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Innenpolitik

WASG: Der „Entrismus“ der „Sozialistischen Linken“

Von B.B. | 01.10.2006

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In Reaktion und Abgrenzung auf trotzkistische Einflussnahme formieren sich innerhalb der WASG unterschiedliche Tendenzen. Eine davon ist die Sozialistische Linke mit Basis in Nordrhein-Westfalen. Innerhalb der WASG arbeiten nicht weniger als fünf trotzkistische Organisationen. Die Parteivorstände von L.PDS und WASG versuchen auf vielfältige Weise, den linken OpponentInnen das Wasser abzugraben.

In Reaktion und Abgrenzung auf trotzkistische Einflussnahme formieren sich innerhalb der WASG unterschiedliche Tendenzen. Eine davon ist die Sozialistische Linke mit Basis in Nordrhein-Westfalen.

Innerhalb der WASG arbeiten nicht weniger als fünf trotzkistische Organisationen. Die Berliner WASG gilt als trotzkistisch dominiert; der WASG-Landesverband NRW als stark trotzkistisch beeinflusst. Die Parteivorstände von L.PDS und WASG versuchen auf vielfältige Weise, den linken OpponentInnen das Wasser abzugraben.
Mit „Generalstreik“ in die Berlinwahl
Im „Aufruf zur Gründung einer neuen Linken“ überholten Lafontaine, Gysi, Bisky, Ernst und Kipping den Berliner WASG-Landesverband mit der Forderung nach „Recht auf … Generalstreik“ weit links. Das war insofern keine Kunst, als das Wahlprogramm der Berliner Wahlalternative auf jede sozialistische und revolutionäre Perspektive verzichtete.

Im Unterschied zu Berlin traten in NRW führende WASG-Funktionäre und TrotzkistInnen die Flucht nach vorne an, als sie mit der stalinistisch beeinflussten Kommunistischen Plattform (KPF) und vielen Einzelpersonen die Antikapitalistische Linke gründeten. Deren inhaltliche Grundlage billigt u.a. die Beteiligung an bürgerlichen Regierungen auf Landesebene – unter „Bedingungen“ versteht sich. Der Abschied von revolutionären Positionen war Voraussetzung für die Einigung mit der KPF Sarah Wagenknechts.
Trotzkistische Realpolitik
Der Druck der „Realpolitik“ auf die TrotzkistInnen in der WASG ist gewaltig. Der Linksruck kooperiert bekanntermaßen mit den Vorständen von WASG und L.PDS gegen die Berliner Wahlalternative. Zur Grundlage der Antikapitalistischen Linken gehört die öffentliche Distanzierung von der WASG-Berlin als „Achillesferse der neuen Linken“. Solche Positionierungen sind mit dem Streit um unterschiedliche politische Einschätzungen allein nicht zu erklären.

Längst sind die Parteiapparate von WASG und L.PDS zur Offensive gegen ihre KritikerInnen übergegangen. Dabei geht es nicht nur um die altbekannte antitrotzkistische Hetze, die sich nach der Berlinwahl sicherlich verstärken wird. Der Griff in die Mottenkiste des Stalinismus wird von organisierten Anstrengungen begleitet, den Einfluss der TrotzkistInnen einzuschränken. Die politische Grundlage lieferte dafür u.a. die Tendenzgründung der Sozialistischen Linken.
Der Geburtsfehler der Stamokaptheorie
Zur Sozialistischen Linken schlossen sich vor allem AnhängerInnen der Theorie des Staatsmonopolistischen Kapitalismus zusammen, wobei dieser Theorie- und Politikansatz seit jeher immun gegen revolutionäre Ideen und Veränderungen war. Nun hat die famose Stamokaptheorie, die sich auf Lenin beruft, einen kleinen Geburtsfehler: Sie wurde erst in den 1960er Jahren, rd. 40 Jahre nach Lenins Tod, in der Sowjetunion und der DDR als Theorie des Staatsmonopolistischen Kapitalismus entwickelt. Ihre strategische Umsetzung – ein Etappenmodell zur gesellschaftlichen Veränderung und die Klassenzusammenarbeit der ArbeiterInnenklasse mit Teilen des Kapitals – ist erheblich älter als die Theorie.

Demnach müsse ein antimonopolitisches Mehrklassenbündnis den bürgerlichen Staatsapparat den Monopolen entwinden und für ein System der „antimonopolistischen Demokratie“ nutzen. In dieser Tradition sieht die Sozialistische Linke die „Demokratie“ als etwas Klassen-unspezifisches, Neutrales, um dann ganz banal die staatlichen Institutionen des Kapitalismus zu verteidigen: „Wir beziehen uns positiv auf den Parlamentarismus als wichtige politische Instanz neben anderen wie Strukturen betrieblicher Demokratie… (wir) treten für eine Stärkung der Parlamente als demokratische Entscheidungsgremien ein“. Die Vorherrschaft der großen international operierenden Konzerne soll mittels „Ausbau der Wirtschaftsdemokratie“  und „demokratischer Regulierung und Kontrolle der Finanzfonds“ überwunden werden (aus: „Sozialistische Linke: real und radikal!“).

Bei der älteren Praxis der Klassenzusammenarbeit handelt es sich zum einen um die „antifaschistische“ Orientierung der kommunistischen Partei im spanischen Bürgerkrieg, die zwischen dem „antifaschistischen“ und dem „demokratischen“ Monopolkapital unterschied. Entsprechend suchte die bürgerlich-republikanische Volksfront das Bündnis mit dem „demokratischen“ Imperialismus, d.h. mit Frankreich und Großbritannien, gegen Deutschland und Italien. Eine sozialistische Entwicklung in Spanien wäre diesem Bündnisversuch äußerst hinderlich gewesen. In Konsequenz wurde die revolutionäre ArbeiterInnenklasse Kataloniens im Mai 1937 durch den Stalinismus niedergeschlagen. Der sozialen Katastrophe folgte die militärische mit der Auslieferung der Republik an Franco durch die Militärs der Volksfront.

Die „antimonopolitische“ Strategie hat aber noch ältere Wurzeln, die sich z.B. in der „Stadientheorie“ des rechten Menschewisten und Ökonomisten Martynow finden lassen, wonach erst der „wirtschaftliche“ und später der „politische“ Kampf zu führen sei. Immerhin fußte Martynows strategische Vorstellung darauf, dass in Russland vor 1917 im Unterschied zu Deutschland noch keine bürgerliche Revolution stattgefunden hatte. Heute im Jahr 106 nach Martynow die „Demokratie“ und den bürgerlichen Staatsapparat von den „Konzernen“ lösen zu wollen, liefe (theoretisch) auf einen Kapitalismus ohne Monopole und ohne Neoliberalismus hinaus – womit sich die „Realisten“ der Sozialistischen Linken als Irrealos erweisen.
Erfolgreicher „Entrismus“
Ohne inhaltliche Grundlage, allein organisatorisch, könnten die Parteispitzen von WASG und L.PDS den Trotzkismus nicht bekämpfen. Es ist kein Zufall, dass die Sozialistische Linke, deren Mitglieder überwiegend in der SPD überwinterten, ihre antimonopolistische Theorie beim Stalinismus ausborgen musste.

Gestützt auf die Provinzorganisationen der WASG in NRW gehören der Sozialistischen Linken mittlerweile 9 von 16 Mitgliedern des Bundesvorstandes der WASG an. Im Vorstand des „linken“, „antikapitalistischen“ WASG-Landesverbandes NRW sind es 8 von 15 Mitgliedern. Erfolgreicher kann „Entrismus“ nicht sein. Vielleicht ist es Zufall, dass auch ein Arno Klönne und ein Bernd Riexinger die Plattform der Sozialistisc
hen Linken unterschrieben. Kein Zufall ist es, wenn von ihren neun UnterstützerInnen im WASG-Bundesvorstand allein sechs gewerkschaftliche Hauptamtliche sind.

Die Sozialistische Linke sieht sich als „gewerkschaftlich orientierte“ Strömung, wobei sie sich vor allem an der Führung der Gewerkschaften IG Metall und Ver.di orientiert. Umgekehrt braucht diese die politische Deckung gegen links. Die Geschichte hat längst ihr Urteil über die Gewerkschaftsbürokratie als anti-revolutionäre Kaste gefällt. Warum soll sie nicht auch noch anti-trotzkistisch werden? Das Problem ihrer trotzkistischen Kritiker-Innen ist allerdings, dass sie kaum über eine eigene gewerkschaftliche Basis verfügen, um der die WASG beherrschenden Gewerkschaftsbürokratie erfolgreich entgegentreten zu können.

Die Sozialistische Linke hat bisher 117 ErstunterzeichnerInnen und 156 UnterstützerInnen gesammelt; die Plattform der Antikapitalistischen Linken wird bisher von 600 Personen unterstützt. 600 Antikapitalistische Linke könnten außerhalb von WASG und L.PDS beim Aufbau einer außerparlamentarischen Opposition einiges bewegen. 600 Antikapitalistische Linke innerhalb der zukünftigen Linkspartei stellen gerade einmal 0,8 % der addierten Mitgliedschaft. Oder will sich die Antikapitalistische Linke mit der Rolle einer Funktionärsriege begnügen, die mit der Sozialistischen Linken um die Kontrolle der Parteiapparate wetteifert? 

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