Der Kampf um kostenlose Abtreibung wird möglicherweise so lange dauern wie der Kampf um die Einführung des Frauenwahlrechts.
(Giselle Gerolami)
Am 24. Juni wurde die offizielle Aufhebung des Urteils Roe v. Wade[i] bekannt gegeben. Um seit langem bestehende verfassungsmäßige Rechte in den Vereinigten Staaten zu durchlöchern, bedurfte es nicht des Aufstands weißer Nationalisten, die auf Betreiben von Donald Trump in das Kapitol eindrangen. Dieser Frontalangriff ist zwar gescheitert, aber dafür ist die Rechte mit einem Manöver an einem anderen Schauplatz erfolgreich gewesen, nämlich mit dem frechen pseudo-konstitutionellen Coup durch den Obersten Gerichtshof.
Die Aufhebung des Urteils Roe v. Wade ist weit mehr als eine Kampfansage an die Körper und Rechte von Frauen. Rechtswissenschaftler:innen haben sofort erkannt, dass die vorzeitig durchgesickerte Mehrheitsmeinung des Obersten Gerichts rund um [Richter] Alito[ii] alle Grundrechte in Frage stellt, die aus dem vierzehnten Verfassungszusatz und dem elementaren Grundsatz der Achtung des Privatlebens abgeleitet werden können: nämlich gleichgeschlechtliche Ehen oder Ehen zwischen Schwarz und Weiß, LGBT-Rechte und, so unglaublich das klingt, legale Verhütungsmittel.
„Das Leben beginnt mit der Befruchtung“: Dieser absurde Glaubenssatz öffnet rechtsgerichteten religiösen Fanatiker:innen in der Legislative Tür und Tor, um bewährte Methoden der Geburtenkontrolle zu verbieten, angefangen bei der Spirale und der Pille danach. Demnach könnte die „elterliche Zustimmung“ als juristischer Versuchsballon gestartet und die Pille danach als Abtreibungsmittel kriminalisiert werden.
Aber was im Dunkeln ausgeheckt wird, kommt irgendwann ans Licht, wie das Sprichwort sagt. Das gibt – dieser haarsträubenden Entscheidung zum Trotz – Anlass zu einer gewissen Hoffnung. Was auch immer die Beweggründe für das Durchsickern des Urteilsentwurfs gewesen sein mögen, wir freuen uns, dass er öffentlich gemacht wurde. Somit könnte die Empörung der Bevölkerung bereits jetzt Fahrt aufnehmen und nicht erst, wie von der Gerichtsmehrheit beabsichtigt, in der politischen Sommerpause vor den Zwischenwahlen im November.
John Roberts, der [von den Republikanern nominierte] Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs, ist zu Recht empört über die undichte Stelle, denn die vorzeitige Veröffentlichung verstieß gegen die bis dato übliche Geheimhaltung der Entwürfe und Beratungen des Gerichts. Vertraulichkeit war gängige Praxis – ebenso wie „stare decisis“, d. h. die Berücksichtigung von Präzedenzfällen (insbesondere, wenn diese in späteren Urteilen bestätigt wurden). Das galt auch für eine gewisse Zurückhaltung bei der Außerkraftsetzung etablierter Rechte und die Sorge um die menschlichen Folgen einer Entscheidung.
Richter Alito hat all das zugunsten einer durch und durch reaktionären und menschenfeindlichen Ideologie auf den Müll geworfen. Roberts, so wird berichtet, wollte bei der Aufhebung des Urteils Roe v. Wade nicht „ganz so weit gehen“, sondern zog es vor, dessen Substanz auszuhöhlen, indem er das Verbot von Abtreibungen nach der 15. Schwangerschaftswoche in Mississippi bestätigte. Damit wäre Roe v. Wade entleert, aber zumindest der Form nach aufrechterhalten worden. Roberts’ Sorge gilt der wertvollen „Legitimität des Gerichtshofs“. Genau diese Legitimität, die aktuell einen Tiefpunkt erreicht hat, gilt es zu zerstören.
Die Schaffung eines Monsters
Roberts hat das außer Kontrolle geratene Monster selbst in die Welt gesetzt. Das fing damit an, dass das Oberste Gericht die seit einem Jahrhundert gültigen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung aufhob und setzte sich mit der Aushöhlung des Wahlrechtsgesetzes (Voting Rights Act) von 1965 fort. Unter dem Vorwand, seit der Wahl von Barack Obama spiele Rassismus bei Wahlvorgängen keine Rolle mehr, hat es Roberts möglich gemacht, dass sich die Mehrheitsdoktrin des WSCOTUS (White Supremacy Court of the United States)[iii] durchsetzen konnte.
Hier muss etwas über die Zusammensetzung und die Funktion dieses Gerichts gesagt werden. Richter:innen wie Thurgood Marshall[iv] und Ruth Bader Ginsburg[v] gelangten unter dem Einfluss sozialer Massenbewegungen – vor allem der Bürgerrechtsbewegung, der Bewegung zur Emanzipation der Schwarzen und des Feminismus – an den Obersten Gerichtshof.
Marshall und Ginsburg waren nicht nur äußerst kompetente Jurist:innen, sondern auch erfahrene Kämpfer:innen für Gleichberechtigung und Gerechtigkeit. Somit trat der Oberste Gerichtshof einige Jahrzehnte lang als Beschützer der Grundrechte in Erscheinung – wenn auch nicht immer konsequent.
Was für ein Gegensatz zu der derzeitigen sechsköpfigen Mehrheit[vi] von Richter:innen im Obersten Gerichtshof, die der Ideologie von der weißen Vorherrschaft zuzuordnen sind. Die drei von Trump ernannten Richter:innen haben ein Leben lang nichts anderes getan, als sich mit Unterstützung von rechtsgerichteten Schwarzgeldgebern und der Federalist Society[vii] auf ihre jetzige Position vorzubereiten, um Roe v. Wade endlich kippen zu können. Sie werden bei jeder sich bietenden Gelegenheit allerlei Gemeinheiten aushecken. Das hat bereits 1991 begonnen, als Clarence Thomas[viii], noch bevor er über die Belästigung von Anita Hill[ix] log, als er behauptete, Roe v. Wade sei zu seiner Studienzeit an der juristischen Fakultät nie ein Thema gewesen.
Somit war ein Präzedenzfall geschaffen für eine Reihe von reaktionären Kandidat:innen, die sich nicht dazu äußern wollten, wie sie „zu Fällen stehen, die vor den Gerichtshof kommen könnten“, und die bei ihren Bestätigungsanhörungen[x] ungestraft die Unwahrheit sagten.
Als Brett Kavanaugh[xi] vor dem Justizausschuss des Senats erklärte, Roe v. Wade sei sowohl ein Präzedenzfall als auch durch nachfolgende Urteile „wiederholt bestätigt“ worden, gab es in den gesamten Vereinigten Staaten genau eine Person, die offenbar nicht wusste, dass er nach Strich und Faden log: Susan Collins, eine republikanische Senatorin, die zwar für Abtreibungsfreiheit eintritt, deren Stimme aber seine Bestätigung durch den Senat ermöglichte.
Auch wenn sie in einigen Details etwas entschärft werden könnte (etwa durch die Streichung der wissenschaftlichen Fußnote, in der ein englischer Anwalt aus dem 17. Jahrhundert zitiert wird, der Abtreibung als Mord bezeichnete und auch die Hinrichtung von Hexen befürwortete), ist die durchgesickerte Stellungnahme von Richter Alito ein Beweis dafür, dass die extreme Rechte, die mittlerweile die uneingeschränkte Kontrolle über den Gerichtshof hat, die früheren Regeln des rechtlichen und politischen Spiels über Bord geworfen hat.
Zusammen mit der Verabschiedung zahlreicher Gesetze in Bundesstaaten, die in Bezug auf das Recht auf Abtreibung und den Ausschluss bzw. die Einschüchterung von Wähler:innen verrücktspielen, schaffen mehrere Legislativen mittlerweile die Voraussetzungen, damit Wahlen annulliert werden können, wenn ihnen das Ergebnis nicht gefällt.
Der Abbau reproduktiver Rechte und grundlegender demokratischer Werte geht Hand in Hand. Über das Recht auf Abtreibung – so wichtig dieses Recht an sich auch ist – hat sich die verfassungsrechtliche und politische Legitimationskrise, die in den Vereinigten Staaten seit etwa zehn Jahren schwelt, zugespitzt.
Künftige Kämpfe
Es ist kein Zufall, dass es die aggressivsten Anti-Abtreibungsgesetze gerade in denjenigen Bundesstaaten gibt, in denen die Mütter- und Säuglingssterblichkeit am höchsten ist. Es ist auch kein Zufall, dass die vehementesten Abtreibungsgegner:innen gleichzeitig die lautstärksten Feind:innen einer Reform des jämmerlich maroden öffentlichen Gesundheitswesens sind, was während der COVID-Pandemie den Verlust von Hunderttausenden von Menschenleben zur Folge hatte.
Die frauenfeindliche und rassistische Rechte agiert also absolut logisch, wenn sie sich für die „Heiligkeit des Lebens“ ausschließlich vor der Geburt einsetzt. Jedenfalls hat diese brutale Logik der öffentlichen Empörung über die Aufhebung von Roe v. Wade Auftrieb gegeben. Das wiederum könnte Auswirkungen darauf haben, wie schnell einige Bundesstaaten in Gang kommen, um das Recht auf Abtreibung und andere reproduktive Rechte zu schützen. Und auch darauf, ob die Demokratische Partei auf Bundesebene genug Rückgrat entwickelt, um die Rechte der Frauen nicht nur verbal zu verteidigen.
Auf symbolischer Ebene hat Chuck Schumer, der Mehrheitsführer im Senat, eine Abstimmung über den Reproductive Freedom Act (Gesetz zur Reproduktionsfreiheit) eingeleitet, das bereits vom Repräsentantenhaus verabschiedet wurde, aber keine Chance hat, im Senat die Mehrheit von 60 Stimmen zu erreichen, die erforderlich wäre, um eine Verhinderung des Gesetzes durch Filibusterei[xii] zu verhindern. Eine ebenfalls symbolische Aktion, die jedoch mehr Konsequenzen hätte, wäre die unverzügliche Einberufung von Anhörungen durch den Justizausschuss des Senats, um Brett Kavanaugh und Neil Gorsuch[xiii] wegen ihrer Falschaussagen bei ihren Bestätigungsanhörungen vor dem Kongress anzuklagen. Aber darauf wird man wohl lange warten müssen…
Und es wäre sicher auch viel zu viel verlangt, von Joe Biden zu erwarten, dass er seine Macht als Präsident in die Waagschale wirft, um Abtreibungen in den Militärkrankenhäusern per Anordnung zu ermöglichen, ganz zu schweigen von seiner Ankündigung, den Obersten Gerichtshof durch zusätzliche Nominierungen zu erweitern, um das Abtreibungs- und Wahlrecht wiederherzustellen. Es ist illusorisch und eher entnervend, als dass es neuen Schwung verleihen würde, von solchen Wundern zu träumen.
Jedenfalls stehen zeitnah erbitterte Auseinandersetzungen bevor, denen die Bundesregierung nicht ausweichen kann. So werden etwa die Regierungen jener Bundesstaaten, in denen Schwangerschaftsabbrüche nach der Aufhebung von Roe v. Wade verboten sind, versuchen, auch die Verwendung von Abtreibungspillen, die von den Centers for Disease Control and Prevention (CDC, Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention) zugelassen sind, und die telemedizinische Beratung, die seit der Covid-Krise weit verbreitet ist, zu kriminalisieren.
Da die Bundesregierung für den zwischenstaatlichen Handel und die Post zuständig ist, wird sie nicht umhin können, zu unverzichtbaren medizinischen Dienstleistungen Stellung zu beziehen, wenn sie sich nicht zur Komplizin für ein scharfes Vorgehen machen will. Das wird vor allem dann wichtig sein, sollten einzelne Staaten versuchen, schwangere Frauen oder deren Helfer:innen zu belangen, weil sie in anderen Staaten eine Abtreibung vornehmen lassen.
Zum Beispiel Michigan
Die vehementesten Auseinandersetzungen werden sich vermutlich innerhalb der einzelnen Bundesstaaten abspielen – zum Beispiel in Michigan, einem von über einem Dutzend Bundesstaaten, wo Gesetze gegen die Abtreibung unmittelbar nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs wieder in Kraft treten werden. So wird in Michigan sowohl von der [demokratischen] Gouverneurin Gretchen Whitmer als auch von Planned Parenthood[xiv] ein Gesetz aus dem Jahr 1931 vor dem Obersten Gerichtshof des Bundesstaates[xv] angefochten, weil es gegen die Schutzbestimmungen der Verfassung von Michigan verstößt. (Das Gesetz kriminalisiert medizinisches Personal, das bei einer Abtreibung hilft. Die einzige Ausnahme ist die Rettung des Lebens der Schwangeren.)
Derzeit gilt eine einstweilige Verfügung, da die Klage von Planned Parenthood vor Gericht verhandelt wird. Das hatte eine Klage der Legislative zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung zur Folge.
An einer anderen Front werden aktuell Unterschriften für eine Initiative gesammelt (erforderlich sind etwas mehr als 425.000), um eine Bestimmung zur reproduktiven Freiheit in die Verfassung von Michigan aufzunehmen. Dieses Referendum geht über die bloße Verteidigung des Urteils von Roe v. Wade hinaus und deckt ein ganzes Spektrum erweiterter Rechte auf Empfängnisverhütung, vor- und nachgeburtliche Versorgung, Hilfe bei der Entbindung sowie die Behandlung von Fehlgeburten ab. Das ist deswegen wichtig, da die Mütter- und Säuglingssterblichkeit, insbesondere in einkommensschwachen und nicht-weißen Gemeinden, nach wie vor hoch ist.
Interessanterweise haben der Generalstaatsanwalt von Michigan und sieben Staatsanwälte in den bevölkerungsreichsten Bezirken, wo sich auch die meisten Kliniken für reproduktive Gesundheit befinden, zugesagt, Abtreibungsfälle auch dann nicht zu verfolgen, wenn das Verbot auf Ebene des Staates in Kraft tritt.
Was aber wird geschehen, wenn rechtsgerichtete Staatsanwälte versuchen sollten, Frauen zu belangen, die sich in Bezirke begeben, wo Abtreibungen unter Missachtung des Gesetzes von 1931 nach wie vor durchgeführt werden? Und was passiert, wenn rechtsextreme Aktivist:innen Anbieter und Patientinnen einschüchtern oder mit Gewalt gegen sie vorgehen?
Es ist nicht schwer, sich die vielfältigen Ebenen der Auseinandersetzung und die chaotischen Zustände vorzustellen, die durch die ausgesprochen unpopuläre Abschaffung dieses Grundrechts, das für mehr als zwei Generationen selbstverständlich war, ausgelöst werden könnten. Es trifft allerdings zu, dass der Zugang zum Schwangerschaftsabbruch schon vor der aktuellen Entscheidung durch diverse Einschränkungen erschwert worden ist. Am schwerwiegendsten ist das Hyde Amendment, das die Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen durch Medicaid[xvi] auf Bundesebene untersagt. Diese bundesgesetzliche Bestimmung wurde 1976 eingeführt und seither jedes Jahr erneuert – unabhängig davon, ob Demokraten oder Republikaner die Mehrheit im Kongress stellten.
Wie weit noch?
Es ist kaum zu erwarten, dass selbst die vorsintflutlichsten Gesetzgebungskörperschaften einzelner Bundesstaaten versuchen würden, in bestehende Ehegesetze einzugreifen. Wahrscheinlich wäre eine Vorgehensweise, die Bezirksverwaltungsbeamt:innen per Beschluss ermächtigt, gleichgeschlechtliche, „rassenübergreifende“, interreligiöse oder jegliche andere von ihnen unerwünschte Ehen auf der Grundlage ihres „persönlichen Gewissens“ zu verweigern.
Organisationen wie der American Legislative Exchange Council (ALEC)[xvii] geben gerne Tipps, wie viel Doppelmoral das Oberste Gericht durchgehen lässt. Letztendlich könnte sogar der Oberste Gerichtshof aufgefordert werden, den unsäglichen Defense of Marriage Act (Gesetz zur Verteidigung der Ehe)[xviii] aus der Ära Clinton wieder in Kraft zu setzen. Es wurde 2013 aufgehoben – also vor dem Siegeszug des frauenfeindlichen und der weißen Vorherrschaft verpflichteten Monsters.
Es erübrigt sich, alle unheilvollen Möglichkeiten aufzuzählen, denn die Liste ist endlos. Der Kreativität der reaktionären Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt, noch wird sie von der öffentlichen Meinung in die Schranken gewiesen. Frühere rechtliche und politische Normen und Regeln sind für null und nichtig erklärt worden.
Gerade bei der Verteidigung des Rechts auf Abtreibung geht es nicht darum abzuwägen, ob man „auf der Straße“ oder „in der Legislative“ oder „an der Wahlurne“ oder „durch zivilen Ungehorsam“ aktiv sein soll. Wir müssen überall sein.
Es kann gar nicht oft genug betont werden, wie weit elementare Grundrechte beschnitten werden können, wenn den Angriffen nicht energischer Widerstand entgegen gesetzt wird. Der juristische Coup der Rechten mag zwar mit den jahrzehntelangen Bemühungen um die Aufhebung von Roe v. Wade begonnen haben, aber wird definitiv nicht damit enden.
24. Juni 2022
Quelle: Against the Current, Detroit, Nr. 219, Juli/August 2022, https://againstthecurrent.org/atc219/the-rightwings-supreme-court-coup/
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt und bearbeitet von
EF. Die meisten Anmerkungen sowie durch eckige Klammern kenntlich gemachte
Erläuterungen stammen von der Übersetzerin, einige von dem redaktionellen
Bearbeiter.
Siehe auch: Shui-yin Sharon Yam, „Beyond Choice: Why
We Need Reproductive Justice“, https://againstthecurrent.org/beyond-choice-why-we-need-reproductive-justice/
[i] Roe versus Wade war eine Grundsatzentscheidung zum Abtreibungsrecht, die der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten (Supreme Court) am 22. Januar 1973 fällte. Der Entscheidung zufolge verletzte ein Strafgesetz des US-Bundesstaats Texas zum Schwangerschaftsabbruch das verfassungsmäßige Recht einer Frau, über Abbruch oder Fortführung ihrer Schwangerschaft selbst zu entscheiden. Die Benennung des Falls ergibt sich aus dem anonymisierten Namen der klagenden Frau (Jane Roe) und dem Namen eines texanischen Bezirksstaatsanwalts (Henry Wade), gegen den sich die Klage aus formalen Gründen richtete. Anfang der 1970er Jahre galten ähnliche Gesetze wie in Texas in der Mehrheit der Bundesstaaten. Grundsätzlich gab die Entscheidung Roe v. Wade Frauen das Recht, über Abbruch oder Fortführung einer Schwangerschaft zu entscheiden. Am 24. Juni 2022 wurde Roe v. Wade durch den Obersten Gerichtshof in einer 5-zu-4-Entscheidung aufgehoben. Mangels eines umfassenden Bundesgesetzes können die Bundesstaaten nunmehr selbst über die Legalität von Schwangerschaftsabbrüchen entscheiden. (Nach https://de.wikipedia.org/wiki/Roe_v._Wade)
[ii] Samuel Anthony Alito Jr. (Jg. 1950) ist seit 2006 Richter am Obersten Gerichtshof. Er wurde von George W. Bush nominiert.
[iii] Der 1789 gegründete und in der Verfassung
verankerte „Supreme Court of the United States“ wird USSC oder SCOTUS
abgekürzt.
Als „White Supremacy“ (weiße Vorherrschaft oder Überlegenheit der Weißen)
werden im englischsprachigen Raum rassistische Ideologien bezeichnet, welche
auf der Annahme beruhen, dass Menschen mit europäischen Vorfahren (Weiße)
anderen Menschen prinzipiell überlegen seien und ihre privilegierte Stellung
daher gewährleistet werden müsse. Der Begriff wird auch zur Beschreibung eines
politischen, kulturellen und sozialen Systems verwendet, in dem Weiße
wirtschaftliche Ressourcen und Macht kontrollieren und Nicht-Weiße von
alltäglichen Rassismuserfahrungen betroffen sind. (Nach https://de.wikipedia.org/wiki/White_Supremacy)
[iv] Thurgood Marshall (1908‒1993) war der erste afroamerikanische Richter am Obersten Gerichtshof (1967 bis 1991).
[v] Ruth Bader Ginsburg (1933‒2020) war von 1993 bis zu ihrem Tod Beisitzende Richterin am Obersten Gerichtshof, sie wurde von den Demokraten nominiert und galt als Vertreterin des liberalen (progressiven) Flügels im Supreme Court.
[vi] Der Oberste Gerichtshof besteht aus neun Höchstrichtern.
[vii] Die 1982 gegründete Federalist Society ist eine
konservative Juristenvereinigung, die der Republikanischen
Partei nahesteht. Von den neun Mitgliedern des Obersten
Gerichtshofs sind fünf derzeitige oder ehemalige Mitglieder dieser
Organisation: Brett Kavanaugh, Neil Gorsuch, Clarence Thomas, Samuel Alito und
Amy Coney Barrett.
Präsident Donald Trump ernannte N. Gorsuch, B. Kavanaugh und Amy Coney Barrett.
[viii] Clarence Thomas (Jg. 1948) wurde 1991 von Präsident George Bush als Nachfolger von Thurgood Marshall als Richter am Obersten Gerichtshof nominiert; er wird dem konservativ-reaktionären Flügel zugeordnet.
[ix] Anita Faye Hill (Jg. 1956) ist Juristin, Hochschullehrerin und Frauenrechtlerin. 1991 beschuldigte sie Clarence Thomas der sexuellen Belästigung in der Zeit, als er ihr Vorgesetzter war; ihre Beschuldigungen erregten großes öffentliches Aufsehen. Sie wurde der Falschaussage bezichtigt, öffentlich vernommen und 1999 von der University of Oklahoma Law School entlassen.
[x] Die Richter:innen des Supreme Court werden von dem Präsidenten nominiert, vom Senat bestätigt und danach auf Lebenszeit ernannt.
[xi] Brett Michael Kavanaugh (Jg. 1965) wurde 2018 von Donald Trump für den Obersten Gerichtshof nominiert.
[xii] Als Filibuster wird die Taktik einer Minderheit in einem Parlament bezeichnet, durch Dauerreden oder die bloße Androhung von Dauerreden eine Beschlussfassung durch die Mehrheit zu verhindern oder zu verzögern. Dabei wird hinter den Kulissen meist zugleich versucht, Überzeugungsarbeit bei einzelnen Abgeordneten der Mehrheitsfraktion gegen den Beschluss zu leisten. Der Filibuster ist kein neues Phänomen, sondern geht auf die römische Tradition der Ermüdungsrede zurück. Im deutschen Sprachraum ist der verallgemeinerte Begriff der Filibusterei eingesickert, der jede zermürbende Abstimmungstaktik bezeichnet. (Nach https://de.wikipedia.org/wiki/Filibuster)
[xiii] Neil McGill Gorsuch (Jg. 1967) wurde 2017 von Donald Trump für den Obersten Gerichtshof nominiert.
[xiv] Die Planned Parenthood Federation of America (PPFA) bietet bundesweit in über 650 Kliniken medizinische Dienste an. Dazu gehören Schwangerschaftstests und Schwangerschaftsbegleitmaßnahmen, bestimmte Krebsvorsorgeuntersuchungen, Tests auf sexuell übertragbare Erkrankungen und deren Behandlung, Verhütungsmittel und Schwangerschaftsabbrüche. Gegen PPFA-Kliniken wurden immer wieder Angriffe – teilweise mit Todesopfern – verübt, darunter Bombenanschläge, Brandstiftung und Verwüstungen. (Nach https://de.wikipedia.org/wiki/Planned_Parenthood)
[xv] Neben dem Obersten Bundesgericht existieren auf Ebene der Bundesstaaten ebenfalls Oberste Gerichtshöfe (State Supreme Courts).
[xvi] Medicaid (Medical Assistance) ist ein Gesundheitsfürsorgeprogramm für Menschen mit geringem Einkommen, Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen in den USA, das von den einzelnen Bundesstaaten organisiert und paritätisch zusammen mit der Bundesregierung finanziert wird. Dem Erhalt von Medicaid-Leistungen geht eine Bedürftigkeitsprüfung voraus.
[xvii] Ziel der 1973 von konservativen Aktivisten gegründeten Non-Profit-Organisation ALEC ist die Erarbeitung von Gesetzesvorlagen mit rechtsgerichteten bzw. unternehmensfreundlichen Inhalten für US-amerikanische Bundesstaaten.
[xviii] Der Defense of Marriage Act (DOMA) ist ein Bundesgesetz aus dem Jahr 1996, das die Ehe als rechtliche Verbindung zwischen Mann und Frau definiert. Zur Bedeutung siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Defense_of_Marriage_Act.