir haben in Bonn unser Ergebnis in Prozentzahlen halten können. Leider haben wir trotzdem einen Sitz im Rat verloren, der ein Überhangmandat war. Im Landesdurchschnitt hat Die Linke 0,8 % eingebüßt und liegt nur noch bei 3,8 %. Das ist ernüchternd. Der Bundestrend hat sicher seinen Anteil an diesem Ergebnis. Leider sind die Ursachen aber auch hausgemacht. Wir müssen uns eingestehen, dass auch nach über einem Jahrzehnt des Parteiaufbaus etliche unserer Kreisverbände immer noch alles andere als optimal aufgestellt sind.

…deren Mitglieder in lokalen Bündnissen, Initiativen und Bewegungen mitarbeiten, ihr Ergebnis in der Regel verteidigen konnten.

Ihr habt euch, für NRW, bei den Wahlen gut gehalten, stabile Stimmergebnisse auf einem, für NRW hohen Niveau. Und das in Bonn – nicht gerade selbstverständlich. Worin liegt das Geheimnis der Erfolgs?

Zunächst haben diejenigen Kreisverbände, die sich seit der letzten Kommunalwahl gut entwickelt haben, deren Fraktionen gute und wahrnehmbare Arbeit geleistet haben und deren Mitglieder in lokalen Bündnissen, Initiativen und Bewegungen mitarbeiten, ihr Ergebnis in der Regel gegen den Bundestrend verteidigen konnten. Das ist auch in Bonn der Fall.
Dazu kommt nach meiner Wahrnehmung aber noch ein Anderes: Dass Die Linke unterschiedliche Positionen in der Frage von Flucht und Zuwanderung, als Machtkampf an der Spitze und als Glaubenskrieg inszeniert hat, hat der Partei insgesamt nachhaltig geschadet. Wir haben uns in Bonn an diesen parteiinternen Streitereien der vergangenen fünf Jahre nicht beteiligt, sind mit unterschiedlichen Meinungen innerhalb des Kreisverbands respektvoll und solidarisch umgegangen.

Zu Denken geben sollte uns, dass wir in vielen Städten im Ruhrgebiet stark verloren haben, während wir uns in Städten mit einem stark studentisch und akademisch geprägten Milieu eher gut gehalten haben. Da macht sich eine ungünstige Veränderung in der Zusammensetzung unserer Wählerschaft bemerkbar.

Du bist wieder, diesmal sogar nicht mehr als Einzelkämpfer, in die Bezirksvertretung gewählt worden. Welche Ziele verfolgst du da?

Zunächst ist die Bezirksvertretung Teil der Beratungsfolge in Fragen, die der Rat entscheidet, die aber unseren Stadtbezirk betreffen. Dann hat sie im Stadtbezirk eigene Entscheidungsbefugnis in den Fragen, die keine gesamtstädtische Bedeutung haben. Schließlich aber landet ein erheblicher Teil der eingehenden Bürgeranträge in der Bezirksvertretung zur Entscheidung. Bürgerinnen und Bürger können in NRW eigene Anträge einbringen. Das führt zu Sitzungsakten die gerne mal tausend Seiten stark sind. Zu zweit werden wir Themen, die uns wichtig sind, noch viel konsequenter verfolgen können, als mir das in der vergangen Wahlperiode als „Einzelkämpfer“ möglich war.

Fun Fact: In Bonn hat eine Jamaika-Koalition in den vergangenen sechs Jahren klimapolitisch nichts entscheidendes vorangebracht. Dafür sind Die Grünen mit knapp 28 % der Stimmen „belohnt“ worden.

In einigen Großstädten von NRW haben die Grünen einen richtigen Höhenflug hingelegt, welchen Einfluss hatte das auf das Wahlergebnis der Linken?

In Bonn, mit seiner großen Universität, den vielen Bundesbehörden, DAX-Konzernen und ohne nennenswerte Produktionsbetriebe sind Die Grünen ganz objektiv der größte Konkurrent der Linken.
Ihre guten Ergebnisse haben es uns diesmal nicht leichter gemacht. Fun Fact: In Bonn hat eine Jamaika-Koalition in den vergangenen sechs Jahren klimapolitisch nichts entscheidendes vorangebracht. Dafür sind Die Grünen mit knapp 28 % der Stimmen „belohnt“ worden. Viele Wählerinnen und Wähler lassen sich kommunal leider mehr von einem vagen Image als von konkreter Politik vor Ort leiten.
Die großen Themen dieser Kommunalwahl waren Umwelt und Klima. Auch für vier von zehn Wähler*innen der Linken waren diese Themen laut WDR ausschlaggebend. Das zeigt uns: entschiedener Klimaschutz, der in der Lage ist, den notwendigen radikalen Umbau mit sozialen Fragestellungen zusammen zu denken, wird für Die Linke immer wichtiger. Man kann daraus aber auch ablesen, dass wir, zumindest von einem Teil der Wahlbevölkerung bereits als konsequente Klima- und Umweltschutz Partei wahrgenommen werden. Das finde ich ermutigend.

Wählerinnen und Wähler lassen sich kommunal leider mehr von einem vagen Image als von konkreter Politik vor Ort leiten.
Die großen Themen dieser Kommunalwahl waren Umwelt und Klima. Auch für vier von zehn Wähler*innen der Linken waren diese Themen laut WDR ausschlaggebend. Das zeigt uns: entschiedener Klimaschutz, der in der Lage ist, den notwendigen radikalen Umbau mit sozialen Fragestellungen zusammenzudenken, wird für Die Linke immer wichtiger. Man kann daraus aber auch ablesen, dass wir, zumindest von einem Teil der Wahlbevölkerung bereits als konsequente Klima- und Umweltschutzpartei wahrgenommen werden. Das finde ich ermutigend.

Hier geht es weiter zur Wahlanalyse der LINKEN NRW

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