Hört das Schmettern des gallischen Hahns!
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Wie schlagen wir die extreme Rechte?

Hört das Schmettern des gallischen Hahns!

Von Manuel Kellner | 09.07.2024

Das Rassemblement National (RN) hat 50 Parlamentssitze hinzugewonnen und sein bisher bestes Ergebnis erzielt, vergessen wir das nicht! Es hat jedoch nicht nur die absolute Mehrheit verfehlt, sondern ist sogar hinter dem Linksbündnis des Nouveau Front Populaire und den zweitplatzierten Macronisten nur auf Platz drei gelandet. Das ist ein Schlag ins Gesicht der nationalistischen und rassistischen Rechten in Frankreich. Doch die Gefahr ist nicht gebannt. In zwei Jahren stehen Präsidentschaftswahlen an. Schlimm wäre es, wenn alle Linken dann mal wieder genötigt wären, sich hinter einem einzigen Kandidaten zu versammeln, und wenn es der bürgerliche Teufel samt seiner neoliberalen Großmutter wäre. Und noch schlimmer, wenn der RN-Kandidat doch durchkommt.

Den Erfolg einer beeindruckenden Mobilisierung feiern.

Bevor ich mich damit beschäftige, möchte ich zunächst den Erfolg feiern. Auch in der Fußball-EM sind siegreiche Mannschaften erstmal ausgelassen und fröhlich, wenn sie gewonnen haben. Erst später besinnen sie sich auf ihre Schwächen, aufgrund derer sie beim nächsten Mal den Kürzeren ziehen könnten. Die Niederlage des RN ist eine immense Erleichterung und Ermutigung für Millionen der designierten Opfer der extremen Rechten: die Migrant, die Flüchtlinge, die Frauen, die Diversen, die abhängig Beschäftigten. Sie verdanken dies einer beeindruckenden Mobilisierung von unten, die im neuen Bündnis der Linken ihren politischen Ausdruck gefunden hat. Dieses Bündnis hat wiederum zur massenhaften Einheit in der Aktion gegen die rechtsextremistische Gefahr beigetragen.

Im Fernsehen gab es die typischen Kurzinterviews auf der Straße. Eine junge Frau in Paris, eine Schwarze, sagt kurz und knackig: „Macron hat diesen Rechtsextremisten mit seiner neoliberalen und unsozialen Politik den Weg bereitet.“ Das ist die Wahrheit! Die schamlose Politik im Interesse des großen Kapitals muss beendet werden. Nur eine konsequente Politik im Interesse der Ausgebeuteten und Unterdrückten entzieht der extremen Rechten den Boden unter den Füßen. Deshalb muss Macron, der ja Präsident bleibt, in die Schranken verwiesen werden.

Die Neue Volksfront im Vergleich zur “alten” Sozialdemokratie

Das Programm des Nouveau Front Populaire ist in mancherlei Hinsicht weniger radikal als das der Union de la Gauche, die den Kandidaten der sozialdemokratischen PS, Mitterrand, 1981 an die Macht brachte. Dieses Programm versprach nicht zuletzt umfangreiche Vergesellschaftungen. Damals tanzten die Menschen in Paris auf den Straßen. Es dauerte keine sechs Monate, bis Mitterrand auf neoliberale Politik umschwenkte. Der Aufschwung der extremen Rechten kam in den folgenden Jahren in Gang.

Doch gibt es in diesem Programm auch viele Forderungen, die über dasjenige der damaligen Linksunion hinausweisen: zu den Rechten der Flüchtlinge und Migrant, zum Klimaschutz, zu den Rechten der LBTGIQ+. Vor allem verspricht es die Rücknahme der Rentenkonterreform und eine progressive Einkommenssteuer und generell eine viel strengere Besteuerung der höchsten Einkommen und Vermögen. Die France Insoumise (FI) mit ihrem charismatischen Sprecher Jean-Luc Mélenchon ist die stärkste Kraft in der Neuen Volksfront. Mag er auch ein wenig – oder mehr als ein wenig – zu sehr von sich selbst eingenommen sein: Seine Forderung, die neue Regierung müsse das Programm der Neuen Volksfront umsetzen, ist absolut gerechtfertigt.

Kompromisse würden der extremen Rechten helfen

Denn was käme sonst? Kompromisse mit den Macronisten wären die Garantie dafür, dass die extreme Rechte wieder Aufwind bekommt. Kevin Kühnert, Generalsekretär der SPD, redet bei uns im Fernsehen davon, die Franzosen müssten endlich mal Kompromisse lernen. Und meint damit die Unterordnung des Linksbündnisses unter die neoliberale und asoziale Politik von Macron. Schäm dich, Kevin! Warst du nicht mal links? Verstehst du denn nicht, dass dein Vorschlag auf den Sieg der Rechtsextremisten hinausläuft?

Im Gegenteil! Nur das Beharren auf den Reformvorschlägen der Neuen Volksfront bietet die Chance, der extremen Rechten das Wasser abzugraben. Hinzu kommt die Fortsetzung der Mobilisierungsdynamik. Die Linken müssen sagen: Ohne euch können wir gar nichts durchsetzen, geht massenhaft auf die Straße! Wählt die in unserem Programm vorgesehenen „Generalstände“ in euren Stadtvierteln! Wir brauchen eine neue Verfassung, wie es in unserem Programm steht, eine Sechste Republik! Und die muss demokratisch und sozial sein. Nicht nur die Abschaffung des Mehrheitswahlrechts und der königsgleichen Stellung des Präsidenten, sondern auch die Verankerung der universellen Menschenrechte und der Gleichheit nicht nur vor dem Gesetz, sondern wirklich.

In Deutschland: wir müssen uns beraten.

Gut, und was können wir in Deutschland tun? Als erstes brauchen wir eine große Beratung, wie die extreme Rechte gestoppt werden kann. Die Gewerkschaften müssen dabei eine entscheidende Rolle spielen. Dazu kommen alle sozialen Bewegungen mit emanzipationsorientierten Zielen und alle linken Kräfte. Die Einheit der Aktion gegen Rechts und die Selbstbehauptung der revolutionär-sozialistischen Linken in dieser Einheit sind die entscheidenden Waffen gegen die Verzweiflung.

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