Guaidos “humanitäre Hilfe” bereitet US-Intervention in Venezuela vor

Venzuelanische Polizisten bei einem Einsatz im Jahr 2019. Foto: Andrés E. Azpúrua, Policias cansados, confundidos, con sentimientos encontrados, CC BY-ND 2.0

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Geplanter Sturz von Maduro

Guaidos “humanitäre Hilfe” bereitet US-Intervention in Venezuela vor

Von Paul Michel | 28.02.2019

Der 23. Februar war vom Juan Guaido als Tag als “Tag der Entscheidung” proklamiert worden. An diesem Tag wollte er in Feldherrnpose als „Oberbefehlshaber“ von eigenen Gnaden der venezolanischen Nationalgarde den Befehl geben, den Weg frei zu machen für die von ihm an die kolumbianisch-venezolanische Grenze bestellten Hilfstransporte. Dann, so sein Plan, würde er unter dem Jubel seiner Anhänger*innen die Grenze zu überschreiten und dann auf einer Welle der Begeisterung bis nach Caracas zu ziehen, um dort Nicolas Maduro aus dem Amt zu vertreiben. Das war der Plan. Aber es kam ganz anders.

Die Gewaltfrage: die sehr einseitige Sicht deutscher Medien

Die Nationalgarde machte ihm den Weg nicht frei. Man hat gesehen, dass dem Aufruf von Guaidó, am Samstag massenhaft an die Grenzen zu kommen, um die Hilfsgüter ins Land zu bringen, nicht sehr viele gefolgt sind. Statt der angekündigten tausende von Anhänger*innen versammelten sich auf der kolumbianischen Seite der Grenze lediglich hunderte von Anhänger*innen Guaidos.

Mensch darf wohl davon ausgehen, dass sich darunter nicht wenige von erprobten rechtextremen Straßenkämpfer*innen aus den großen Städten Venezuelas befanden. Die traten auch alsbald in Aktion nachdem zunächst –wohl für die Kameras – Frauen mit Blumen zu den Nationalgardisten geschickt worden waren, um sie zum Überlaufen zu bewegen. Im den elektronischen Medien ist dann zu sehen wie die Sturmtruppen von Guaido Barrikaden wegräumten und die Soldaten der Nationalgarde mit einem Hagel von Steinen und Molotowcocktails eindeckten. Gegen Ende der Auseinandersetzung setzten die Anhänger*innen Guaidós, offenbar aus Frust über den ausbleibenden Erfolg, mit Molotowcocktails sogar noch zwei der LKWs mit Hilfsgütern in Brand.

Statt der angekündigten tausende von Anhänger*innen versammelten sich auf der kolumbianischen Seite der Grenze lediglich hunderte von Anhänger*innen Guaidos.

Würden linke Demonstranten in Deutschland oder Frankreich so gegen Polizeisperren vorgehen, wären die Mainstreammedien völlig außer sich und würden unisono von unerträglichem Straßenterror linker Chaoten sprechen. Die Polizeitruppen ihrerseits würden mit Tränengas, Gummigeschossen und massivem Knüppeleinsatz gegen die Angreifer*innen vorgehen.

Bei den Protesten der Gelbwesten in Frankreich gab es übrigens infolge von harten Polizeieinsätzen über 100 Schwerverletzte, einigen wurde durch Polizeigranaten Gliedmaßen abgerissen, die 80-Jährigen Zineb Redouane aus Marseille starb am 1. Dezember bei einer Operation im Krankenhaus, nachdem sie von einer Tränengasgranate im Gesicht getroffen worden war. Am Verhalten der Anhänger Guaidos am 23. Februar wollten die deutschen regimetreuen Medien nichts Verwerfliches erkennen. Sie schimpften ausschließlich über die Brutalität der staatlichen Organe Venezuelas.

Die Demokratieheuchler*innen

Absolut skandalös ist die Darstellung der Konfliktparteien in Venezuela seitens der deutschen Medien. Sie ist nach dem Muster hier Despot (Maduro) dort „Allianz der Demokraten“ gestrickt. Dabei wird Kolumbiens rechter Präsident Duque, der am 23. Februar im Grenzort Cúcuta persönlich anwesend war, zum lupenreinen Demokraten verklärt. Kein Wort davon, dass in keinem Land Lateinamerikas Menschen, die sich politisch oder ökologisch engagieren, so gefährlich leben wie in Kolumbien. Nach Angaben der internationalen Menschenrechtsorganisation wurden 2018 in Kolumbien 126 Menschenrechtsaktivist*innen ermordet.

Auffällig ist, dass die staatlichen Behörden in Kolumbien kaum Anstrengungen unternehmen, der Täter habhaft zu werden. Kein Wunder: Der aktuelle Regierungschef Duque aus der ultrarechten neoliberalen Partei Centro Democrático (CD), wurde mit 10,2 Millionen Stimmen nicht zuletzt dank der Popularität seines Mentors, des Ex-Präsidenten Álvaro Uribe (2002-2010), zum neuen Präsidenten gewählt. Uribe ist bekannt für seine Verstrickungen mit dem Paramilitarismus, die für die Mehrzahl der politischen Morde in Kolumbien verantwortlich ist.

Die “humanitäre Hilfe” und das US-Drehbuch den „Regime Change“

Juan Guaidó hat wiederholt erklärt, dass 300.000 Menschen kurz davor stünden, an Hunger zu sterben, wenn keine Hilfe gewährt würde. Eine reine Lüge. Die Wirtschaftskrise in Venezuela ist sehr ernst und hat massive Auswirkungen auf den Lebensstandard der Menschen gehabt, aber Guaidós Behauptung ist völlig übertrieben. Nicht zutreffend ist auch die Aussage, dass die Maduro-Regierung Hilfe aus dem Ausland akzeptiert.

So kooperiert die Regierung durchaus mit Stellen der UNO. Beispielsweise hat die Panamerikanische Gesundheitsorganisation (PAHO) im Januar drei Millionen antiretrovirale Tabletten für HIV-Infizierte und Medikamente für Krebs- und Parkinsonpatienten nach Venezuela gebracht. Anderen Medienberichten zufolge, hat die UNO in Venezuela Hilfen für 100.000 Kinder und Frauen verteilt. Dies mag man als nicht ausreichend kritisieren, aber es widerlegt die häufig wiederholte Aussage, Maduro lasse keine Hilfe ins Land.

Ziel der am 23. Februar von Guaido gestarteten Inszenierung einer „Hilfsaktion“ war nicht, tatsächlich humanitäre Hilfe für die Menschen in Venezuela zu leisten. Dafür war die Menge der bereitgestellten Güter viel zu gering. Es handelte sich dabei um Güter im Wert von etwa 20 Millionen US-Dollar. Selbst nach offiziellen Angaben über die erste Lieferung könnten damit gerade einmal 10.000 Menschen für einige Wochen versorgt werden. Die Zweck der inszenierten Aktion, der bekanntlich ihr „humanitärer“ Charakter von den Vereinten Nationen und dem Internationalen Roten Kreuz längst abgesprochen worden ist, war ein politisch-militärisches Manöver zum Test und zur Spaltung und Umstimmung der bisher regierungstreuen venezolanischen Streitkräfte.

Die Zweck der inszenierten Aktion, war ein politisch-militärisches Manöver zum Test und zur Umstimmung der bisher regierungstreuen venezolanischen Streitkräfte.

Es ging zum einen darum, dass die von der Regierung Maduro zur Grenzsicherung abgestellten Militäreinheiten den Gehorsam verweigern und die LKWs mit den Hilfsgütern passieren lassen sollten. Dadurch sollte eine Welle von weiteren Gehorsamsverweigerungen ausgelöst werden, so dass in Folge dessen zumindest bedeutsame Teile des Militärs von Maduro zu Guaido überwechseln sollten. Ein weiterer Zweck der Aktion war, die Maduro Regierung als eine Ansammlung unmenschlicher Despoten erscheinen zu lassen, die nicht einmal davor zurückschrecken, durch „Unterdrückung und Gewalt“ seitens der „Streitkräfte der Diktatur“ den Menschen in Venezuela humanitäre Hilfe zu verwehren.

Dabei gibt es einen ganz einfachen Weg, wie die USA die humanitäre Situation der Menschen in Venezuela verbessern helfen könnten: Die neuen US-Sanktionen, die im April in Kraft treten solle, kosten Venezuela 30 Millionen Dollar pro Tag. Der Wert der am 23. Februar bereitgestellten Hilfsgüter von 20 Millionen Dollar ist weniger als der Schaden der an einem einzigen Tag durch US- Sanktionen angerichtet wird. Es wäre für die USA ein Leichtes, mit der Aufhebung von Sanktionen die katastrophale Lage in dem Land zu lindern. Doch die Verteidiger*innen westlicher Werte denken lieber über eine weitere Verschärfung nach, weil es in erster Linie eben nicht um Menschen und Menschenrechte, sondern um einen „Regime Change“ geht, den sie am schnellsten durch einen Zusammenbruch des Landes zu erreichen hoffen.

Was folgt nach dem Fehlschlag?

Vorläufig kann der Versuch der venezolanischen Opposition, die Einführung der „humanitären Hilfe“ nach Venezuela zu erzwingen, als gescheitert angesehen werden. Meldungen von Guaidó, wonach einzelne Lieferungen aus Brasilien die Grenze überquert hätten, wurden nicht bestätigt, beziehungsweise von den brasilianischen Behörden dementiert. Der von der bürgerlichen Opposition angestrebte Bruch innerhalb der venezolanischen Sicherheitskräfte fand nicht statt.

In der Sendung „Weltspiegel“ vom 24. Februar war zu erkennen, dass Anhänger von Guaido angesichts des Misserfolgs ziemlich angefressen waren. Einer sagte in die Kamera: “Was ist mit Guaidó? Ich habe ihn heute nicht gesehen. Seine Politikerfreunde hauen gerade ab und lassen uns allein”. Ob diese Stimmung weitere Kreise zieht, ist natürlich unklar. Klar ist, dass Guaido und sein Team an solchen Fragen kein Interesse haben.

Vorläufig kann der Versuch der venezolanischen Opposition, die Einführung der „humanitären Hilfe“ nach Venezuela zu erzwingen, als gescheitert angesehen werden.

Sie versuchten durch ein Treffen der Lima-Gruppe am folgenden Tag, für das Guaido mit einer kolumbianischen Militärmaschine nach Bogota geflogen wurde, den Anschein von Entschlossenheit und Geschlossenheit zu vermitteln. Auf diesem Treffen forderte Guaido explizit „alle Optionen offen zu halten“. Selbst die „Süddeutsche Zeitung” interpretiert das als Aufforderung an Donald Trump, der mit einer ähnlichen Wortwahl mehrfach einen Einmarsch in Venezuela ins Spiel gebracht hatte. US-Außenminister Mike Pompeo sagte, die “Zeit zum Handeln” sei gekommen.

Julio Borges, im Exil lebender Vorsitzender der Partei “Primero Justicia” und von Guaidó als Botschafter der Lima-Gruppe bestellt, sprach sich offen dafür aus, „Gewalt anzuwenden“, um Maduro zu stürzen. Trotz der aggressiven Rhetorik seitens der US-Regierung und Guaidos lehnten die Vertreter der Mitgliedsstaaten der „Lima-Gruppe“ am Montag in Bogotá den Einsatz von Gewalt zum Sturz des „illegitimen Regimes“ in Caracas ab. Der „Übergang zur Demokratie“ müsse von den Venezolaner*innen selbst friedlich und im Rahmen der Verfassung und des Völkerrechts erreicht werden, heißt es in der gemeinsamen Abschlusserklärung.

Das bedeutet nicht das Ende der Eskalationspolitik gegenüber Venezuela. In einem Artikel auf Spiegel-Online wird angedeutet, was nächste Konfliktthema sein könnte: Sollte Juan Guaidó oder seiner Familie bei einer Rückkehr aus dem kolumbianischen Cúcuta nach Caracas etwas passieren, „machen wir dafür den Diktator Nicolás Maduro verantwortlich“, sagte der kolumbianische Außenminister Carlos Holmes Trujillo in der Schlusserklärung von Bogotá. Dann würden die Lima-Staaten alle „politischen und rechtlichen Schritte“ ergreifen, um dem „chavistischen Regime ein Ende zu bereiten“.

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