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Innenpolitik

WM der Sponsoren – Fußball Nebensache?

Von Anke Berg | 01.07.2006

Die meisten Arbeitskämpfe wurden beendet: Öffentlicher Dienst und Ärzte haben Tarifverträge abgeschlossen. Andere Arbeitskämpfe wurden gleich auf später verschoben. Im Schatten der Fußball-Weltmeisterschaft peitschen PolitikerInnen ohne größere Aufmerksamkeit weiteren Sozialabbau durchs Parlament. Dabei hat Fußball eine lange Geschichte. Zum Massensport wurde er vor 100 Jahren.

Die meisten Arbeitskämpfe wurden beendet: Öffentlicher Dienst und Ärzte haben Tarifverträge abgeschlossen. Andere Arbeitskämpfe wurden gleich auf später verschoben. Im Schatten der Fußball-Weltmeisterschaft peitschen PolitikerInnen ohne größere Aufmerksamkeit weiteren Sozialabbau durchs Parlament.

Dabei hat Fußball eine lange Geschichte. Zum Massensport wurde er vor 100 Jahren. Er spielte eine wichtige Rolle beim Zusammenschluss der (meist männlichen) Arbeitenden in den Städten. Sie suchten darin Ausgleich für die stupide Industriearbeit. Auch wenn viele das Männlichkeitsgehabe nie wirklich ablegten, so zeigten sie doch mit aller Lautstärke auf dem Spielfeld ihre kollektive Stärke und das Selbstbewusstsein der ArbeiterInnenklasse. Natürlich war dies nichts für die Herrschenden, die bis heute „blütenweißes“ Tennis oder Golf bevorzugen. Ihnen war Fußball ein Dorn im Auge. Sie versuchten, ihn zu behindern und zu kontrollieren.
Vom Massensport zum Kommerz
Vom guten alten Fußball ist heute wenig übrig. Die große Mehrheit der Fußballfans sind zwar immer noch ArbeiterInnen. Viele Vereine sind jedoch große Unternehmen geworden und versuchen, alles und jeden zu Geld zu machen. Stadien werden zu Konsumtempeln umgebaut und Fernsehrechte für gigantische Summen verkauft. Vereine gehen an die Börse. 52 Mio. Euro verdienten die Bundesligavereine in der letzten Saison. Davor waren es 86 Mio. Kein Wunder, dass im Interesse noch höherer Gewinne Spiele manipuliert werden und beim Einkauf von Spielern Unsummen Schwarzgelder fließen. So wie es kürzlich beim italienischen Rekordmeister Juventus Turin aufgeflogen ist.

Neuer Höhepunkt ist die WM, die 600 Mio. Euro kostet. Für eine Milliarde Euro haben TV-Sender Übertragungsrechte gekauft. Rund 800 Wörter und Abkürzungen wie „WM 2006“ ließ sich der Weltverband Fifa als Marke schützen. 21 Konzerne haben sich die Werberechte für 750 Mio. Euro gesichert. Gemeinsam Fußball gucken auf Großbildschirmen ist nur erlaubt, wenn der richtige Sponsor Geld gegeben hat. Vor den Fifa-Wächtern ist also nur auf der sicheren Seite, wer es sich allein auf seinem Sofa bequem macht. Aber Vorsicht: Nur mit Bitburger und Pommes von McDonalds!
Spielwiese für staatliche Überwachung
Die Mehrheit der Bevölkerung muss Einschnitte im sozialen Leben hinnehmen. Das reicht vom Verkehrsstau bis zur vermehrten Überwachung der Innenstädte durch Spezialkameras. Weil einige prügelnde Hooligans Randale machen, werden alle Fans gleichermaßen von der Polizei schikaniert und persönliche Daten gespeichert. So findet sich in der Datei „Gewalttäter Sport“ auch der fußballbegeisterte Familienpapi zwischen Hooligans wieder, Ausreiseverweigerung und Stadienverbot inklusive.

Seit Jahren kämpfen Fanclubs gleichermaßen gegen Randalierer und Polizeiwillkür. Aber der Staat setzt lieber auf Einschüchterung. Der Fan als Gegner – so könnte das Motto des WM-Sicherheitskonzeptes lauten. Eingekesselt von Polizeieinheiten müssen die einfachen ZuschauerInnen ihre Tickets mit persönlichem Datenchip zum Einlass vorzeigen. Wenn sie auf ihren Sitzen Platz genommen haben, werden sie von Dutzenden Videokameras überwacht. „Wir könnten von jedem der gut 60.000 Besucher ein Passbild anfertigen“, rühmt sich der Sprecher von Schalke 04. So wird die WM genutzt, um neue Überwachungstechnik auszuprobieren und uns an deren Präsenz zu gewöhnen.
„Deutschland ist wieder wer“
Dabei sind die Karten für Viele unerschwinglich. Schon seit Jahren werden die einfachen Fußball-Fans aus den Stadien gedrängt weil es immer weniger Stehplätze gibt und Sitzplätze teuer sind. Die Mehrheit verfolgt die Spiele vor dem Fernseher. Dem Patriotismus-Gedröhn um die deutsche Mannschaft ist dabei kaum zu entkommen. Natürlich spricht nichts dagegen, auch ihnen die Daumen zu drücken. Aber PolitikerInnen und Unternehmen erhoffen sich von den aufgebauschten Emotionen mehr: ein neues „Wir-Gefühl“ und mehr „Zuversicht in Deutschlands Stärke“. So setzen sie wie so oft auf die nationalistische Karte, um von sozialen Problemen abzulenken sowie wirtschaftlichen und militärischen Expansionen ideologisch den Boden zu bereiten.
Setzen wir gemeinsam dem nationalistischen und kommerziellen Spektakel echten Spaß entgegen! Auf dass die spielerisch beste Mannschaft gewinnen!

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