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Länder

US-Armeekreise: Nahen und Mittleren Osten umkrempeln

Von M.A. Karimi & D. Berger | 01.10.2006

Seit einigen Wochen breitet sich unter Menschen, die aus Ländern des Nahen oder Mittleren Ostens stammen, eine starke Unruhe aus. Der Anlass ist eine von US-Armeekreisen entworfene Karte, aus der hervorgeht, wie sie sich eine „Neuordnung“ des Nahen und Mittleren Osten vorstellen.

Seit einigen Wochen breitet sich unter Menschen, die aus Ländern des Nahen oder Mittleren Ostens stammen, eine starke Unruhe aus. Der Anlass ist eine von US-Armeekreisen entworfene Karte, aus der hervorgeht, wie sie sich eine „Neuordnung“ des Nahen und Mittleren Osten vorstellen.


Die Karte wurde erstmals im Juni d. J. unter dem Titel „Redrawing the Middle East“ von Ralph Peters, einem pensionierten Offizier und ehemaligen Geheimdienstler, in der Zeitschrift Armed Forces Journal1 veröffentlicht. Der Historiker Pierre Hillard (Paris) veröffentlichte diese Karte dann in Europa. Gegenüber der Redaktion von german-foreign-policy.com  erklärte Hillard: „Die deutsche Politik spielt bei der Propagierung dieser Ideen eine große Rolle.“
Richtlinie dieser US-Armeekreise sind „blutlich-stammesmäßige“ Zusammenhänge2, gerade so, als ob Siedlungsgebiete klar (und wirtschaftlich sinnvoll) abzugrenzen wären. Zur Erläuterung fügt Peters unmissverständlich hinzu, ethnische Säuberungen seien kein Problem. Schließlich kenne man dies sein 5000 Jahren! Dazu sollen der Irak, Saudi-Arabien, Pakistan usw. aufgeteilt werden, aber auch die Stadt Bagdad!
Angst, Schrecken und Demütigung
Die betroffenen Menschen, ob sie nun hier als EinwandererInnen leben und noch Verwandte in ihren Herkunftsländern haben, oder ob sie in diesen Ländern leben, empfinden nach dem, was wir jetzt mitbekommen, eine Mischung aus Angst, Demütigung und Wut. Sie wissen nicht, was davon zu halten ist, wie repräsentativ dies für die herrschenden Kreise in den USA ist usw. Aber sie wissen spätestens seit den Kriegen in Afghanistan und im Irak, dass der Imperialismus vor nichts zurückschreckt. Seit Abu Ghraib und Guantánamo wissen sie auch, dass vor allem Menschen moslemischen Glaubens in den Augen der Imperialisten keine Menschenwürde besitzen, dass nach Belieben auf ihnen rumgetrampelt werden kann, ja werden soll.

Die Empörung über die Papst-Äußerungen ist bei den etwas politisierteren Menschen aus der Region ein Pappenstiel gegen das, was sich im Zusammenhang mit der Betrachtung der (von wichtigen Kreisen der USA angestrebten) Landkarte in diesen Menschen abspielt. Denn: Mit der Begründung für die neue Karte wird bei Peters nicht hinterm Berg gehalten. So wird bei Saudi-Arabien der „enorme Ölreichtum“ konstatiert, der ganz und gar „unverdient“ sei. Zur Herstellung „wirklicher Gerechtigkeit“ sollten die Ölfelder an der Südwestküste abgetrennt und dem Jemen zugeschlagen werden. Überhaupt folgt die ganze Karte dem Grundsatz: Teile und herrsche! Ein freies Kurdistan (vom türkischen Diyarbakir bis zum iranischen Tabriz) „wäre der dem Westen am meisten ergebene Staat zwischen Bulgarien und Japan.“ Dem widerspenstigen Iran sollte man große Teile des ölreichen Südwestens wegnehmen und einem neu zu gründenden arabisch-shiiitischen Staat zuschlagen. Teile im Osten Irans sollen an den neu zu schaffenden Staat Belutschistan gehen usw.
Ideen auch von Bertelsmann
Diese aggressive ethnizistisch begründete Politik wird auch und gerade durch die deutsche Außenpolitik befördert. Ein Forum dafür ist die Bertelsmannstiftung, die beispielsweise in den „Kronberger Gesprächen“ eine „vollständige Umgestaltung der politischen, wirtschaftlichen und religiösen Institutionen“ der muslimisch ge­prägten Ölstaaten propagiert. Die Parzellierung nach ethnizistischen Kriterien empfahl die Bertelsmannstiftung schon zu Beginn der Jugoslawienkrise, ein nicht zu übersehender Beitrag zur Zerstörung Jugoslawiens. Die Bertelsmannstiftung hat 1996 auch ethnische Teilungspläne für Ungarn, Rumänien, Russland und den nördlichen Kaukasus entworfen.

1     Die AFJ erscheint im Konzern der Garnett-Mediengruppe (z. B. US Today), einem der größten Medienkonzerne überhaupt; Jahresumsatz 2005: 7,6 Mrd. $.
2     Der Titel von Peters’ Artikel lautet: „Blood Borders. How a better Middle East would look.“ http://www.armedforcesjournal.com/2006/06/1833899

Karte: Der Nahe und Mittlere Osten 2006
Karte: Der Nahe und Mittlere Osten nach der Neuordnung

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