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Wahlen im Irak: Die Regierungsbeteiligung der Kommunisten

Von Karl Lindt | 01.01.2005

Die Diskussion ob und wann sich auf den Sozialismus berufende Parteien an bürgerlichen Regierungen beteiligen sollten ist schon so alt wie die parteipolitisch organisierte ArbeiterInnenbewegung selber. Kann sich aber die Frage nach Beteiligung an einer Marionettenregierung stellen, die von einer imperialistischen Großmacht eingesetzt wurde und deren Folterungen sowie deren Massenmord unterstützt? Diese Frage scheint für die meisten Linken absurd. Die Irakische Kommunistische Partei sieht diese Frage unkomplizierter.

Der US-Krieg im Irak hat Untersuchungen zufolge bis zu 100.000 Menschen das Leben gekostet (s. dazu Seite 19). Die menschenverachtende Brutalität des Besatzungsregimes wurde und wird dabei immer wieder deutlich, egal ob bei den Folterungen im Abu Ghraib- Gefängnis, bei Flächenbombardements oder der Massenvertreibung der irakischen Bevölkerung durch die Zerstörung und Belagerung ganzer Städte. Derweilen versuchen die KriegsstrategInnen der US-Regierung ihrem Vorgehen einen scheindemokratischen Anstrich zu verleihen. Bis zu den ersten „freien“ Wahlen im Irak am 30. Januar 2005 wurde eine aus irakischen Parteien zusammengesetzte „Übergangsregierung“ von der US-Besatzung installiert. Spätestens mit der von der irakischen Übergangsregierung formal angeordneten Großoffensive auf Falludscha verlor die Regierung jegliche Legitimation gegenüber der irakischen Bevölkerung.
Doch eine gesellschaftliche Kraft im Irak versucht unbeirrt diese Regierung und ihre eigene Beteiligung daran zu rechtfertigen – die Irakische Kommunistische Partei (IKP).

Von der Guerilla zur Marionette

Die Irakische Kommunistische Partei – die Schwesterpartei der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) – wurde 1934 gegründet und ist heute eine der größten KPen im arabischen Raum. Sie unterhält 85 Büros, gibt eine zweimal in der Woche erscheinende Zeitung mit einer Auflage von 15.000 Exemplaren heraus und zählt mehrere zehntausend Mitglieder.
Seitdem im März 2003 die US-Armee den Irak überfielen, gab die IKP ihren bisherigen militärischen Kampf gegen das Saddam-Regime auf und beteiligte sich wenig später mit einem Sitz am 25-köpfigen „Irakischen Regierungsrat“ (IGC) und seit Juni 2004 dann an der „Übergangsregierung“, wo sie den Kulturminister stellt. Diese „irakische“ Regierung ist von den Besatzungsmächten unter Mithilfe der UNO installiert worden. Ihre Existenz ergibt sich aus Washingtons „Nation building“-Programm, das vorsieht, aus den Trümmern zerstörter Nationalstaaten „neue Nationen“ hervorzuzaubern.
Raschid Ghewielib, der Deutschland-Vertreter der IKP, versucht unterdessen die Regierungsbeteiligung seiner Partei als Widerstand gegen die Okkupation umzudeuten. So erklärte er auf einer von der DKP-München organisierten Diskussionsveranstaltung am 22. Oktober im Münchener Eine-Welt-Haus, dass der Regierungsrat zwar von den Besatzern eingesetzt wurde, aber dass er auch ein Stück weit der USA abgetrotzt wurde, da diese zunächst alle irakischen politischen Kräfte ausschließen wollte. Weitere Erfolge der Regierung sind seiner Auffassung nach eine „relativ fortschrittliche“ Verfassung, die Sicherung von Frauenrechten, die Einführung einer Sozialversicherung, usw. – wie wichtig können aber diese „Erfolge“ für die Menschen im Schatten von Abu Ghraib und Falludscha noch sein? Wer legt noch Wert auf eine Sozialversicherung oder eine Verfassung, wenn ihm gerade sein Haus weggebombt und seine Kinder erschossen wurden?

Jeder Widerstand islamistisch?

Der bewaffnete antiimperialistische Widerstand der irakischen Bevölkerung wird dabei von Ghewielib als antidemokratisch und antiemanzipatorisch abqualifiziert: „Sie vertreten ein arabisches, nationalistisches und rassistisches Konzept, das sogar faschistische Elemente enthält.“ (jW 20.11.04). Dass hier das „Arabische“ als etwas Verwerfliches und uneingeschränkt Negatives gesehen wird, ist eigentlich mehr von „Kulturkämpfern“ wie Holloway, Stoiber oder Sharon zu erwarten. Was heißt hierbei eigentlich „nationalistisch“; ist nicht jede nationale Befreiungsbewegung ein Stück weit nationalistisch? Und den Kampf gegen die Fremdherrschaft als rassistisch zu denunzieren, entspricht dem Antirassismus von Kolonialherren.
Die Mehrheit der politischen Bewegungen im Irak ist gegen die Besatzungsmächte und deren „Übergangsregierung“. Nicht alle unterstützen den bewaffneten Widerstand und auch nicht alle politischen Kräfte, die bewaffnet gegen die Besatzung des Iraks vorgehen, lassen sich durch diese schwarz-weiße Sichtweise charakterisieren.
Wie wenig die IKP daran interessiert ist, die Selbstbestimmung der irakischen Bevölkerung gegenüber den US-Besatzern durchzusetzen, zeigt eine Aussage von Ghewielib bezüglich der Schwierigkeiten der US-Armee im Irak: „Die Amerikaner haben die Gesellschaft nicht im Griff“ (jW 20.11.04).

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