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Innenpolitik

Vereinigungsfahrplan

Von B.B. | 01.01.2006

Mit ihren Kooperationsabkommen legen WASG und Linkspartei.PDS nicht nur einen Zeitplan für die Fusion vor, sondern auch die Inhalte fest

Mit ihren Kooperationsabkommen legen WASG und Linkspartei.PDS nicht nur einen Zeitplan für die Fusion vor, sondern auch die Inhalte fest

Nach den Kooperationsabkommen I, II und III sollen WASG und Linkspartei.PDS bis zum 30.6.2007 fusioniert haben. Damit eine „pluralistische Partei” entsteht, ist nicht nur die Doppelmitgliedschaft WASG – PDS erlaubt. Vorgesehen sind auch Foren und Veranstaltungen zu inhaltlichen Fragen wie dem Verhältnis von Parlamentsarbeit und außerparlamentarischer Bewegung, linkem Selbstverständnis und Sozialismus, zu anderen Linken und zur eigenen Geschichte.
Die programmatische Grundlage
Die „gemeinsamen programmatischen Grundlagen” der zukünftig vereinigten Linkspartei werden ebenfalls in den Kooperationsabkommen festgelegt. Die Punkte beinhalten: „Kampf gegen die Arbeitslosigkeit” (hier wird die Arbeitszeitverkürzung genannt, aber nicht auf eine Stundenzahl fixiert); „Ausbau von Demokratie und Mitbestimmung“; „Solidarität und soziale Verantwortung” (ein Betrag für die geforderte soziale Grundsicherung wird nicht genannt); „Bildungsreform für ein kostenfreies Bildungssystem“; „beschäftigungspolitische Maßnahmen in Ost und West“; „mehr Bürgerrechte“; „gegen Rassismus und Krieg“. Abschließend steht die Aussage: „Wir werden uns nicht an einer Bundesregierung beteiligen, die Sozialabbau betreibt oder einen solchen toleriert”. Aber vielleicht an einer solchen Landesregierung? Oder an einer anderen Bundesregierung? Oder? Die Eckpunkte lenken die interne programmatische Debatte in Vorstandsrichtung und sollen die neue Partei auf das Programm der WASG festlegen, das mangels sozialistischer Perspektive hinter das der PDS zurückfällt.
Worte und Taten
Als „zentrale Herausforderung” wird angesehen, „konsequente Opposition gegen die neoliberale Politik und machbare Alternativen aufzuzeigen”. Sicherlich wird die Politik der Linkspartei nicht von solchen Absichtserklärungen bestimmt, sondern z.B. von der bereits existierenden Regierungs­praxis im Berliner Senat. Die beinhaltet 1-Euro-Jobs, Hartz IV, Sozialkahlschlag, Privatisierung öffentlicher Dienste, Vernichtung von Arbeitsplätzen und die Lösung des Berliner Bankenaffaire auf Kosten der Lohnabhängigen. Programmatik, Strategie und Organisation der neuen Linkspartei werden sicherlich weit mehr von der eigen täglichen (Regierungs-) Praxis bestimmt, als von den Absichtserklärungen in den Kooperationsabkommen.
Wer steuert wen?
Geleitet wird der Vereinigungsprozess von einer paritätischen Steuerungsgruppe und von Fachgruppen zu Programmatik, Organisation, Finanzen und internationalen Beziehungen. Sie arbeiten den Parteivorständen der WASG und der Linkspartei.PDS zu. Letztendlich werden die Bundesparteitage und Urabstimmungen in beiden Parteien über die Vereinigung entscheiden.
Was sich zunächst recht demokratisch anhört, bestätigt die Fusion als Top-down-Projekt, das von oben nach unten durchgezogen wird. Da die WASG von einer Riege linker GewerkschaftsbürokratInnen und die Linkspartei.PDS vom Parteiapparat beherrscht wird, sind Fachgruppen und Steuerungsgruppe personell entsprechend zusammengesetzt. Sie steuern den Vereinigungsprozess nach dem Willen der vereinigten Parteibürokratie. Da mag es hier und da kleine Reibereien geben, aber der Prozess wird in die vorbestimmte Richtung gehen. Selbst wenn ein erheblicher Teil der aktiven Mitgliedschaft der WASG die Vereinigung nach links drücken wollte – wofür es keine Anzeichen gibt – so bezieht eine Urabstimmung der Gesamtmitgliedschaft die passiven und halbaktiven Elemente ein, die in allen Parteien der Welt die Basis für die Politik der Vorstände und Apparatschiks bildet.
Auf zum (vor)letzten Gefecht
Währenddessen führt die sozialistische Linke in der Berliner WASG ihr (vor)letztes Gefecht. Dort sind die KritikerInnen der neoliberalen Senatspolitik der Linkspartei.PDS in der Mehrheit. Damit in Berlin die Vereinigung nicht aus dem Ruder läuft, sagt das Kooperationsabkommen III: „Die Linkspartei.PDS und die WASG bekunden nachdrücklich ihre Absicht, auf keiner Ebene bei Wahlen konkurrierend anzutreten”. Mehr als solche Bestimmungen sorgen Wahlerfolge und Bewusstsein der WASG- und PDS-Mitgliedschaft für klare Verhältnisse. Außerhalb der Westberliner linken Szene sind die meisten Mitglieder der WASG (und der Linkspartei.PDS sowieso) für Regierungsbeteiligungen. Es liegt einfach außerhalb ihrer Vorstellungskraft, dass es einen anderen Weg für linke Politik gegeben könnte als den der alten Sozialdemokratie und der alten Volksfrontpolitik seligen Angedenkens.
Ein Teil der sozialistischen Linken ist dabei, sich auf die Seite der vereinigten Parteibürokratie zu stellen. Sie wollen für die Fusion stimmen, auch wenn die Berliner PDS weiterhin im Senat bleibt. Die interne Auseinandersetzungen innerhalb der WASG Berlin gibt nicht das Signal zu einer linken Wende der vereinigten Partei, sondern zur Spaltung der Linken: ein Teil macht den Austritt der PDS aus dem Senat zur Vorbedingung für eine Vereinigung; ein anderer Teil nicht.
Brasilien, Italien,… Deutschland
Die jüngsten internationalen Erfahrungen in Brasilien und Italien sprechen nicht für die Entstehung einer linken, sozialistischen Partei im drittreichsten imperialistischen Staat der Welt. In Brasilien entstand die Arbeiterpartei PT in großen Streiks – sie führte zur neoliberalen Lula-Regierung. In Italien gruppierte die ex-kommunistische PRC Zehntausende von kommunistischen GewerkschaftsaktivistInnen um sich – und erklärt jetzt ihre Bereitschaft zu einer Regierungsbeteiligung. Die revolutionäre, sozialistische Linke ist in beiden Ländern stark genug, um politisch und organisatorisch gestärkt aus ihrer Mitarbeit in diesen Massenparteien hervorzugehen. In der BRD gingen PDS und WASG weder aus Streikwellen hervor, noch führen sie die ArbeiterInnenvorhut in Kämpfe… Worauf baut die schwache sozialistische Linke in der Linkspartei eigentlich ihre Hoffnungen?

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