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Ökologie

Zurück in die Zukunft – Die Renaissance der Atomenergie?

Von Karl Lindt | 01.12.2004

Gerade in der letzten Zeit ist das Thema Atomenergie wieder etwas aus dem Schattendasein der europäischen Medien gestiegen.

Gerade in der letzten Zeit ist das Thema Atomenergie wieder etwas aus dem Schattendasein der europäischen Medien gestiegen. 

Grund dafür ist, dass das deutsch-französischen Firmenkonsortiums Framatome einen neuen Atomreaktor in Finnland baut und die Raffarin-Regierung die Realisierung eines AKW-Neubaus in Frankreich plant. Aber auch die russische Regierung setzt auf einen weiteren Ausbau der Atomenergienutzung.

Atomivoimaako? Ei Kiitos

Finnland ist das einzige Land in der Welt, das aktuell an der Konstruktion eines neuen Atomkraftwerktyps beteiligt ist. Die finnische Regierung entschied sich im Jahre 2002 für den Bau eines neues Reaktors, da sie aus Sicherheitsgründen keinen russischen Atomstrom importieren wollte. Ungeachtet aller Sicherheitsbedenken hat der finnische Energiekonzern Teollisuuden Voima Oy einen völlig ungetesteten Reaktor bei Framatome (Siemens und Areva) gekauft. Die vor Errichtung neuer AKW-Typen übliche Erprobung der neuen Technik durch den Bau von Prototypen hat nicht stattgefunden. Außerdem entspricht der Reaktor in seiner heutigen Form schon nicht mehr den aktuellen Sicherheitsstandards.
Wie eine Studie des bayrischen Landtages Ende Juni 2004 belegte, ist neben der amerikanischen JP Morgan, der französischen BN Paribas und der schwedischen Banken Nordea und Handelsbanken auch die Bayrische Landesbank an der Finanzierung dieses Projektes beteiligt.

Atomenergie als klimafreundliche Alternative?

Die derzeitige finnische Regierung beruft sich in der Debatte um ihr Atomprojekt u.a. auf die günstige Auswirkung der Kernkraft auf den Klimawandel. Ein Argument, das gerade nach der Verabschiedung des Kyoto-Protokolls (Klimaschutzabkommen der Vereinten Nationen) die AtomkraftbefürworterInnen für eine Renaissance der Kernenergie möchten. Es wird bei diesem Scheinargument aber bewusst unterschlagen, dass der nukleare Kreislauf (Abbau, Transport, Handhabung, „Entsorgung“) ebenso im erheblichem Maße Kohlendioxyd produziert wie z.B. Kohle-/Ölverstromung. Nur total veraltete Kohlekraftwerke produzieren bei der Energieerzeugung mehr CO2 als die Atomenergienutzung.
Der größte Zuwachs an klimaschädlichen Emissionen (90%) in den letzten 10 Jahren in der EU steht zudem in direkter Verbindung mit dem Transportwesen und ist eben nicht bedingt durch die Stromerzeugung. Durch den Bau eines neuen Atomkraftwerkes würde Finnland nicht nur sein Image in der bürgerlichen Öffentlichkeit als Vorreiter auf dem Gebiet des Umweltschutzes verlieren, sondern Ländern die zurzeit den Bau von neuen Kernkraftwerken planen wie z.B. Russland und Frankreich, signalisieren, dass Atomenergie immer noch eine zeitgemäße Form der Energienutzung ist.

Bald ein zweites Tschernobyl?

Gerade in Russland ist in letzter Zeit eine massive Förderung der Atomkraft beschlossen worden. So wurde der für 30 Jahre genehmigte Atomrektor „Leningradkaja“ 60 Kilometer westlich von Leningrad (St. Petersburg) nicht wie vorgesehen Anfang 2004 abgeschaltet, sondern erhielt vom russischen Atomministerium eine Verlängerung um bis zu 15 Jahre. Der ehemalige Chefinspekteur der russischen Atomaufsichtsbehörde und Green-Cross-Experte Wladimir Kusnezow warnt vor den Folgen dieser Entscheidung. Durch die veralteten Sicherheitsstandards im Reaktor und Aufgrund der Überalterung sei eine „ähnliche Katastrophe wie die in Tschernobyl […] jederzeit möglich“ (anti atom aktuell Nr.152).
Doch Russland möchte nicht nur „auf Hängen und Würgen“ versuchen, die schrottreifen Reaktoren in Betrieb zu halten. Um die von der Regierung geplante Ausweitung der Atomnutzung von heute 13% des Gesamtstromverbrauchs auf 30% im Jahre 2020 zu schaffen, sollen auch neue Kernkraftwerke gebaut werden. Im Gespräch dabei ist u.a. der o.g. EP-Reaktor. Nach Informationen des russischen stellvertretenden Energieministers Igor Borowkow reichen „die Uran- und Plutoniumvorräte aus, den Atomsektor über das Jahr 2030 hinaus stark auszubauen“ (aaa Nr.152). Da die Anti-AKW-Bewegung in Russland im Vergleich zu Westeuropa sehr klein und wenig handlungsfähig ist, scheint eine politische Verhinderung des Projektes kurz- bis mittelfristig nicht erreichbar zu sein. Die einzige Möglichkeit, dass diese Pläne nicht realisiert werden, ergibt sich eventuell aus der desolaten wirtschaftlichen Lage und der damit verbundenen niedrigen Investitionsrate im Atomsektor.

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