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Thailand: Vorläufige Niederlage der Thaksin-Bourgeoisie

Von Phi Panha | 01.01.2009

Seit 2001 findet in Thailand ein erbitterter Kampf zwischen der Armee, der Monarchie, dem Staatsapparat und der sich auf Thaksin beziehenden Bourgeoisie um die Staatsmacht statt, insbesondere um die Vergabe öffentlicher Aufträge und bezüglich gewaltiger Investitionsprojekte.

Seit 2001 findet in Thailand ein erbitterter Kampf zwischen der Armee, der Monarchie, dem Staatsapparat und der sich auf Thaksin beziehenden Bourgeoisie um die Staatsmacht statt, insbesondere um die Vergabe öffentlicher Aufträge und bezüglich gewaltiger Investitionsprojekte.

Der Regierungsantritt Thaksins 2001 symbolisierte zum ersten Mal die Entschlossenheit der Bourgeoisie, die Amtsgeschäfte selbst zu führen. Dieser Versuch ist nach der Auflösung der Partei der Volksmacht (PPP), die Nachfolgeorganisation der aufgelösten Partei Thai lieben Thais, durch das Zivilgericht am 2. Dezember 2008 und der anschließenden Regierungsbildung durch die Demokratische Partei vorläufig gescheitert.
Dabei handelt sich um einen Klassenkampf zwischen der alleine regieren wollenden Bourgeoisie um Thaksin herum und den alt eingesessenen Herrschenden bestehend aus Armee, Monarchie und Staatsbürokratie, deren Finanzinteressen und Einfluss in Thaksins Regierungszeit elementar untergraben wurden. Bei dieser Auseinandersetzung ist Thaksin und seine „aufstrebende“ Bourgeoisie nicht als eine „fortschrittliche Kraft“, z. B. im Sinne eine Etappentheorie (erst Monarchie, dann Kapitalismus und dann Sozialismus), zu unterstützen.
Angriff auf Armee, Monarchie und Staatsapparat
Thaksins politische Taktik bestand darin, mithilfe der Bauernschaft die Staatsmacht zur ausschließlichen Nutzung für sich und seiner „fortschrittlichen“ Bourgeoisie umzugestalten.

Die thailändische Bourgeoisie alleine ist für die Eroberung der Staatsmacht zu klein und zu schwach. Sie bedarf dazu der Bauernschaft. Mit seinem politischen Programm 30 Baht Gesundheitsversorgung (ca. 0,60 Euro), 1.000.000 Baht zur Entwicklung der Infrastruktur für jedes Dorf (ca. 20.000 Euro), Zahlungsaufschub für verschuldete Bauern, etc. gewann er die Unterstützung der Bauernschaft. Die Unterstützung durch die Bauern und Bäuerinnen ist aber nicht ausreichend, damit die Bourgeoisie die parlamentarischen Amtsgeschäfte allein ausüben kann. Deshalb versuchte Thaksin im Weiteren den Staatsapparat, angefangen mit dem Polizeiapparat umzugestalten. In diesem Rahmen ist der „Krieg gegen die Drogen“ vom Jahr 2002 zu sehen, in dessen Verlauf der Polizeiapparat mit Thaksins Leuten umbesetzt und „arbeitsfähig“ getrimmt wurde. In diesem „Krieg“ wurden ca. 2 000 Personen „außergerichtlich“ getötet. Diese Zahl übertrifft die Gesamtanzahl aller durch Militärputsche ermordeten Personen seit Abschaffung der absoluten Monarchie 1932.

Entscheidend für Thaksins Machterhalt war, inwieweit er das Militär unter seine Kontrolle bringen konnte. In den Jahren 2002 und 2003 „beförderte“ er mehr als 35 Freunde und Verwandte in Schlüsselpositionen des Militärs.

Die Vergabe öffentlicher Aufträge an Verwandte und befreundeten Unternehmen, die endlosen Korruptionsskandale sowie der Verkauf des Industrieimperiums Shin Corp am thailändischen Finanzamt vorbei, verschafften 2006 den Demonstrationen der Volksallianz für Demokratie (PAD) Massenzulauf. Der Militärputsch im September 2006 beendete Thaksins Regierungszeit.
Kampf zwischen PAD und neuer PPP-Regierung
Die Ende 2007 neu gewählte Regierung mit Samak Sundaravej als Ministerpräsident, bestehend aus der PPP mit 47 % und anderen Bündnisparteien (zusammen mehr als 2/3 Mehrheit), verstand sich als Fortsetzung von Thaksins Politik. Seit Mai 2008 bis zur Flughafenbesetzung November/Dezember 2008 veranstaltete die PAD durchgängig politische Kundgebungen zur Absetzung Thaksins Marionettenregierung.

Die Drohungen und Versuche der Regierung, die Kundgebungen der PAD mittels Polizeigewalt aufzulösen, scheiterten durchgängig. Die PAD mobilisierte daraufhin jeweils innerhalb weniger Tage Hunderttausende DemonstrantInnen. Seit August 2008 besetzten die PAD-DemonstrantInnen die Regierungsgebäude. Im Vorwege der Amtseinführung des zweiten PPP-Ministerpräsidenten Somchai Wongsawat setzte die Polizei am 7. Oktober Tränengasgranaten gegen die PAD-Demonstrant­Innen ein, die für Kriegszwecke produziert wurden und die erst bei Aufschlag auf einem Gegenstand oder Person explodieren. Über hundert Schwerverletzte, zum Teil mit abgerissenen Gliedmaßen, Beinen, Armen, etc. und eine getötete Demonstrantin waren die Folge. Die Königin nahm an der Beerdigungszeremonie der getöteten Demonstrantin teil. Die Fronten verhärteten sich damit zunehmend. In den dann folgenden zwei Monaten nahmen nächtliche Granatenanschläge auf die PAD-Kundgebung am Regierungsgebäude zu. Die Verantwortlichen für diese Anschläge konnten nicht ermittelt werden. Auch während der Flughafenbesetzung kam es zu nächtlichen Granatenanschlägen.
Einschätzung der PAD
Die Einschätzungen der PAD gehen weit auseinander. Sie ist eine diffuse Partei. 2006 richtete sich die PAD ausschließlich gegen Thaksin und seine Korruptions- und Steuerhinterziehungsaffären. Mit dem einstigen General Chamlong Srimueang, der als einer der Führer gegen den Militärputsch 1992 großen Bekanntheitsgrad hat, und dem Pressemagnaten Sondhi Limtongkul, einem früheren Verbündeten Thaksins, hat die PAD zwei schillernde Führungspersönlichkeiten. In der PAD finden sich Geschäftsleute, MonarchieanhängerInnen, Militärangehörige, Mitgliedern der Demokratischen Partei, u. a. wieder. Sie soll sich nach Zeitungsangaben auf die städtischen Mittelschichten stützen, jedoch hat sie Massencharakter, der weit über die städtischen Mittelschichten hinausreicht. Sie versteht sich selbst als eine außerparlamentarische Organisationsform, die sich bewusst nicht an Wahlen – trotz Aufforderung von Regierungsseite – beteiligen will. Ob ihr ein einheitliches politisches Programm zugeschrieben werden kann, ist zu bezweifeln. Die PAD reagiert meist taktisch aus der Situation heraus. In den sechs Monaten ihres Kampfes von Mai bis Dezember 2008 hat sie sich für ein Parlament ausgesprochen, dass nur noch zu einem Drittel gewählt und zu zwei Dritten ernannt werden soll. Das erregte die Gemüter aller bürgerlichen Zeitungen, innerhalb wie außerhalb Thailands. Die bürgerliche Presse stellte die PAD nach der Flughafenbesetzung in die Ecke von Terroristen und teilweise bezeichneten einige Zeitungen die PAD als faschistisch.

An die neu zu bildende Regierung hat die PAD Mitte Dezember 2008 einen Forderungskatalog mit 13 Punkten gestellt. Dieser enthält obige Wahlmodalitäten zur Parlamentsbildung nicht mehr. Jedoch soll danach sowohl die Monarchie besonders geschützt, der Preah Vihear Tempel und seine Umgebung Kambodscha nicht überlassen, die verantwortlichen Polizisten des 7. Oktober 2008 bestraft als auch privatisierte Staatsunternehmen wieder verstaatlicht werden. Ob die PAD reaktionär, faschistisch und/oder terroristisch i
st, wie die deutschsprachige Presse in Thailand seit der Flughafenbesetzung schreibt, ist nicht eindeutig zu beantworten. Die PAD ist eine außerparlamentarische Organisation und auf jeden Fall nicht bürgerlich.
Die weitere Entwicklung des parlamentarischen Systems
Das parlamentarische System in Thailand wird so wie seit 1992 weiterhin Bestand haben, insbesondere, wenn es gelingt, die übergetretenen Personen aus den mit der PPP verbündeten Parteien in die neue Regierung zu integrieren.

Ein weiterer Militärputsch in unmittelbarer Zukunft ist unwahrscheinlich. Das Militär hätte bereits seit Beginn 2008 putschen können, stände dann ab vor der gleichen Situation wie nach dem Putsch 2006. Das Ziel des Militärs scheint die Beibehaltung des parlamentarischen Systems zu sein. Jedoch könnte es erneut einer rein bürgerlich-kapitalistischen Regierung den Gehorsam verweigern. Das ist wohl auch das Entscheidende, worüber sich die bürgerliche Presse weltweit während der Flughafenbesetzung mokiert hatte.
Streiks trotz Rezession
Und wie verhält sich die thailändische ArbeiterInnenbewegung in dieser Situation? Abgesehen von den unterstützenden Streiks für die PAD im Herbst 2008 durch den Gewerkschaftsverband des öffentlichen Sektors (insbesondere die fast landesweiten Streiks der Eisenbahner), welchen D. Sabai und J. Sanuk in der Inprekorr 444/445 als ein Verbund von Gewerkschaften mit versöhnlerischen im Staatsapparat eingebundenen Bürokraten bezeichnet haben und der der PAD nahe steht, entwickeln sich parallel zu den PAD-Aktionen unabhängige Streiks.

Im Sommer 2008 streikten über mehrere Tage 2000 Textilarbeiterinnen der Firma Triumph International mit Sitz in München und demonstrieren vor den Toren der Deutschen Botschaft in Bangkok, um der dort im Rahmen der Olympischen Spiele anwesenden Kanzlerin Merkel (Blitzbesuch) ihre Forderungen bezüglich Triumph International mit auf den Rückweg zu geben. Das Unternehmen diskriminiert Gewerkschaftsmitglieder und missachtet damit international garantierte Rechte. Die Präsidentin der Textilgewerkschaft hatte in einer Fernsehsendung ein regierungsunfreundliches T-Shirt getragen, welches Triumph International zum Vorwand für ihre Entlassung genommen hatte.

Seitdem die Folgen der weltweiten Rezession auch Thailand erreichen und insbesondere internationale Betriebe ihre Tore zeitweise schließen, vermehren sich die hiesigen Arbeitskämpfe. Im Stadtbezirk Bang Na von Bangkok besetzen am 17. Dezember ca. 400 FabrikarbeiterInnen die Straße, eine Hauptverkehrsader zum Industriegebiet in der östlichen Küstenregion und zum internationalen Bangkoker Flughafen, um die Auszahlung des vereinbarten Jahresbonus zu erzwingen. Im Norden Thailands blockierten am 16. Dezember Lastkraftwagen die Straßen zu einer Mühle in der Stadt Loei, damit die Behörde die Mindestpreise für landwirtschaftliche Produkte erhöht. Im Zeitraum der letzten zwei Wochen häufen sich die Streikmeldungen. 300 Stahlarbeiter der Firma ThaiNox Stainless streikten erfolgreich gegen eine Lohnkürzung wegen eines Zwangsstillstands vom 15.12.08 bis 15.01.09. Auch in einem Automobil-Zulieferbetrieb wurde letzte Woche gestreikt.

Teilweise sind es relativ entschlossene Arbeitskämpfe, die sich mit einem ersten Kompromissangebot nicht zufriedengeben. Alle haben den entschlossenen Kampf der PAD miterlebt. Dies scheint der Hintergrund der gegenwärtigen Arbeitskämpfe zu sein, mit denen versucht wird – trotz weltweiter Rezession – sich offensiv zur Wehr zu setzen.

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