Wie lange noch dieser Betrug mit der „olympischen Flamme“?

Erster Fackellauf Foto: Unbekannt, cc-by-sa

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Olympia

Wie lange noch dieser Betrug mit der „olympischen Flamme“?

Von Giorgos Mitralias | 25.07.2024

Die angeblich antike Tradition der Entzündung der olympischen Flamme wurde erst 1936 erfunden. Wann ist endlich Schluss mit dieser Erfindung von Herrn Goebbels?

Voller Nationalstolz verpassen die griechischen Medien, unterstützt von den lautsprecherischen Behörden des Landes, nicht die Gelegenheit, diese Rekonstruktion einer Nazi-Zeremonie, nämlich die sogenannte „Zeremonie der Entzündung der olympischen Flamme“ in Olympia … als Beweis für die Größe und historische Kontinuität der griechischen Nation zu darzustellen. Und mit ihr auch ihre Requisiten zu präsentieren, wie zum Beispiel „die erste olympische Fackel“, die, wie wir lesen, dem Bürgermeister von Marathon übergeben wurde, „bei einer großartigen Zeremonie, die einen symbolischen Fackellauf von der Startlinie des historischen Marathons bis zum Marathonlauf-Museum beinhaltete“.

Ein bedeutsames Detail, das natürlich systematisch verschwiegen wird, weil es … als „nationales Geheimnis“ betrachtet wird: diese von Goebbels inspirierte und von Krupp hergestellte „erste Fackel“ wurde in Olympia mit einer bis heute unveränderten Choreografie von Hitlers offizieller Regisseurin, der berüchtigten Leni Riefenstahl, entzündet. Man muss feststellen, dass diese „erste Fackel“ 1936 sehr schwierige Momente erlebte, als tschechische Bürger die deutschsprachigen Träger der Flamme, die ihr Land durchquerten, mit Steinen bewarfen, denn es war offensichtlich, dass der Weg, dem sie folgten, die Konturen des großen Dritten Reiches markierte, das vier Jahre später alptraumhafte Realität werden sollte. Anscheinend wussten diese tschechischen Bürger:innen von 1936 im Voraus, was die griechischen Medien und die Behörden unseres armen Landes heute immer noch ignorieren. Deshalb warten wir seit Jahrzehnten sehnsüchtig auf den Moment, in dem diese Flamme unwiderruflich erlischt: ganz einfach, weil „die olympische Flamme“ „eine wunderbare Idee von Dr. Goebbels“ ist, wie der ganzseitige Titel der griechischen Tageszeitung Estia im August 1936 treffend sagte …

Die „wunderbare Idee von Dr. Goebbels“

Von welchen antiken Vorfahren, jungfräulichen Priesterinnen, heiligen Flammen und anderen Märchengeschichten spricht man also? All dieser Unsinn, den der gesamte griechische Staat und sein politisches Personal, einschließlich 9 von 10 seiner offiziellen Intellektuellen, uns gelehrt haben, dass er direkt aus der Tiefe der Antike käme, feiert dieses Jahr erst seinen … 88. Geburtstag! So konnte man Ende Juli 1936, kurz vor der Eröffnung der Olympischen Spiele des siegreichen Nationalsozialismus in Berlin, in den griechischen Zeitungen Artikel mit den üblichen patriotischen und epiko-lyrischen Akzenten lesen, die Leni Riefenstahl und ihre „Zeremonie der Entzündung der olympischen Flamme“ feierten, von denen wir hier einige erbauliche Auszüge wiedergeben:

„Als Olympia erwachte, als die Sonne hinter dem konischen und grünen Berg Kronios aufging und das Wasser des Kladeos und des Alpheios versilberte, nahmen die Menschen, die unter der sengenden Sonne des 20. Juli 1936, einem historischen Tag, litten, jeweils ihren Platz ein: einige unter den Kiefern des Kronios, andere rund um die Tore des Place Coubertin. Und sie warteten von der Nacht bis zu dem Moment, als vom Hügel des Kronios- das Signal für den Beginn der Zeremonie gegeben wurde. Weit früher, schon am Morgen, hatte eine wunderbare Frau – Leni Riefenstahl – ihre Filmcrew mitgenommen und an der Startlinie des antiken Stadions selbst das Entzünden der olympischen Flamme inszeniert. Dann demonstrierte sie im Tempel der Hera ihr Genie als Regisseurin. Sie nahm Koula Pratsika[1] und ihre Eleven, fand sofort einen deutschen Schauspieler, nämlich ihren Kameramann – denn Kondyllis, der erste Läufer, war keineswegs bereit, stramme Unterhosen zu tragen wie in der Antike; sie zog ihn aus, machte ihn zum Läufer, zündete auf dem behelfsmäßigen Altar aus einer Säulentrommel getrocknete Kräuter vom heiligen Hain Altis an, stellte die Geräte ein und drehte den Film, wobei sie Ratschläge, Befehle, Anweisungen gab. Zehnmal drehte sie das Gleiche, den Start mit der Fackel des ersten Läufers. Der Deutsche war buchstäblich gebraten und der Schweiß floss in Strömen. Riefenstahl warf ihm ein Handtuch zum Abwischen hin und begann erneut mit dem Drehen.

(…) In dem Moment, in dem dies auf dem Place Coubertin geschieht, findet an der Startlinie des antiken Stadions ein schönes Ritual statt. Die lichttragenden Jungfrauen der Pratsika nehmen das olympische Licht der Sonne auf. Sie sind ganz allein. Niemand darf der Entzündung beiwohnen. Und tatsächlich durfte bei dieser Zeremonie, die Leni Riefenstahl bereits am Morgen bei den Proben gefilmt hatte, niemand anwesend sein, nur Phoebus und die griechischen Jungfrauen, die Feuerspenderinnen, sollten der göttlichen Zeremonie beiwohnen.

(…) Dies ist der emotionalste Moment. Alle schauen mit Bewunderung und Respekt, schweigend. Das olympische Licht wird übertragen. Der junge Kondyllis aus Olympia geht durch die Töchter des Lichts und zündet die Fackel am Altarfeuer an. Das ist der Moment, auf den alle gewartet haben. Es ist unmöglich, dass die Körper aller nicht zum Stillstand gekommen sind, dass ihr Atem nicht für einen Moment stehen geblieben ist, dass ihre Münder nicht verstummt sind. Die Sonne, eine silberne, sengende Sonne, umspült die ganze grüne, idyllische Erde Olympias. Der junge Kondyllis, halb nackt, von der Sonne verbrannt, hat gerade die erste Fackel angezündet, und er rennt … er rennt und hält sie in der Luft. Die Menge brach in Applaus und Bravo aus.

In einem Augenblick umrundet er die Umgehungstraße des Kronios und eilt davon, um mit der heiligen Flamme von Olympia das olympische Licht zu übertragen – die ewige griechische Kultur der Heldentat und des Geistes.“[2]

Wie es heute aussieht, eine Hollywood-Show, inszeniert von der offiziellen Regisseurin der NSDAP-Zeremonien, Leni Riefenstahl, nach einer Idee von Dr. Goebbels, die von Reichskanzler Hitler gutgeheißen wurde![3]

Der ehrenwerte Baron

Wenn es so ist, könnten die griechischen Verantwortlichen dies (endlich!) laut sagen, was sie ständig ausblenden. Aber auch dann würden sie natürlich zum Gegenangriff übergehen: das bedeute nicht notwendigerweise, dass der gesamte Olympismus verfault sei, dass die olympische Idee des Barons von Coubertin nicht mehr gültig sei und uns nicht inspirieren dürfe.

Sprechen wir also über den „Vater“ des Olympismus, den Inspirator und Begründer der modernen Olympischen Spiele, Coubertin, dessen Name die Straßen und Plätze der ganzen Welt und vor allem unseres Landes Griechenland schmückt. Wir sagen es gleich zu Beginn: Unser guter Baron war ein ausgesuchter Rassist, Militarist, Reaktionär, Kolonialist, Frauenfeind und rechtsextremer Kriegstreiber (mit offensichtlichen Nazi-Sympathien), neben dem ein Donald Trump oder seine Mitkämpferin Marine Le Pen eine blasse Figur machen! Hier ist eine kleine Anthologie seiner „Glaubensbekenntnisse“, formuliert vom Baron selbst, der sein ganzes Leben lang nie aufhörte, sich als „fanatischen Kolonialisten“ und Unterstützer aller Ungleichheiten (von Klasse, Rasse und Geschlecht) zu bezeichnen – der er auch war:

  • „Rassen sind nicht gleichwertig und alle anderen müssen der weißen Rasse die Treue schwören, die von Natur aus überlegen ist.“
  • „Es gibt zwei verschiedene Rassen: die der ehrlichen Leute, mit starken Muskeln, mit einem sicheren Gang, und die der Kranken, mit einer demütigen und verzweifelten Haltung, mit einem besiegten Blick. Also, in den Schulen wie in der Welt: Die Schwachen werden beiseitegeschoben; Bildung kann nur von den Starken geschätzt werden.“
  • „Kommen Sie nicht und sprechen Sie mit uns über Spiele, an denen Frauen, Jugendliche, kurz die Schwachen, teilnehmen können“
  • „Der einzig wahre olympische Held ist das männliche Individuum. Olympiaden von Frauen sind undenkbar. Sie wären uninteressant, unästhetisch und falsch. Bei den Olympischen Spielen sollte ihre Rolle vor allem darin bestehen, wie bei den früheren Ritterturnieren, die Sieger zu krönen.“
  • „Die überlegene Rasse hat jedes Recht, der minderwertigen Rasse bestimmte Privilegien des zivilisierten Lebens zu verweigern.“
  • „Der junge Athlet fühlt sich sicherlich besser vorbereitet als seine Vorfahren, in den Krieg zu ziehen. Und wenn wir auf etwas vorbereitet sind, tun wir es bereitwilliger.“
  • „Ich danke der Regierung und dem deutschen Volk für ihren Einsatz zu Ehren der elften Olympiade […] Wie können Sie von mir erwarten, dass ich auf die Feier der elften Olympiade verzichte, wo doch (…) diese Apotheose des Nazi-Regimes der emotionale Schock war, der es den Olympischen Spielen erlaubte, sich zu entwickeln?“

Daher war es nur natürlich, dass Hitler kurz darauf de Coubertin für … den Friedensnobelpreis vorgeschlagen hat!

Epilog

All dies ist jetzt allen bekannt, und wir machen uns keine Illusionen, dass historische oder andere Argumente die Machthaber „überzeugen“ können, dem größten Betrug der letzten beiden Jahrhunderte ein Ende zu setzen. Wenn irgendetwas dieser – unglaublichen und doch wahren – „olympischen“ Mischung aus Nazi- und Kommerz-Zirkus von Korruption und Entfremdung ein Ende setzen kann, dann ist es allein die Bewegung von Bürgern aus Fleisch und Blut. Schließlich lässt sich nichts auf Lügen und Betrug aufbauen …

Quelle: Inprecor


[1] Diese griechische Tänzerin wurde als Darstellerin der olympischen Hohepriesterin ausgewählt – siehe https://www.hoc.gr/en/koula-pratsika/ – Anm. d. Üb.

[2] Zeitung Vradyni, 21.7.1936

[3] Für einen Film von den Dreharbeiten des Riefenstahl-Films siehe Youtube; ein Bericht (mit Fotos) erschien bei LIFO (beides auf Griechisch). Die Idee für den Fackellauf ging ursprünglich auf den Archäologen Alfred Schiff zurück, dessen Beitrag wegen seiner jüdischen Herkunft von den Nazis aber totgeschwiegen wurde – Anm. d. Üb.

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