„Was heißt Einheitsfront gegen Faschismus heute?“
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Onlineveranstaltung der ISO mit Helmut Dahmer

„Was heißt Einheitsfront gegen Faschismus heute?“

Von R. G. | 14.07.2024

Der Aufschwung faschistischer Parteien setzt den antifaschistischen Kampf wieder ganz oben auf die Tagesordnung. Doch wie kann dieser erfolgreich sein, und welche Rolle spielt dabei die Einheitsfront? Um dies zu diskutieren, hat die ISO am 12. Juli eine Onlineveranstaltung mit dem Titel „Was heißt Einheitsfront gegen Faschismus heute?“ organisiert.

Referent war der bekannte Sozialwissenschaftler Helmut Dahmer (Wien), ein ausgewiesener Kenner der Geschichte der Arbeiterbewegung. In seinem fundierten Vortrag ging er auf Entstehung und Entwicklung der Einheitsfronttaktik in den 1920er Jahren ein. Nicht zuletzt machte er deutlich, dass die Arbeitereinheitsfront vor 1933 die einzige realistische Chance war, um den Hitler-Faschismus zu verhindern.

Der sozialdemokratische Verrat

Der Beginn des Ersten Weltkrieges stellte für die internationale Sozialdemokratie eine Zäsur dar. Die Mehrheit dieser Parteien warf den Internationalismus über Bord und unterstützte „ihre“ kriegsführenden Regierungen. Für den revolutionären Flügel der II. Internationale war die Sozialdemokratie damit ins bürgerliche Lager übergelaufen. Aus diesem Grund gründete er im März 1919 eine neue, die III. oder Kommunistische Internationale.

Die ersten Jahre der III. Internationale waren geprägt von der Abgrenzung gegenüber der Sozialdemokratie und der Ablehnung des sozial verkleideten Nationalismus. Die neuen kommunistischen Parteien versuchten, die traditionelle Bindung der arbeitenden Klasse zum sozialdemokratischen Reformismus aufzubrechen und die Mehrheit für sich zu gewinnen. Deshalb entwickelten Lenin und andere die Einheitsfronttaktik. Ihr zufolge sollten die Kommunistischen Parteien Reformist:innen gemeinsame Aktionen zur konsequenten Durchsetzung der Interessen der arbeitenden Klasse vorschlagen, dabei aber gleichzeitig ihre politische und organisatorische Eigenständigkeit wahren.

Die faschistische Tragödie

Im Verlaufe der 1920er Jahre setzte sich in der Sowjetunion und in der III. Internationale der Stalinismus durch. Eine der Folgen war Ende der 1920er Jahre die Aufgabe der Einheitsfronttaktik. Aufgrund dieses Kurswechsels bekämpfte in Deutschland die stalinistische Kommunistische Partei (KPD) die Sozialdemokratie (SPD) als Hauptgegner, anstatt sie trotz aller Gegensätze zu einem gemeinsamen Kampf gegen den Faschismus aufzufordern. Gleichzeitig ließ der stalinistische Irrweg die KPD-Führung nicht verstehen, dass der Faschismus sowohl für die Kommunist:innen als auch für die Sozialdemokratie eine tödliche Gefahr darstellte.

Angesichts der faschistischen Bedrohung forderte Trotzki in den Jahren 1929 bis 1933 unermüdlich, aber vergeblich, die Bildung einer Einheitsfront der Arbeitermassenparteien KPD und SPD. Doch die Führung der KPD folgte Stalins Linie und lehnte eine Einheitsfront mit der Führung der SPD strikt ab. Die SPD wiederum glaubte an die Widerstandskraft der Institutionen der Weimarer Republik und lehnte eine Zusammenarbeit mit der KPD ab. Am Ende konnte so der Faschismus in Deutschland – von wenigen Ausnahmen abgesehen – ohne nennenswerten Massenwiderstand siegen. Die Organisationen der Arbeiterbewegung in Deutschland wurden kampflos zerschlagen.

Die aktuelle Bedeutung

Am Ende seiner Ausführungen ging Dahmer kurz auf die aktuelle Entwicklung in Frankreich ein. Mit dem Wahlsieg der Nouveau Front Populaire (NFP) und der Niederlage der Faschisten stellt sich die Frage einer Einheitsfront erneut und sehr konkret. Dabei müssen auch die politischen Gefahren gesehen werden. Denn es verhindert werden, dass die NFP antikapitalistische und antifaschistische Mobilisierungen abwürgt. Vielmehr muss sie Ausgangspunkt weiterer Mobilisierungen sein.

Intensive Diskussion

In zahlreichen Beiträgen wurde auf den Vortrag eingegangen. Hier kann nur eine kleine Auswahl wiedergeben werden.

Die französische Volksfront diente zwar der Kanalisierung des Elans der kampfwilligen Massen. Aber sie war nicht nur Verrat, sondern auch das Ergebnis einer starken Massenbewegung, die sich nach Einheit sehnte.

Kritisch angemerkt wurde, dass die heutigen politischen Voraussetzungen nicht mehr dieselben wie 1933 sind. Die Adressaten der Forderung nach Einheitsfront waren damals starke Arbeiterparteien mit klassenbewusstem Massenanhang. Heute gibt es solche Parteien nicht mehr. Darum kann die Einheitsfronttaktik nicht einfach auf heute übertragen werden.

Der faschistische Einfluss auch in der arbeitenden Klasse wächst stetig. Darum muss jetzt gehandelt werden.

Auch wenn viele Fragen offen bleiben mussten, war dieser Abend ein gelungener und lehrreicher Einstieg zum Thema Einheitsfront. Die Diskussion über die Einheitsfront sollte unbedingt weitergeführt werden. Vor allem aber ist der antifaschistische Kampf zu intensivieren.

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