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Betrieb & Gewerkschaft

Welche Arbeit in den Gewerkschaften?

Von D.B. | 01.01.2005

Zwar gibt es einen nicht unbedeutenden Teil der Gesellschaft, der die Segnungen des Neoliberalismus ablehnt und in Teilbereichen auch dagegen angeht. Aber in der Gesamtkonstellation können die sozialen Bewegungen nur bedingt auf die Kräfteverhältnisse einwirken.

Soziale oder sonstige Teilbewegungen tragen zweifellos zur Bewusstseinsentwicklung bei, aber sie haben nicht die Kraft, um nennenswert auf die politischen Entscheidungen Einfluss nehmen zu können. Ihnen stehen schlicht zu wenige soziale und ökonomische Druckmittel zur Verfügung. Die Montagsdemos haben gezeigt, dass ein Aufschrei der Entrüsteten nur begrenzten moralischen Druck ausüben kann. Dann, wenn dieser moralische Druck den Herrschenden keine unmittelbare Gefahr bedeutet (weil keine unmittelbare Ausweitung auf die Betriebe droht), brauchen Kabinett und Kapital die Proteste nur aussitzen, sie tot laufen lassen.
Eine Bedrohung sind sie nicht, weil sie den sozialen Frieden an der entscheidenden Stelle der Verwertungskette nicht in Frage stellen können, nämlich bei der Ausbeutung der Ware Arbeitskraft. Ein schlüssiges Gegenkonzept zur kapitalistischen Organisierung der Gesellschaft steht und fällt damit, dass zu allererst eine realistische Perspektive zur Änderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse sichtbar werden muss. So lange es keine starke sozialistische Kraft in diesem Land gibt, kommen dafür – zumindest auf einer elementaren Klassenebene – nur die Gewerkschaften in Frage. Und so lange die Belegschaften nicht den Betriebsfrieden in Frage stellen, und vor allem so lange keine kollektiven, betriebsübergreifenden Aktionen zu befürchten sind, werden Kabinett und Kapital zu keinen Zugeständnissen bereit sein. Im Gegenteil, der Raubzug wird weitergehen, eventuell nur „besser vermittelt“. Geschieht also betrieblich und gewerkschaftspolitisch nichts Entscheidendes werden sich die Kräfteverhältnisse weiter verschlechtern.

Die Gewerkschaftsbürokratie gefährdet die Gewerkschaften

Inzwischen ist der Glaubwürdigkeitsverlust der Gewerkschaften so groß, dass nicht nur der Mitgliederschwund erschreckend ist. Vor allem die innere Bindung lässt zusehends nach. Deswegen braucht es an dieser entscheidenden Stelle in der Gesellschaft ein Neuaufstellen der Kräfte und dies kann nur organisiert geschehen. Die Gewerkschaftslinke muss sich also formieren und in absehbarer Zeit auch eine personelle (nicht nur eine inhaltlich-politische) Alternative zum Schmusekurs der Gewerkschaftsführungen aufbauen.
Der Unmut über die Politik der Gewerkschaftsführungen ist bei aktiven GewerkschafterInnen sehr verbreitet. Aber um auf den Kurs einzuwirken, braucht es einen politischen und organisatorischen Kristallisationspunkt, auf den sich kritische und oppositionelle Kräfte beziehen können. Erst dann wird es möglich sein, diese Kräfte zu bündeln, so dass sie ihr Gewicht gemeinsam in die Waagschale werfen können. Nur so wird es den vielen ratlosen und verunsicherten KollegInnen möglich sein, überhaupt eine Alternative wahrzunehmen und z. B. den Verteidigern des sozialpartnerschaftlichen Kurses unangenehme Fragen zu stellen. Dadurch können sie für andere Beschlüsse eintreten und gegebenenfalls auch eigenständig aktiv werden, und zwar auf einer kämpferischen Linie. Erst dann werden die Dinge in Bewegung kommen.
Dafür braucht es ganz gewiss ein inhaltliches Fundament. Im Verlauf des Jahres 2004 ist in den Reihen der bisher existierenden „Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken“ die Einsicht gewachsen, dass ein Vernetzen nicht mehr reicht, weil dies der heutigen, dramatisch verschlechterten Situation in den Gewerkschaften nicht gerecht wird. Nicht zufällig steht dieser Punkt auf der Tagesordnung des Kongresses der Gewerkschaftslinken (s. Kasten).

Was kann eine Gewerkschaftslinke erreichen?

Vielen KollegInnen (und leider auch so manchen Linksradikalen) fehlt die Phantasie, sich vorzustellen, welch einen Unterschied es machen würde, gäbe es eine bundesweit vernehmbare, einigermaßen strukturiert arbeitende kämpferische Tendenz in den Gewerkschaften. Dabei haben bei verschiedenen Gelegenheiten sogar lokale Strukturen der Gewerkschaftslinken es vermocht, auf die Politik der Gewerkschaft Einfluss zu nehmen. So hat es seinerzeit bei der Riester’schen Rentenreform (Dez. 2001) durch eine Initiative linker Metaller in Stuttgart örtliche Kundgebungen gegeben, die, wären sie über eine entsprechende Struktur parallel in anderen Regionen angegangen worden, sich zu einer bundesweiten Bewegung hätten entwickeln können („Auf die Straße gegen Rentendemontage“).
Der Marsch der Mettinger DC-KollegInnen am 15. Juli 2004 auf der B 10 im Protest gegen die Erpressungspolitik von DC wurde von linken GewerkschafterInnen vorbereitet und initiiert. Der de facto Streik bei Opel Bochum vom 14.- 20. Oktober 2004 war ebenfalls ohne die Arbeit linker Metaller (hauptsächlich Vertrauensleute) nicht denkbar.
Wenn sich all diese Kräfte gemeinsam organisieren und auf einer klassenkämpferischen klaren Grundlage bundesweit in Erscheinung treten, wird sich die gewerkschaftliche Landschaft zum ersten Mal seit vielen Jahren verändern können. Dazu ist die tatsächliche Aktionseinheit dieser Kräfte eine elementare Voraussetzung. Nur gemeinsam wird es möglich sein, zu einer Kraft zu werden, die wirklich nennenswerten Teilen der Klasse Orientierung bieten und eine Perspektive aufzeigen kann.

Kongress der Gewerkschaftslinken

Kongress der Gewerkschaftslinken in Stuttgart: 14. 15. Januar. Beginn Freitag 18.00 Uhr
Das Programm ist runterzuladen unter http://www.labournet.de/GewLinke/vers/kongress/index.html

Dort finden sich auch Vorbereitungspapiere. Anmeldung über
ewald.wehner@t-online.de
oder per Post über Heinz-Günter Land, Postfach 1201, 64660 Alsbach-Hähnlein.

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