LeftEast verurteilt Putins imperialen Krieg gegen die Ukraine

Foto: Rasande Tyskar, FCK PTN, CC BY-NC 2.0

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Osteuropäische Linke

LeftEast verurteilt Putins imperialen Krieg gegen die Ukraine

Von Redaktionskollektiv LeftEast | 07.03.2022

Die Mitglieder des Kollektivs LeftEast sind entsetzt über die gewaltsame militärische Aggression, die in der Ukraine zum Krieg eskaliert ist. Sie droht unsere Region in ein Blutvergießen zu stürzen, wie es seit Jahrzehnten nicht mehr vorgekommen ist. Wir verurteilen die verbrecherische Invasion des Kremls unmissverständlich und fordern den Rückzug der russischen Truppen an die international anerkannte Grenze. Wir vergessen zwar nicht die Verantwortung, die die USA, die NATO und ihre Verbündeten bei der Verursachung dieses Krieges tragen, aber der eindeutige Aggressor in der gegenwärtigen Situation ist die russische politische und wirtschaftliche Elite. Unsere Bemühungen sollten darauf gerichtet sein, Russlands unentschuldbare imperialistische Invasion in der Ukraine aufzudecken, zu der die aggressive Expansion der NATO und das ukrainische Post-Maidan-Regime ebenfalls den Weg geebnet haben. Im revolutionären Geist und in Solidarität mit den Völkern der Ukraine, Russlands und der Region sagen wir heute „Nein!“ zu Moskau und für die Zukunft „Nein!“ zu der falschen Wahl zwischen Moskau und der NATO. Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand und die Rückkehr an den Verhandlungstisch. Die Interessen des globalen Kapitals und seiner Militärmaschinerie sind nicht einen weiteren Tropfen Blut der Völker wert. Frieden, Land und Brot!

Wir lehnen den oligarchischen Kapitalismus, den autoritären Neoliberalismus und den von globalen antikommunistischen Kräften kultivierten regionalen Antikommunismus ab, die uns an diesen Punkt gebracht haben. Wie Putin selbst in seiner „Geschichtsrede“[i] am 21. Februar 2022 drohte: „Sie wollen entkommunisieren? Nun, für uns ist das vollkommen in Ordnung. Aber Sie sollten nicht, wie man so schön sagt, auf halbem Weg stehen bleiben. Wir sind bereit, Ihnen zu zeigen, was eine echte Entkommunisierung für die Ukraine bedeutet.“ Der heutige Angriff des Kremls steht für die vollständige Entkommunisierung. Eine kleine Zahl rechter Politiker:innen wird sicherlich davon profitieren, aber für die meisten von uns bringen extremer Nationalismus und rechtsextreme Ideologien nichts als Leid und eine Spirale des Hasses mit sich. Wirtschaftlich gesehen hat uns dieser Antikommunismus den oligarchischen Kapitalismus – und die Armut – gebracht, die wir in Russland, der Ukraine und ganz Osteuropa sehen. Politisch hat er uns Regierungen beschert, die kaum vorgeben, ihre Bevölkerung zu vertreten.

Wir erklären mit Nachdruck:

  1. Wir machen den Kreml für diese unmittelbare Kriegshandlung verantwortlich! Der russische Staat ist im Namen einer völlig reaktionären imperialen Nostalgie und in ausdrücklicher Ablehnung der internationalistischen Solidarität, die von den vergangenen und gegenwärtigen revolutionären Bewegungen in Osteuropa vorgelebt wird, in die Ukraine eingefallen. Putins „Großrussland“-Nationalismus ist ein krimineller und vergeblicher Versuch, um internationales Ansehen zu buhlen, indem er die reiche kulturelle Vielfalt Osteuropas leugnet. Wir stehen mit allen ethnischen Gemeinschaften der Region zusammen und halten an der Vision der friedlichen Solidarität durch den Kampf für eine bessere Welt für alle fest.
  2. Obwohl wir den Kreml für den Initiator dieses Krieges und den heutigen Hauptaggressor halten, sind wir uns der Verantwortung bewusst, die die Vereinigten Staaten, viele ihrer Verbündeten und das transnationale Kapital für die katastrophale Lage tragen. Ihre Weigerung, mit Russland über dessen Bedenken gegen die NATO-Erweiterung zu verhandeln, hat die Flammen des Krieges angefacht, auch wenn viele, darunter die ukrainische Regierung, zur Deeskalation aufgerufen haben. Im Gefolge der Pandemie hofften die wirtschaftlichen und politischen Eliten in den USA und anderen fortgeschrittenen kapitalistischen Staaten, die Menschen von ihrer schwindenden demokratischen Legitimität und der wirtschaftlichen Hegemonie der euroatlantischen „Integration“ abzulenken. Sie drängten darauf, die Kapitalakkumulation anzukurbeln, was alles auf Kosten der Menschen in Osteuropa ging. Der kriegslüsterne Antagonist und heutige Imperialist Putin nutzt nun die katastrophale postsozialistische und pandemiebedingte Krise der sozialen Reproduktion sowohl in Russland als auch in der Ukraine, um nationalistische Stimmungen zu schüren und von alten ethnonationalistischen Konflikten zu profitieren und diese zu reproduzieren. Die ausbeuterische und expansionistische euroatlantische „Integration“ ist inzwischen zum casus belli eines autoritären Regimes geworden: In der Ukraine ist es zu einem ausgewachsenen Krieg gekommen.
  3. Wir lehnen den regionalen Antikommunismus ab, der ironischerweise von Putin und seinem Versprechen der „Entkommunisierung“ verkörpert wird, trotz der Solidarität, die er von Teilen der Linken erhält und trotz der liberalen Projektionen von Putin als „Kommunisten“, während seine Regierung die russische linke Opposition sowie antifaschistische, anarchistische und Antikriegsbewegungen marginalisiert und drangsaliert. Aber auch und vor allem lehnen wir antisoziale, auf oligarchischem Kapitalismus basierende Regime ab, die den Nationalismus und rechtsextreme Ideologien in Russland, der Ukraine und bei den kleinlichen opportunistischen Regimen in Osteuropa nähren, indem sie militaristische rechte Rhetorik mit der Ausbeutung des Unglücks anderer verbinden.
  4. Wir lehnen die sogenannten „Entkommunisierungsgesetze und -reformen“ ab, die in den letzten Jahren sowohl in Russland als auch in der Ukraine durchgeführt wurden. Die beiden „feindlichen Seiten“, Russland und USA/NATO, sind imperialistische und kapitalistische Kräfte, die den Weg des autoritären antikommunistischen Neoliberalismus beschritten haben. Dieser gemeinsame Weg, den auch die Ukraine beschreitet, wird unter anderem durch neoliberale Arbeitsgesetze, Land-„Reformen“, die darauf abzielen, den Zugang zu Land zu verhindern, die Enteignung von Kleinbauern und wirtschafts- und sozialpolitische Reformen in den letzten Jahren bezeugt, die die Menschen extrem anfällig für Ausbeutung und Armutsrisiken gemacht haben, was zu einer beispiellosen sozioökonomischen Krise sowohl in Russland als auch in der Ukraine geführt hat, aber nicht nur dort – denn sie hat regionale und globale Auswirkungen.
  5. Im Gegensatz zur gegenwärtigen Verherrlichung der ukrainischen Regierung als dem uneingeschränkt demokratischen Träger der Freiheit stellen wir das ukrainische Post-Maidan-Regime in Frage: seine Unterdrückung der Linken und der Opposition, das Verbot wichtiger Oppositionsparteien und die Blockade populärer Oppositionsmedien; die diskriminierende Sprachenpolitik und das Fehlen jeglichen Willens, die politische, ethnische und kulturelle Vielfalt der Ukraine anzuerkennen und zu akzeptieren, sowie seine Sabotage der Minsker Vereinbarungen in den letzten sieben Jahren. Auch die extremen „Entkommunisierungs“-Reformen der Ukraine machen deutlich, dass wir uns nicht einfach eine Rückkehr zur unhaltbaren Situation von gestern wünschen können.
  6. Wir lehnen campistische Lösungen ab, die das Heil in einer rassistischen und militaristischen euro-atlantischen Einheit oder einem revanchistischen Eurasianismus suchen, anstatt echte Kämpfe für radikalen sozialen Wandel, Demokratie, Arbeitermacht, Inklusion und Befreiung zu unterstützen.
  7. Angesichts dieser reaktionären Ideologien, die nichts als Blut, Armut und Spaltung verheißen, halten wir das Erbe der revolutionären Bewegungen Osteuropas hoch, in deren (vielen) Tradition(en) wir den Kampf gegen Kapitalismus, Imperialismus und Militarismus und das Versprechen religiöser, ethnischer und geschlechtlicher Gleichheit kritisch verfolgen. Dieser Kampf in Solidarität mit allen Arbeitern und Unterdrückten in unserer Region ist die einzige Hoffnung auf eine bessere Zukunft für ethnische Ukrainer:innen und Russinnen und Russen sowie für die historisch unterdrückten Gruppen der Region – Roma, Juden, Tataren und Migrantengemeinschaften, Frauen und sexuelle Minderheiten. In diesem Sinne verkünden wir unsere Solidarität mit den politischen Gefangenen in der Ukraine und in Russland und unsere Unterstützung für die Bewegung für radikale antikapitalistische Demokratie und ihre Kräfte in beiden Ländern.

Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand, Antikriegsbemühungen, die die wirtschaftliche und politische Elite, nicht aber die Arbeiter:innen und die Bevölkerung der beiden Länder betreffen, sowie Verhandlungen, die eine Bestandsaufnahme der vergangenen Fehler im Friedensprozess und in der Sozial- und Wirtschaftspolitik vornehmen, die unsere Region in den Krieg geführt haben. Wir sind solidarisch mit den antikapitalistischen und Antikriegsbewegungen in der Ukraine und in Russland. Wir machen uns keine Illusionen über die Versprechen der liberalen Demokratie. Kein Kampf außer Klassenkampf!

Wir fordern die Genossinnen und Genossen in den Ländern, die noch nicht vom Krieg betroffen sind, auf, ihre Regierungen zu drängen, eine vollständige und menschenwürdige Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine und allen anderen Konfliktgebieten zu gewährleisten, die Festlegung eines schnellen Kurses zum Frieden zu fordern und ihre Solidarität mit denjenigen zu bekunden, deren Leben von Aggression und „Hurra“-Patriotismus betroffen ist. Wir können uns auf die Geschichte des linken Internationalismus und Pazifismus berufen.

25. Februar 2022

Quelle: https://lefteast.org/lefteast-condemns-putins-imperial-war-against-ukraine/

Aus dem Englischen übersetzt unter Mitarbeit von Michael H., Michael R. und Wilfried

Auf Französisch: https://www.contretemps.eu/lefteast-guerre-imperiale-poutine-ukraine/

Auf Spanisch: https://vientosur.info/contra-la-guerra-imperial-de-putin-en-ucrania-una-toma-de-posicion-de-la-revista/

LeftEast ist eine Online-Publikation für Analysen, Berichte, Interviews aus ganz Osteuropa. In der Selbstbeschreibung heißt es: „Dies ist eine Plattform, auf der unsere gemeinsamen Kämpfe und politischen Verpflichtungen jenseits der nationalen Grenzen oder der Zwangsjacke der nationalen Sprachen zusammenkommen.“ https://lefteast.org/about/

Der Redaktion von LeftEast gehören an: Adela Hincu (Bukarest), Mariya Ivancheva (Liverpool), Konstantin Kilibarda (Toronto), Olena Lyubchenko (Toronto), Tibor T. Meszmann (Budapest), Mary Taylor (New York), Matan Kaminer (Haifa), Philippe Alcoy (Frankreich), Rossen Djagalov (New York), Sonja Dragovic (Lissabon), Vladimir Unkovski-Korica (Glasgow).

Der erweiterten Redaktion gehören an: Agnes Gagyi (Ungarn), Ilja Budraizkis (Moskau), Wolodymyr Ischtschenko (Kiew/Berlin), Nóra Ugron (Rumänien), Adela Gjorgjioska (Skopje).

Weitere Details über die Redaktionsmitglieder: https://lefteast.org/editorial-board/


[i] https://www.youtube.com/watch?v=W57I2mzAr9c; https://linkezeitung.de/2022/02/22/anerkennung-des-donbass-praesident-putins-komplette-rede-an-die-nation-im-wortlaut/

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