Schwere Niederlage für eine mehr denn je gespaltene Linke

Griechischer Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, 2022 Foto: EPP, CC BY 2.0

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Wahl in Griechenland

Schwere Niederlage für eine mehr denn je gespaltene Linke

Von Andreas Sartzekis | 27.05.2023

Die Parlamentswahlen vom 21. Mai haben alle Prognosen widerlegt: Es war eine hohe Wahlenthaltung erwartet worden, aber sie war nicht höher als im September 2015 und 2019. Syriza wurden sehr geringe Siegchancen eingeräumt, doch man erwartete einen Abstand von maximal 7 Prozentpunkten zwischen Mitsotakisʼ Neuer Demokratie (ND) und Syriza ‒ jetzt aber beträgt er 20 Prozentpunkte, bei einem überwältigenden Sieg von ND mit ca. 40,7 % (39,8 % im Jahr 2019) und sehr beunruhigenden Verlusten von Syriza, die von 31,5 % auf 20 % fällt und dabei ca. 600 000 Stimmen verliert. Auch wenn ND knapp an der absoluten Mehrheit der Sitze vorbeischrammt, ist es an diesem Sonntagabend (Endergebnisse müssen noch bestätigt werden) am wahrscheinlichsten, dass sie eine Koalitionsregierung ablehnen wird und Neuwahlen Anfang Juli stattfinden werden, bei denen [nach dem neuen Wahlrecht] die stärkste Partei einen Bonus von bis zu 50 Abgeordneten erhält.

Erste Schlussfolgerungen

Zwar hat die ultraliberale Kahlschlagpolitik der ND Wut und Mobilisierungen in der Bevölkerung hervorgerufen und ihre Angriffe auf die demokratischen Rechte sind äußerst beunruhigend. Wichtige Triebfeder für ihren Sieg waren offensichtlich ihre Kontrolle über die meisten großen Medien und eine rassistische und von Lügen geprägte Kampagne (Tsipras wird als Komplize der Nazis dargestellt … von einer Regierung, der faschistische Minister angehören). Ein entscheidendes Element war jedoch die aktive Spaltung der Linken, die vor allem auf Syriza feuerte und sich systematisch gegenseitig beschuldigte, wobei sie den sozialen Kahlschlag der ND in den Hintergrund rückte.

Syriza ist die große Verliererin dieser Wahlen, da sie nur in einer einzigen Region an der Spitze steht, gegenüber einem Dutzend im Jahr 2019. Ein Teil ihrer Wähler:innen, die Pasok nach deren Bündnis mit der ND und einer faschistischen Partei zur Umsetzung der Memoranden den Rücken gekehrt hatten, scheinen zur Pasok zurückgekehrt zu sein, obwohl diese rechter denn je ist; sie konnte wieder etwas zulegen (11,5 % gegenüber 8,1 % im Jahr 2019). Es wird noch zu untersuchen sein, wohin all die verlorenen Stimmen gewandert sind; sicher ist aber, dass Syriza sich in der Opposition weiter enttäuschend verhalten hat und bei den Mobilisierungen kaum in Erscheinung getreten ist. Dennoch wird sie weiterhin als die wichtigste linke Partei wahrgenommen, die Nein zu Mitsotakis und ND sagt. Andererseits könnte dieses Ergebnis den organisatorischen Zusammenhalt von Syriza schwächen.

Zersplitterung der Linken

Die KKE (die Kommunistische Partei Griechenlands) zeigte sich am Wahlabend zufrieden, als ob das katastrophale Ergebnis den Angriff der extremen Rechten von Mitsotakis nicht verstärken würde. Zwar legt sie mit 7,2 % landesweit etwas zu (2019 bekam sie 5,30 %) und ist sie in den Arbeitervorstädten viel stärker, aber ihr Ziel, drittstärkste Partei zu werden, hat sie verfehlt, und vor allem zeigt sie keine andere politische Perspektive auf, als weiter für die KKE zu stimmen.

Wie erwartet worden war führt die 3 %-Hürde für den Einzug ins Parlament, die bei dieser Verhältniswahl beibehalten wurde, dazu, dass die nicht im Parlament vertretenen Stimmen von 8 % auf 15 % steigen. Mindestens 6 % sind linke Stimmen, die sich auf die Laiki Enotita (LAE, Volkseinheit), Mera25 (Yanis Varoufakis), Plefsi (Zoi Konstantopoulou) und andere Gruppierungen mit weniger als 1 % verteilen. Darunter sind auch unsere Genoss:innen von Antarsya, die mit 0,5 % ein Ergebnis erhalten, das in keiner Weise dazu beitragen wird, eine Dynamik für den Aufbau einer breiten antikapitalistischen Linken auszulösen. Angesichts des starken Rückgangs der gesamten Linken (ca. 43 % im Jahr 2019 ‒ 33 % im Jahr 2023) wäre solch ein Neustart notwendiger denn je.

Dringlichkeit eines Neustarts der Linken

Als Krönung des Ganzen sei das Ergebnis der faschistischen Gruppe Elleniki Lysi (Griechische Lösung) erwähnt: 4,5 %. Eine weitere faschistische Gruppe liegt bei knapp 3 % und andere bei weniger als 1 %, was zusammen mit dem Gewicht der extremen Rechten in ND ein äußerst bedrohliches Gesamtbild ergibt. Ein weiterer Grund dafür, dass die Linke sich vor den wahrscheinlichen Wahlen im Juli endlich als verantwortlich erweisen würde: Angesichts der harten neoliberalen Politik einer geschäftstüchtigen und repressiven Rechten, die mit der extremen Rechten verbunden ist, muss die selbstmörderische Spaltung durch gemeinsame Kampagnen, z. B. gegen die Abschiebung von Flüchtlingen oder gegen die Beschlagnahme der Wohnungen von kleinen Hausbesitzer:innen durch die Banken, beendet werden.

Athen, den 21. Mai 2023

Aus dem Französischen übersetzt von Wilfried

Andreas Sartzekis ist Mitglied der Gruppe TPT-4, die Teil der griechischen Sektion der Vierten Internationale sowie des antikapitalistischen Zusammenschlusses „Anametrisi“ ist, und der Griechenland-Korrespondent von L’Anticapitaliste, der Wochenzeitung der Neuen Antikapitalistischen Partei.

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