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Debatte im NPA in Frankreich:

Unterstützung der kämpfenden Völker, Kampf gegen den Militarismus und die imperialistischen Kriege

Von Antoine Larrache, Sylvain Pyro, Hélène Marra, Thomas Rid, Franck G. | 08.04.2024

Der Krieg gegen die Ukraine ist eine Aggression, die darauf abzielt, im Rahmen der Konkurrenz zwischen imperialistischen Staaten die russische Einflusssphäre zu stärken. Die NPA hat ‒ wie andere linke Kräfte in der Welt auch ‒ das Recht des ukrainischen Volkes auf Widerstand gegen die Invasion immer wieder unterstützt. In der Ukraine, wie auch in Palästina, Kurdistan oder anderswo, in sehr unterschiedlichen Situationen, treten wir für das Recht der Völker auf Selbstbestimmung und auf Widerstand ein, auch bewaffneten Widerstand.

Eine Debatte quer durch die NPA

Die Position der NPA verbindet die Verteidigung des Widerstands an der Seite derer, die „unten“ sind, mit einem Misstrauen gegenüber der Politik von Selenskyj und prangert gleichzeitig den Militarismus an, der sich in der Welt insbesondere mittels der NATO entwickelt. Diese Position steht im Gegensatz zu zwei anderen: zu den Positionen der campistischen Organisationen, die das Recht des ukrainischen Volkes auf Selbstverteidigung leugnen, und derjenigen, die den weltweiten Vormarsch auf den Krieg unterschätzen oder gar der NATO oder der EU eine „progressive“ Rolle zuschreiben. Die NATO ist jedoch nach wie vor ein Instrument der USA, der größten militärisch-industriellen und imperialistischen Macht der Welt.

Auf der letzten Tagung des CPN [des Nationalen Politischen Rats, des höchsten Gremiums zwischen den Kongressen] der NPA hat sich eine Meinungsverschiedenheit über die Frage der Waffenlieferungen und die Sorgen konkretisiert, die durch die Eskalation des Konflikts und seine mögliche Umsetzung in ökozidale und antisoziale Kriegsökonomien ausgelöst werden. Es ging um die Frage, ob die NPA die imperialistischen Mächte auffordern sollte, den ukrainischen Widerstand mit Waffen zu versorgen oder nicht. Wir waren mit unserer Position, eine solche explizite Aufforderung abzulehnen, in der Minderheit, während die Mehrheitsversion bedauerte, dass die Imperialisten nicht mehr geben.

Analysieren um vorauszuschauen

Wir sind dafür, dass der Widerstand über Waffen verfügt, und er bekommt sie auch, wo es geht. Es ist nicht unsere Aufgabe, in diesem Zusammenhang auf Moral zu machen. Wir sind auch dafür, der Ukraine die Schulden zu erlassen, was darauf hinausläuft, ihr Mittel zum Widerstand zu geben. Als revolutionäre Organisation halten wir es jedoch für unerlässlich, weiter zu blicken. Die Hilfe der NATO und der EU für die Ukraine ist Teil einer Strategie der Einmischung, die die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Ukraine selbst gefährdet.

Wir treten für den Widerstand des ukrainischen Volkes ein, sind aber nicht neutral in Bezug auf den politischen und sozialen Charakter des Widerstands, die Auswirkungen des Krieges und sein Verhältnis zu den Imperialisten. In den meisten historischen nationalen Befreiungskämpfen hat der Widerstand keinen Staat und die „Kompradoren“-Bourgeoisie ist schwach. In der Ukraine ist das anders: Die ukrainische Bourgeoisie verfügt über einen Staatsapparat und ist auf untergeordnete Weise Teil des imperialistischen Dispositivs, wie die Stationierung von ukrainischen Soldaten im Sudan vor kurzem beweist.

Die Dynamiken, die sich daraus ergeben, sind seitens der herrschenden Klasse also die, ihre Bündnisse mit den westlichen Imperialisten zu stärken und auf autoritäre Weise eine neoliberale Politik durchzusetzen. In solchen Konflikten stehen die etatistischen [auf den Staat orientierten und orientierenden] Kräfte im Gegensatz zu den Tendenzen zur Selbstorganisation, sie können den Widerstand der Bevölkerung gefährden. Die Krise bei der Rekrutierung für die ukrainische Armee ist übrigens ein Indikator für die Desillusionierung und Ermüdung der Bevölkerung.

Dem Widerstand helfen, alle Imperialismen schwächen

Die Imperialisten produzieren und liefern Waffen an den ukrainischen Staat, nicht an das Volk oder an selbstorganisierte Kräfte. Dies stärkt den Staat und die herrschenden Klassen der Ukraine.

Unsere Orientierung sollte daher in einer Stärkung der Unterstützung „von unten“ für den ukrainischen Widerstand gegen Russland bestehen. Sie kann jedoch eine entschlossene Opposition gegen unseren eigenen Imperialismus nicht aussparen und erfordert, dass wir eine klare Bruchlinie markieren. Wir verlangen keine Waffen von den imperialistischen Regierungen, die wir bekämpfen. Und wir wissen auch: Wenn der Sieg der Ukraine nur von ihnen und sehr wenig von der Mobilisierung der Bevölkerung dort und hier abhängt, dann wird die Dynamik auf die endgültige Umwandlung des nationalen Befreiungskrieges in einen interimperialistischen Konflikt zwischen dem westlichen Block und Russland hinauslaufen.

Abgesehen von dem Krieg in der Ukraine geht es heute um den Marsch der Welt in Richtung eines militärischen Konflikts zwischen Imperialisten. In diesem Rahmen stellen wir uns nicht auf eine Seite gegen eine andere, und zwar unabhängig von dem Charakter der beteiligten politischen Regime. Die Transformation zur „Kriegswirtschaft“ in Europa, die Kriegsrhetorik der Regierungen und ihrer medialen Multiplikator:innen sollten für uns Alarmzeichen sind. Sie sind Ausdruck der Schwierigkeiten der europäischen Bourgeoisie, ihre Herrschaft über den globalen Süden aufrechtzuerhalten. Dies gilt insbesondere für den französischen Imperialismus. In direkter Konkurrenz zu Russland, insbesondere in Afrika, spricht Macron von der Möglichkeit einer offenen militärischen Konfrontation mit Putin und versucht, seine Verbündeten auf dieses Projekt einzuschwören. Dafür muss die herrschende Klasse in Frankreich große Teile der Bevölkerung für den Krieg gewinnen sowie Disziplin und Militarismus ausbauen. Das bedeutet konkrete Aufgaben für die Arbeiterbewegung: gegen den Militarismus, gegen die Rekrutierung der Jugend, an erster Stelle Kampf gegen unseren eigenen Imperialismus.

Antoine Larrache (Paris 20e), Sylvain Pyro (Toulouse), Hélène Marra (Lille), Thomas Rid (Toulouse), Franck G. (Toulouse)

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe von L’Anticapitaliste, der Wochenzeitung der NPA, vom 4.4.2024 veröffentlicht und von Wilfried aus dem Französischen übersetzt worden.

Quelle: https://lanticapitaliste.org/opinions/vie-du-npa/soutenir-les-peuples-en-lutte-combattre-le-militarisme-et-les-guerres

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