Doppelter überwältigender Triumph für das Weiße Haus

Foto: vfutscher, vfutscher putin-trump-mob-hero, CC BY-NC 2.0

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Russland

Doppelter überwältigender Triumph für das Weiße Haus

Von Francisco Louçã | 08.04.2022

Zwar hat Russland eine lange Geschichte der Demütigung erlebt, doch haben die russischen Führungen diese selber gefördert, manchmal zu ihrem eigenen Vorteil.

Man fragt sich, warum Putin, der sich die Macht im Kreml bis zum Jahr 2036 gesichert hat – er wäre dann 84 Jahre alt – die Invasion in der Ukraine losgetreten und sich damit selbst zur Niederlage verdammt hat. Er erklärte, die Ukraine sei kein souveräner Staat und frühere Vereinbarungen seien nicht erfüllt worden. Aber dieses herbeiphantasierte Groß-Russland lässt sich nicht aufzwingen, und selbst wenn das Land eine lange Geschichte der Demütigung erlebt hat, so waren es auch die russischen führenden Politiker:innen selbst, die solche Demütigungen gefördert haben, manchmal zu ihrem eigenen Vorteil (wer erinnert sich nicht an Gorbatschows peinliche Werbung für Pizza Hut mit ihrem kolossalen Symbolwert?), und jetzt verschlimmern sie die Situation durch ein ruinöses Vorgehen. Im Konflikt zwischen den Großmächten haben diese führenden Politiker:innen immer verloren, was Moskau aber nicht daran gehindert hat, Trump zu begünstigen. Allerdings haben die beiden wichtigsten Siege von Moskaus Feinden weitreichendere Folgen, die Europa und die ganze Welt betreffen, als die Maßnahmen in diesem Kriegsszenario.

Trumpismus gegen Europa

Im Jahr 2018 brach Trump das Iran-Abkommen unter Protest der anderen Unterzeichner, des Vereinigten Königreichs, Deutschlands und Frankreichs. Dann kündigte er sehr umfangreiche Sanktionen an und nahm damit die Sanktionen wieder auf, die 2012 verhängt und 2015 mit dem Atomkontrollabkommen aufgehoben worden waren: den Ausschluss Irans aus SWIFT, dem weltweiten Zahlungssystem zwischen den Finanzinstituten. Und er drohte europäischen Unternehmen mit der Anwendung der gleichen Sanktionen, falls sie ihre Geschäfte im Iran fortsetzen sollten. Juncker, der damalige Präsident der Europäischen Kommission, war empört: „Wir werden nicht mit dem Damoklesschwert über unseren Köpfen verhandeln. Es ist eine Frage der Würde und des Prinzips.“ Das „Prinzip“ wurde auf einer IWF-Tagung vergeblich diskutiert, die Financial Times sprach von einer „diplomatischen Entgleisung“, die Union richtete sogar eine Finanzagentur ein, um Euro-Zahlungen außerhalb des Einflussbereichs des Weißen Hauses und von SWIFT abzuwickeln, aber die „Würde“ war nur von kurzer Dauer, und Total, Daimler, Air France und andere Unternehmen zogen sich aus dem Iran zurück.

Diese Militarisierung von SWIFT warf zwei heikle Probleme auf. Erstens handelt es sich um ein belgisches Unternehmen, dessen Server in den Niederlanden stehen. Unter den 25 Verwaltungsratsmitgliedern sind zwei US-amerikanische Banker, aber es gilt das europäische Recht. SWIFT verfügt aber über einen Server mit denselben Daten in den USA, den das Weiße Haus im Rahmen seines Ausnahmerechts nutzt, um die Transaktionen europäischer Unternehmen und Bürger:innen zu identifizieren. Nach europäischem Recht ist der Zugriff auf diese personenbezogenen Daten ohne richterliche Genehmigung unzulässig. Trump hat also illegal gehandelt und wesentliche Rechte der europäischen Bürger:innen verletzt, was die Kommission zu reparieren versucht, ohne aber zu wissen wie. Das zweite Problem ist, dass die US-Regierung gemäß ihrer Agenda rechtmäßigen Transaktionen in Europa keine Beschränkungen auferlegen darf. In dem Wissen, dass sie dieser Macht aber bereits zum Opfer gefallen war, sprach sich die deutsche Regierung zunächst gegen den Einsatz von SWIFT als Kriegswaffe aus, wie sie es auch im Fall des Iran getan hatte. Sie gab schließlich nach und die neue Regelung wurde eingeführt. Es ist ein überwältigender Triumph für Washington, dass es SWIFT erobert hat.

Europa ohne Energie

Zwei Wochen vor Beginn der Invasion wiederholte Biden, die neue Gas-Pipeline zwischen Russland und Deutschland werde blockiert werden, „genau wie ich es versprochen hatte“. Der neben ihm stehende Scholz sagte kein Wort. Es war allgemein bekannt, dass das Weiße Haus bereits im Juli letzten Jahres nach monatelangen Verhandlungen Sanktionen gegen deutsche Unternehmen angedroht hatte, falls Nord Stream 2 genehmigt werden würde. Aus den gleichen Gründen, nämlich der Befürchtung, dass es für Gasimporte keine Alternativen gibt, wollten Italien und Österreich die Energielieferungen nicht in die Sanktionen einbeziehen. Der zweite Sieg Washingtons besteht somit darin, dieses Energienetz in Europa unterbrochen zu haben, einen Teil der kommerziellen und damit politischen Beziehungen zwischen Berlin und Moskau.

Außerdem haben diese Sanktionsmechanismen eine starke Wirkung auf die russische Bevölkerung, aber nicht auf die Machthabenden. Nach den Studien von Piketty und Zucman, über die in Expresso berichtet wurde https://expresso.pt/economia/2022-02-25-Mais-de-metade-das-fortunas-russas-estao-em-offshores-d58b3c80, verfügt Russland über den Gegenwert von 54,5 % seines Sozialprodukts in Form von Anlagen im Ausland, was nur von drei anderen Ländern übertroffen wird. Es gibt 20.000 Russ:innen mit mehr als 10 Millionen Dollar im Ausland. Das Problem ist, dass diese Oligarchie einen Markt darstellt, den niemand anrühren will. In diesem Krieg verlieren alle, außer denen, die daran gewinnen.

Quelle: https://www.esquerda.net/opiniao/dois-triunfos-esmagadores-para-casa-branca/79839 (15. März 2022)

Übersetzung: Michael Rieger

Francisco Louçã ist Professor für Wirtschaftswissenschaften am Instituto Superior de Economia e Gestão (ISEG, Lisbon School of Economics and Management) in Lissabon und aktives Mitglied des Bloco de Esquerda.

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