Die Flugindustrie ist durch Vermeiden, Verteuern und Verlagern auf die Schiene drastisch zu reduzieren und rückzubauen: Kerosin und Flugtickets besteuern, Subventionen und Sozialdumping bei Airlines und Airports[1] stoppen, striktes Nachtflugverbot, umfassende Passagierrechte und demokratische Beteiligung der Bevölkerung.
Warum?
Pro Personenkilometer ist keine andere Art der menschlichen Fortbewegung so klimaschädlich wie das Fliegen[2]. Die CO2-Emissionen machen bei wachsendem Flugverkehr[3] weltweit über 5 %[4] der CO2-Gesamtemissionen aus. Nur eine Minderheit[5], vorwiegend aus Industrieländern kommend, nutzt immer öfter das Flugzeug, um möglichst schnell gewünschte Ziele zu erreichen. Resultat dieser Art sich fortzubewegen sind u.a. höhere Treibhausgas-Emissionen[6], die das weltweite Ökosystem ins Wanken gebracht haben. Nutzer und Verursacher müssen deshalb die vollen Kosten einschließlich der externen Kosten[7] tragen.
Um welche Kosten geht es?
Kerosin wird nach dem Energiesteuergesetz im gewerblichen Luftverkehr nicht besteuert und ist neben der Mehrwertsteuer die höchste und konstanteste Subventionierung im Flugverkehr. Inlandsflüge wurden auf diese Weise z.B. in 2017 um ca. 570 Mio. € und Auslandsflüge um ca. 8,1 Mrd. €[8] gefördert. Die Mehrwertsteuerbefreiung[9] für internationale Flüge betrug 2017 ca. 4,2 Mrd. €[10].
Deutschlands Flughafenkapazität[11] ist überdimensioniert, der Flächenverbrauch ist viel zu hoch[12]. Da mindestens die Hälfte der Regionalflughäfen überflüssig[13] sind, sind diese abzuwickeln, zumal die wenigsten von ihnen, meist im Eigentum der öffentlichen Hand, schwarze Zahlen[14] schreiben. Die restlichen konnten so gut wie noch nie Gewinne erwirtschaften und die Corona-Pandemie dürfte diese Situation in absehbarer Zeit nicht verbessern. Aus diesem Grunde werden sie aus Steuergeldern mit Millionenbeträgen[15] am Leben erhalten, z.B. in Form von Verlustübernahmen sowie Betriebskosten- und Investitionszuschüssen, indirekte Subventionen wie Steuerbefreiungen sowie Garantien und Bürgschaften, die Kreditkosten deutlich senken[16]. Diese Gelder fehlen für eine sozial-ökologische Verkehrswende. Deshalb sind Forderungen nach einem weiteren Ausbau von Start- bzw. Landebahnen abzulehnen.
Direkte Subventionen von deutschen Airlines durch den Staat runden das Bild der permanenten Förderung der Luftverkehrswirtschaft ab. Beispielhaft sei hier die Lufthansa genannt, die 2020 ca. 9 Mrd. € staatliche Hilfen[17] erhielt, so viel wie keine andere Airline. Oder die Bereitstellung von 1 Mrd. € für den Kauf von neuen Flugzeugen[18].
Im Gegensatz hierzu wirkt die 2011 eingeführte Luftverkehrssteuer wie ein Feigenblatt. Sie sollte ein „Gleichgewicht“ zu anderen Verkehrsmitteln herstellen, da diese bereits mit einer Energiesteuer belastet waren. Bei Einnahmen von 1,188 Mrd. € in 2019[19] ist das ein lächerlicher Betrag, den Fluggesellschaften aber zu viel[20]. Ob der Rückgang der Passagierzahlen[21] im Inlandsflugverkehr auf die beabsichtigte ökologische Lenkungswirkung dieser Steuer zurückzuführen ist, ist fraglich.
Die Inlandsflüge – jeder siebte Flug in Deutschland – sind nur mit knapp 69 %[22] ausgelastet. Fast die Hälfte dieser Flüge entfiel auf Distanzen zwischen 400 und 500 km, rund 41.000. Dreiviertel der Flüge bis 1.000 km waren grenzüberschreitende Flüge.[23] Diese Flüge könnten, ohne großen Zeitverlust auf die Schiene verlagert werden.[24] Ein nicht unerheblicher Teil dieser Flüge entsteht durch Geschäftsreisen. Hier müssen z.B. Reisekostenabrechnungen durch steuerliche Belastungen weniger attraktiv gemacht werden[25]. Dieser Prozess muss durch einen zügigen Ausbau eines europäischen Bahnnetzes mit Taktverkehr zwischen den Hauptstädten unterstützt werden. Deshalb: Flüge unter 1.000 Kilometern auf die Schiene verlagern!
Neben dem Passagierflugverkehr trägt die Luftfracht, die teilweise den Passagierflugzeugen zu geladen wird, einen nicht unbedeutenden Anteil am Luftverkehrsaufkommen bei[26]. Und dieser scheint weiter zu wachsen, denn z.B. unterstützt durch E-Commerce-Geschäfte versuchen die Unternehmen immer schneller ihre Profite zu realisieren[27].
Gut ein Fünftel[28] der Bevölkerung fühlt sich durch Fluglärm belästigt. Diese Lärmquelle hat erhebliche negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen. Schlaf- und Kommunikationsstörungen, erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Leistungsbeeinträchtigungen und Entwicklungsverzögerungen können die Folge sein. Nur ein striktes Nachtflugverbot zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr sowie eine Reduzierung des Flugbetriebes von 20:00 Uhr bis 22:00 Uhr kann hier Abhilfe schaffen. Darüber hinaus müssen Lärmminderungskonzepte, unter Beteiligung der betroffenen Menschen, entwickelt und lärmabhängige Flughafenentgelte erhoben werden.
Neben Lärmbelästigungen wirken auch die ausgestoßenen Schadstoffe wie z.B. Feinstaub, Stickoxide, Kohlenwasserstoffe sowie organische Kohlenwasserstoffe auf Mensch und Umwelt. Die an einigen Flughäfen erhobenen schadstoffabhängigen Start- und Landeentgelte müssen bundesweit eingeführt und erhöht werden, damit eine wirksame Lenkungswirkung eintritt. Darüber hinaus ist ein bundesweites Monitoring zu diesen Schadstoffen zu erstellen.
In der Luftverkehrsbranche herrscht ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb zulasten von Mensch und Ökologie, dem sich allerdings nicht nur Billigflieger verschrieben haben. Dieser Kampf um größeren Markteinfluss erfolgt z.B. durch Lohndumping und Kürzungen der Sozialstandards, nicht nur des fliegenden, sondern auch des Bodenpersonals[29]. Personalmangel, Arbeitsverdichtung, Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverhältnisse sind z.B. Folgen von Ausgliederungspolitik, die zu extrem unterschiedlichen Arbeitsbedingungen und zu schlechterer Bezahlung führen.[30] Dieser Konkurrenzkampf setzt sich fort in intransparenter Preisgestaltung, Beschneidungen der Fluggastrechte[31], engeren Sitzreihen oder das in Kauf nehmen von Lärm und Emissionen etc.[32]. Nicht unerwähnt bleiben darf die Lobbyarbeit, um bestehende Vorteile zu behalten oder neue zu erlangen. Meist wird in diesem Zusammenhang die Gefahr eines Arbeitsplatzabbaus an die Wand gemalt.
Dabei muss die Luftverkehrsbranche umgehend schrumpfen. Die Dekarbonisierung kann nicht vor diesem Gewerbe halt machen, denn es geht um den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit. Angebliche Alternativen[33] in vermeintlich „grüne“ Treibstoffe (z.B. Biomasse) sind keine Lösung, sondern schaffen neue ökologische und soziale Probleme[34]. Bahnbrechende technologische Innovationen sind derzeit nicht zu erwarten.[35] Kompensationsprojekte zeigen, dass selten tatsächlich Emissionen gemindert werden[36]. Konzepte der Dekarbonisierung bleiben damit fatale Illusion.[37]
Deshalb muss ein umfassender, gerechter Prozess zur Verkleinerung dieser Branche (Konversion) inklusive der militärischen Luftfahrt, unter Berücksichtigung der Interessen der Beschäftigten[38] erfolgen, der fair und demokratisch zu gestalten ist. Die Anzahl der Airports ist auf ein Minimum zu reduzieren, nicht benötigte Flugplätze und deren Infrastruktur sind zu renaturieren oder als Erholungs- und Freizeitparks umzuwidmen.
[1] Siehe auch: https://sand-im-getriebe.mobi/sofortprogramm-klimagerechtigkeit/
„Rückbau der Flugindustrie: Einführung einer Kerosinsteuer in mindestens der Höhe der Energiesteuer und einer pro Flug steigenden Vielflieger*innen-Abgabe; Verbot von Kurzstreckenflügen; Weitgehende Verlagerung des Flugverkehrs innerhalb der EU auf die Schiene bis 2025; Ausstieg der Bundesrepublik aus dem internationalen Abkommen CORSIA (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation); Emissionsreduktion statt Kompensation.“
Siehe auch: https://www.bund.net/zukunftsagenda/mobilitaetswende/
„Es braucht eine Verdoppelung des Verkehrsanteils auf der Schiene bis 2030, damit Deutschland auch überregional näher zusammenrückt. Bis dahin müssen Kurzstreckenflüge komplett auf die Schiene verlagert werden.“
[2] Die negative Klimawirkung des Flugverkehrs ist sechsmal höher als im Bahnverkehr.
[3] Zuwächse vor Pandemiebeginn
[4] Siehe: z.B. https://www.umweltbundesamt.de/corsia-klimaschutz-im-internationalen-luftverkehr
[5] keine 10 %
[6] Siehe: https://www.vcd.org/themen/flugverkehr/ „…die CO2-Emissionen des Flugverkehrs wachsen rasant. In Deutschland haben sie sich seit 1990 verdoppelt“ oder https://www.robinwood.de/schwerpunkte/flug. Dort heißt es sogar: „Die CO2-Emissionen im Luftverkehrssektor in Deutschland haben seit 1990 um mehr als neunzig Prozent zugenommen.“
[7] nach: https://www.focus.de/auto/news/grafik-externe-kosten-im-verkehr-fliegen-und-autofahren-kommt-teuer_id_11246656.html liegen die externen Kosten allein für den Inlandsflugverkehr bei 12,8 Cent pro Personenkilometer. Für den Hamburger Flughafen errechneten die „Bürger für die Reduzierung der Belastungen durch Luftverkehr die Lärmfolgekosten“ pro Jahr auf ca. 24,8 Millionen €.
siehe: https://www.baw-fluglaerm.de/studien-externe-kosten.html
[8] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2019-11-06_texte-130-2019_umweltschonender_luftverkehr_0.pdf
[9] Bei der Bahn ist der volle Mehrwertsteuersatz zu zahlen.
[10] siehe Anmerkung 8
[11] lt. Wikipedia: sind dies 38 Verkehrsflughäfen https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Verkehrsflugh%C3%A4fen_in_Deutschland
und 412 Verkehrs- und Sonderlandeplätze https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Verkehrs-_und_Sonderlandepl%C3%A4tze_in_Deutschland
sowie 39 Militärflugplätze https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Fliegerhorste_in_Deutschland siehe auch:
[12] Die beanspruchte Fläche liegt bei ca. 370 km², das ist ungefähr die Hälfte der Fläche von Hamburg. Siehe z.B.: Anmerkung 8
[13] https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/mobilitaet/mobilitaet_regionalflughaefen_studie.pdf
[14] Z.B. https://www.airliners.de/so-deutschlands-flughaefen-analyse/50454 oder https://www.steuerzahler.de/aktuelles/detail/regionalflughaefen/ usw.
[15] Allein für 14 Regionalflughäfen beliefen sich die Subventionen in 2018 auf mindestens 40 Millionen €. (Quelle siehe Fußnote 13)
[16] https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/mobilitaet/mobilitaet_regionalflughaefen_studie.pdf
[17] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/lufthansa-rettungspaket-regierung-101.html#:~:text=Der%20Staat%20hilft%20der%20Lufthansa,den%20Staat%20ein%20Gewinn%20sein Diese Gelder wurden ohne wirksame soziale oder ökologische Auflagen vergeben.
[18] https://www.aerotelegraph.com/berlin-subventioniert-neue-flieger-mit-einer-milliarde
[19] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/415181/umfrage/luftverkehrssteuer-in-deutschland-einnahmen/
[20] „Ryanair fordert staatliche Subventionen für Flughäfen“ wie airliners.de am 18. Januar 2022 meldete.
Siehe: https://www.airliners.de/ryanair-staatliche-subventionen-flughaefen/63412
[21] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/06/PD21_N037_46.html
[22] siehe z.B.: https://www.dfs.de/dfs_homepage/de/Presse/Publikationen/Mobilitaetsbericht2019_Web.pdf
[23] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/06/PD21_N037_46.html
[24] siehe auch: https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/mobilitaet/mobilitaet_ngo_luftverkehrskonzept.pdf z.B. „Fast 150.000 innerdeutsche und grenzüberschreitende Flüge könnten sofort, 200.000 mittelfristig, auf die Schiene verlagert werden.“
[25] https://www.germanwatch.org/sites/default/files/Klimaforderungen%20Umweltverb%C3%A4nde%20Flugverkehr.pdf
[26] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/895270/umfrage/ein-und-ausladungen-von-luftfracht-auf-deutschen-flughaefen/#:~:text=Die%20Statistik%20bildet%20die%20Luftfracht,2%2C8%20Millionen%20Tonnen%20Fracht.: 2021 wurden in Deutschland rund 2,6 Millionen Tonnen aus- und knapp 2,8 Millionen Tonnen Fracht eingeladen.
[27] siehe z.B.: https://logistik-heute.de/news/prognose-luftfracht-stellt-sich-auf-weiteres-wachstum-2022-ein-35603.html 2021 soll das Wachstum dieser Branche hiernach um ca. 5 % gestiegen sein. Und der Präsident des Aircargo Club Deutschland, Prof. Dr. Christopher W. Stoller, unterstreicht dies mit seiner Äußerung: „Die Digitalisierung, nachhaltiger Flugverkehr [?] sowie sich neu entwickelnde Kundenanforderungen hin zu mehr Schnelligkeit und noch stärkere Flexibilität“ müssen angegangen werden.
[28] https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/mobilitaet/mobilitaet_ngo_luftverkehrskonzept.pdf
[29] Laut: https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/mobilitaet/mobilitaet_ngo_luftverkehrskonzept.pdf behandelt Ryanair Piloten und Bordpersonal als Subunternehmer, die nur verdienen, wenn sie fliegen. Des Weiteren z.B. „Druck auf Beschäftigte in Frankfurt erhöht – Missbrauch von Kurzarbeit befürchtet“ siehe: https://www.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++569bca5a-7f67-11ec-925e-001a4a16012a
2018 gab es einen Aktionstag gegen schlechte Arbeitsbedingungen vom Flughafen-Bodenpersonal siehe: https://www.welt.de/newsticker/news1/article181725690/Arbeitnehmer-Aktionstag-gegen-schlechte-Arbeitsbedingungen-von-Flughafen-Bodenpersonal.html
[30] siehe z.B.: https://verkehr-hamburg.verdi.de/++file++5ef0de00cbafb74a41e2bfb0/download/Offener-Brief-Flughafen-Stand-190520.pdf
[31] siehe z.B.: Https://www.flightright.de/flugjahr-2021
[32] siehe gesonderten Abschnitt zur Gesundheit
[33] siehe z.B.: https://www.klimaschutz-portal.aero/klimaneutral-fliegen/alternative-kraftstoffe/
[34] siehe z.B.: https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/mobilitaet/mobilitaet_ngo_luftverkehrskonzept.pdf oder https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/mobilitaet/mobilitaet_flugverkehr_klimaforderungen_umweltverbaende.pdf
[35] https://de.stay-grounded.org/
[36] Siehe auch: https://www.sueddeutsche.de/reise/fluege-papst-co2-kompensation-fuer-flugreisen-ist-heuchelei-1.3364175
[37] Siehe z.B.: https://stay-grounded.org/wp-content/uploads/2019/02/Gruenes-Fliegen.pdf
[38] z.B. durch soziale Absicherung, Umschulungen usw.