Tarifabschlüsse im Handel
TEILEN
Angebote der „Arbeitgeber“ leicht aufgestockt – extrem lange Laufzeit

Tarifabschlüsse im Handel

Von Helmut Born | 28.06.2024

Die Tarifrunden im Handel haben über ein Jahr gedauert, bevor Einigungen zwischen den Arbeitgeberverbänden und ver.di möglich wurden. Von den Ursprungsforderungen von ver.di ‒ Erhöhung der Löhne um 2,50 € oder 13 % mit einer Laufzeit der Tarifverträge von 12 Monaten ‒ konnte nichts durchgesetzt werden. Ganz im Gegenteil, im Einzelhandel werden diese 2, 50 € erst zum 1. Mai 2025 erreicht.

Für ein besseres Ergebnis reicht offensichtlich die Stärke in beiden Bereichen, Einzel- sowie Groß- und Außenhandel, nicht. Dazu gesellt sich eine falsche Einschätzung der Kräfteverhältnisse auf der Seite von ver.di. Es gelingt nach wie vor nicht, die Unternehmen so empfindlich zu treffen (wie z. B. bei Streiks in der Industrie), dass diese bereit sind, von ihren Profiterwartungen abzurücken.

Die Mobilisierungsfähigkeit hat außerdem nach den vielen Streiks im letzten Jahr merklich nachgelassen. Dies wurde vor Weihnachten 2023 besonders deutlich: Statt der angekündigten Streiks fanden nur symbolische Aktionen statt.

Wie in der Vergangenheit ist es nach wie vor schwer, Beschäftigte aus diesem Bereich für Streiks in der für den Einzelhandel wichtigsten Zeit zu gewinnen. Bis Dezember hat es keine Annäherung gegeben, und viele resignierten schon. Gerade die Verhandlungsrunde am 28. Dezember in Hamburg wäre eine Gelegenheit gewesen, bei einem 6-%-Angebot der Unternehmer mit einer 2-jährigen Laufzeit gesichtswahrend aus der Tarifrunde auszusteigen. Das wurde von ver.di rundheraus abgelehnt. Mit dem Ergebnis, dass diese 6 % für das erste Jahr jetzt nicht mehr erreicht worden sind, sondern nur die von den Unternehmern einseitig festgelegten Erhöhungen ab Oktober 2023: 5,3 % für 2023 und 4,7 % für 2024.

Trotzdem lohnt sich ein Blick auf die Ergebnisse, sowohl im Einzel- wie im Groß- und Außenhandel.

Einzelhandel

Anfang Mai ist Hamburg ein erster Abschluss für den Einzelhandel erzielt worden, der in den meisten Tarifbezirken übernommen wurde. Dabei wurden folgende Ergebnisse erzielt:

• Laufzeit vom 1. Mai 2023 bis zum 30. April 2026;

• im 1. Jahr gibt es eine Tariferhöhung von 5,3 % nach 5 Nullmonaten;

• im 2. Jahr gibt es eine Tariferhöhung von 4,7 %;

• im 3. Jahr gibt es eine Vorwegerhöhung von 40 € und darauf 1,8 % (ca. 3,2 % Endgehalt für Tarifgruppe 1 ab dem 5. Berufsjahr);

• Inflationsausgleichsprämie, die im August 2024 ausgezahlt wird; sie beträgt für Vollzeitbeschäftigte 1000 €, für Teilzeitbeschäftigte anteilig, für Auszubildende die Hälfte; bisherige Inflationsausgleichszahlungen werden nicht angerechnet.

Darüber hinaus wird der Zuschuss der „Arbeitgeber“ zur betrieblichen Altersversorgung (bislang 360 €) um 120 € jährlich erhöht, so dass nun ein Anspruch von insgesamt 480 € im Jahr entsteht.

Immerhin konnte den Unternehmern eine bessere Inflationsausgleichsprämie, die nicht mit bisherigen Zahlungen verrechnet wird, sowie die Erhöhung der Beiträge zur Altersvorsorge abgerungen werden. Für 2025 wird der Abschluss wohl einen Ausgleich für die zu erwartende Inflation bringen, aber um den Preis eines 3-jährigen Abschlusses. Die Forderung nach einer Erhöhung der Stundenlöhne von 2,50 € konnte mit diesem Abschluss für den größten Teil der Beschäftigten (nach drei Dienstjahren) erreicht werden. Dies ist für den Fachbereich, abgesehen von politischen Erwägungen eine schlechte Regelung, zumal er hauptsächlich in Tarifrunden neue Mitglieder gewinnt.

Hinzu kommt die weiterhin sinkende Tarifbindung in dieser Branche, die bundeweit nur noch bei ca. 40 % liegt. Ohne dass diese Angelegenheit endlich politisch geregelt wird, wird es nicht gehen. Die Voraussetzungen dafür liegen vor: Da müsste die Bundesregierung nur die entsprechende EU-Verordnung umsetzen. Es gilt nun, diese Tarifrunde aufzuarbeiten und sich Gedanken zu machen, wie Tarifrunden in Zukunft erfolgreicher abgeschlossen werden können.

Erste Abschlüsse auch in Groß- und Außenhandel

Ganz ähnlich sieht das Ergebnis im Groß- Außenhandel aus. Lediglich bei den prozentualen Ergebnissen gibt es leichte Abweichungen von dem Ergebnis des Einzelhandels, im Endeffekt aber nicht zum Besseren. Auch in diesem Bereich gibt es nun den Zuschuss von 480 € zur Altersvorsorge. Erfreulich ist immerhin, dass die bayerischen Unternehmer:innen sich bereit erklärt haben, die Anerkennung des Tarifvertrags gemeinsam mit ver.di zu beantragen.

Einen Erfolg kann ver.di in dieser Tarifrunde allerdings für sich verbuchen: Die Unternehmer forderten bundeseinheitliche Tarifverhandlungen zu führen und Abschlüsse zu tätigen; dem ist ver.di nicht nachgekommen. Das würde eine massive Verschlechterung der Beteiligung der Mitglieder bedeuten und würde den Einstieg in Spartentarifverträge, die eine massive Verschlechterung der Mobilisierungsfähigkeit bedeuten würden, erleichtern. Um aber wirklich schlagkräftiger zu werden, müsste die Verankerung in den Betrieben erheblich stärker werden. Gerade bei den großen Einzelhandelskonzernen wie Aldi, Lidl, Rossmann, dm und Edeka ist ver.di viel zu schwach, um sie zu bestreiken.

Artikel teilen
Tags zum Weiterlesen
Kommentare auf Facebook
Ähnliche Artikel
Zur Startseite