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Sozialismus und Enteignungen

Thesen von Juso Kevin Kühnert mit der SPD niemals umsetzbar

Von Horst H. | 05.05.2019

Juso-Chef Kevin Kühnert hat mit einem Interview in der Wochenzeitung „Die Zeit“ Schlagzeilen produziert. Ungewollt wurde dabei sichtbar, was 30 Jahre Neoliberalismus im Bewusstsein der Polit- und Medienkaste anrichten können. Ja, er hat viel Häme auf sich gezogen, auch aus der SPD, seiner eigenen Partei. Zwei Vorschläge von ihm standen dabei im Fokus: Die Kollektivierung von Großkonzernen wie BMW. Und ein radikaler Eingriff in den Wohnungsmarkt: Jede*r solle nur noch die Wohnung besitzen dürfen, in der er auch tatsächlich wohne, hatte Kühnert gesagt.

Schockierend, wie schablonenhaft die darauf folgenden öffentlichen Reaktionen in Politik und Medien erfolgen. Kühnerts Vorschläge sind durchaus ein diskussionswürdiger Beitrag zum Umgang mit der vom Neoliberalismus verursachten Misere auf allen gesellschaftlichen Feldern. Wir fragen uns allerdings, wie diese gesellschaftliche Alternative – „demokratischer Sozialismus“ genannt – aussehen soll und wie er nach Kühnerts Auffassung zu erreichen sein könnte.

An diesem Punkte unterscheiden wir uns sicherlich stark vom Juso-Chef, weil wir in der SPD kein Instrument zur gesellschaftlichen Veränderung sehen. Dies nicht nur wegen der von ihr praktizierten Politik, sondern vor allem wegen der Funktionsweise dieser völlig bürokratisierten Organisation, die von wenigen Top-Manager*innen in völlig undemokratischer Weise geleitet wird.

Wir meinen, dass wir eine neue kämpferische Organisationsform benötigen, die sich durch ihre innere demokratische Verfasstheit ständig vergewissern kann, was ihre nächsten Schritte sein müssen, um den Menschen Mut zur Selbstermächtigung zu machen. Die in der SPD gepflegte Mentalität der Nachschleicherei hinter großen Politakrobat*innen halten wir dagegen für völlig kontraproduktiv.

Ebenso lehnen wir die Mauschelpolitik von Cliquen und Seilschaften in linken Organisationen ab, weil damit politisch unterschiedliche Auffassungen sich nicht deutlich artikulieren können. Dadurch wirken sie sich schädlich auf die Organisationsqualität aus. Unterschiedlichen Auffassungen müssen sich in einer solidarischen Weise miteinander messen können und der Mitgliedschaft der Organisation transparent und klar sein. Das beinhaltet eine permanente politische Debatte in den Reihen der eigenen Organisation.

SPD kein Instrument gesellschaftlicher Veränderung

Wir sind uns klar darüber, dass wir damit einen Anspruch formulieren, der massive Widerstände nicht nur in der SPD hervorruft. Aber nur so kann die Wucherung bürokratischer Stellvertreter*innenpolitik tendenziell abgewehrt werden.

Nach den vergangenen Erfahrungen mit „Sozialismen“, die die Bevölkerung zu Vollstrecker*innen von Beschlüssen weiser Männer (Frauen waren da eher selten zu finden) degradierten und zu Erziehungsanstalten für das „Parteivolk“ mutierten, scheint uns diese Vorgehensweise unabdingbar zu sein. Die marxsche Definition von Sozialismus aus dem Kommunistischen Manifest zur Schaffung einer „Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist“ formuliert eine Zielsetzung, die damit die Fragen der Partei, der Führungsauswahl, der Strategie und der Teilziele zu Mitteln zur Erreichung dieses Zieles macht.

Dies gilt für die Funktionsweise von Parteien ebenso wie für gewerkschaftliche Kämpfe allgemein. Geraten diese Ziele demokratischer Selbstregierung und demokratischer Kontrolle aus den Augen, so fehlt unseres Erachtens der linke Kompass und Sozialist*innen geraten ins Räderwerk von herrschenden Machtinteressen. Darum ist für uns die Möglichkeit der menschlichen Emanzipation an die Revolution gekoppelt, was uns sicherlich von Kevin Kühnert unterscheidet. Trotzdem freuen wir uns darüber, dass eine ernsthafte Debatte über die Überwindung dieses tödlichen Systems auch in der SPD beginnen könnte.

Vielleicht wird es ja dann noch etwas mit einem menschenwürdigen Leben jenseits der vorherrschenden Barbarei.

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