Gemischte Gefühle
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Nach dem ver.di-Bundeskongress

Gemischte Gefühle

Von Helmut Born | 25.09.2023

Vom 17. bis 22. September fand der VI. Bundeskongress der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in Berlin statt. 1.000 Delegierte erwarteten ein volles Programm mit Anträgen, Wahlen und Vorträgen.

Ungewöhnlicherweise begann der Kongress bereits am Sonntagmittag mit einem Kulturprogramm, der Begrüßung der Delegierten und Gäste sowie dem Prozedere der Eröffnung. Als besonderer Gast durfte Bundeskanzler Scholz zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sprechen und seine Politik loben. Schon während seiner Rede wurde von den Delegierten deutliche Kritik an der Politik der Ampel geäußert. Scholz versuchte, dies zu entkräften, indem er versprach, dass nun endlich Maßnahmen zur Erhöhung der Tarifbindung ergriffen und keine Kürzungen bei den Sozialleistungen vorgenommen würden.

Am zweiten Tag begann die Diskussion um den Geschäftsbericht, den der 1. Vorsitzende, Frank Wernecke, vortrug. Schon bei der Aussprache gab es viele kritische Wortmeldungen, die sich vor allem mit den nicht zufriedenstellenden Ergebnissen der verschiedenen Tarifrunden beschäftigten. Dieser Tagesordnungspunkt dauerte erheblich länger als vorgesehen.

Erstmals zwei Kandidat:innen für eine Funktion

Bei der anschließenden Wahl des Bundesvorstandes gab es erstmals eine Position, für die zwei Kandidaten kandidierten. Gegen den vom Gewerkschaftsrat für das Finanzressort vorgeschlagenen Meister kandidierte auch der ehemalige Bundesfachgruppenleiter Einzelhandel, Orhan Akman. Er hatte sich in einem Kündigungsschutzverfahren gegen seine Kündigung in einem Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht gegen den Bundesvorstand durchgesetzt. Bei der Wahl erhielt er über 23 % der Stimmen, was ein beachtenswertes Ergebnis für ihn darstellt.

Kontroversen

Bei der Antragsberatung standen mehrere in ver.di kontrovers diskutierte Themen auf der Agenda. Ein Antrag zur Abschaffung von Schlichtungen bei Tarifverhandlungen wurde nach Intervention des Vorsitzenden eindeutig abgelehnt. Anträge gegen Rassismus und Rechtsextremismus sowie zur Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in der AfD oder anderen rechten Organisationen wurden einstimmig angenommen. Ebenso fand eine breite Mehrheit Zustimmung gegen weitere Einschränkungen beim Asylrecht und für die Einhaltung der Menschenrechte sowie die Freilassung von Julian Assange.

Der Antrag E 084 mit dem Titel „Perspektiven für Frieden, Sicherheit und Abrüstung in einer Welt im Umbruch“ hatte im Vorfeld des Kongresses den meisten Wirbel verursacht. Gegen diesen Antrag wurden durch den Aufruf „Sagt Nein“ über 15.000 Unterstützungsunterschriften gesammelt. Die Debatte um diesen Aufruf mit insgesamt 15 Änderungsanträgen dauerte insgesamt acht Stunden. Dabei wurde frühzeitig durch Abstimmung geklärt, dass der am meisten umkämpfte Passus, wegen der Billigung von Waffenlieferungen, nicht geändert wird. Einige Delegierte nahmen dies zum Anlass, den Kongress zu verlassen, ohne die weitere Debatte abzuwarten. Durch einen Geschäftsordnungsantrag eines Hamburger Kollegen sprach sich der Kongress dafür aus, die Änderungsanträge, wie von der Antragskommission empfohlen, en bloc abzustimmen. Damit konnten nur noch die Anträge in den Leitantrag übernommen werden, die von der AK empfohlen wurden. Dennoch gelang es, sich eindeutig gegen das 100-Milliarden-Aufrüstungsprogramm und gegen das von der NATO vorgegebene 2%-Ziel auszusprechen. Ebenfalls wurde der Änderungsantrag, dass sich der Kongress gegen die Lieferung der Taurus-Raketen ausspricht, in den Leitantrag aufgenommen.

Die linke Oppossition konnte sich nicht durchsetzten

Auch wenn die linke Opposition in ver.di den Leitantrag nicht so verändern konnte, wie erhofft, wurde eine nicht unerhebliche Verbesserung durchgesetzt.

Erfreulich war, dass, wie bei den vergangenen Kongressen, die Anträge, die eine Verlängerung der Amtszeit der Gremien auf fünf Jahre vorsahen, nicht die erforderliche Mehrheit erhielten.

Insgesamt ergibt sich also ein gemischtes Bild des ver.di-Kongresses. Es wird sich zeigen, ob aus den Beschlüssen auch konkrete Schritte folgen. Der Kampf gegen die AfD dürfte für die Gewerkschaften in Deutschland immer wichtiger werden. Es ist wichtig, klare Beschlüsse zu fassen, aber der Widerstand gegen die Rechtsentwicklung muss in die Betriebe und auf die Straße getragen werden.

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