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Teheran: Die Räder stehen still

Von Harry Tuttle | 01.02.2006

Um die Zulassung ihrer Gewerkschaft und die Freilassung inhaftierter Aktivisten durchzusetzen, streikten die Busfahrer in Teheran. Der Streik traf das Regime an einer empfindlichen Stelle. Denn das Wirtschaftsleben im 14 Millionen Einwohner zählenden Großraum Teheran kommt ohne die Busfahrer zum Stillstand. Zudem hatten die Streikenden die Sympathien vieler TeheranerInnen auf ihrer Seite, und erstmals kam es zu größeren Solidaritätsaktionen der internationalen Gewerkschaftsbewegung.

Um die Zulassung ihrer Gewerkschaft und die Freilassung inhaftierter Aktivisten durchzusetzen, streikten die Busfahrer in Teheran.

Kritik schätzt der Teheraner Generalstaatsanwalt Said Mortazawi nicht. Als nach der Wahl des vorgeblich reformorientierten Präsidenten Muhammad Khatami 1997 viele IranerInnen die Hoffnung hegten, dass der politische Spielraum nun etwas größer geworden sei, belehrte er sie über ihren Irrtum. Die Schließung von 120 Zeitungen und Zeitschriften geht auf die Initiative Mortazawis zurück, der seitdem „Zeitungskiller“ genannt wird. Viele JournalistInnen wurden verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt. Die Journalistin Zahra Kazemi, die 2003 in der Haft an einem Schädelbruch starb, soll er bei einem Besuch im Evin-Gefängnis sogar persönlich geschlagen haben.

Nun will sich Mortazawi offenbar auch einen Namen als „Gewerkschaftskiller“ machen. Am 22. Dezember ordnete er die Verhaftung von Mansour Ossanlou und mindestens dreizehn weiteren Gewerkschaftern an, die ebenfalls in das berüchtigte Evin-Gefängnis, die zentrale Haftanstalt für politische Gefangene, gebracht wurden. Sie waren führend am Aufbau einer unabhängigen Gewerkschaft bei der Vahed Busgesellschaft Teherans und der Vororte beteiligt.
Atombomben statt Armutsbekämpfung
Die Gewerkschaft war bereits 1979 gegründet worden, kurz nach der iranischen Revolution. Der Sturz des Schah-Diktatur war keine „islamische“ Revolution, neben den von Ayatollah Khomeini geführten IslamistInnen waren auch linksnationalistische, sozialistische und liberale Organisationen beteiligt. Doch die IslamistInnen setzten ihre Alleinherrschaft durch, indem sie alle anderen Organisationen zerschlugen und in den Jahren 1980 und 1981 etwa 80 000 politische GegnerInnen ermordeten. Auch die Teheraner Busarbeitergewerkschaft wurde 1981 verboten.

Unabhängige Organisationen, ob politisch, sozial oder kulturell, sind im iranischen „Gottesstaat“ verboten. Die schiitische Geistlichkeit beherrscht alle wichtigen staatlichen Institutionen, und wenn die normalen Repressionsmethoden nicht mehr ausreichen, stehen paramilitärische Schläger- und Killertrupps wie die Ansar Hizbollah bereit. Das iranische Regime ist eine rechtsextreme kapitalistische Diktatur, die ihre Öleinnahmen lieber für Atom- und andere Rüstungsprojekte ausgibt als für die Verbesserung derLebensverhältnisse.
Die realen Löhne der Busfahrer Teherans sind seit 1979 um 45% gesunken, und seit vier Jahren gab es keine Lohnerhöhung mehr. Die meisten Vahed-Angestellten können sich keine Wohnung in Teheran leisten, sie müssen aus weit entfernten Vororten zur Arbeit anreisen und zudem noch einen zweiten, manchmal sogar noch einen dritten Job annehmen, um über die Runden zu kommen.

Als vorgebliche Interessenvertretung agiert der „Islamische Rat“, eine „gelbe“, unternehmerfreundliche Pseudogewerkschaft. Seit 2003 bemühen sich die Vahed-Beschäftigten um den Aufbau einer neuen, unabhängigen Interessenvertretung, und im Sommer des vergangenen Jahres wurde die Gewerkschaft offiziell gegründet, ihr gehören mehr als 10 000 der 17 000 Angestellten an. Immer wieder wurden Gewerkschafter festgenommen und von Schlägern der Ansar Hizbollah bedroht und überfallen. Nach den Verhaftungen im Dezember aber war das Maß voll: die Vahed-Arbeiter traten in den Streik. Sie forderten die Freilassung aller Inhaftierten, die Anerkennung ihrer Gewerkschaft, eine Lohnerhöhung und bessere Arbeitsbedingungen.
Repression und Kompromisse
Der Streik traf das Regime an einer empfindlichen Stelle. Denn das Wirtschaftsleben im 14 Millionen Einwohner zählenden Großraum Teheran kommt ohne die Busfahrer zum Stillstand. Zudem hatten die Streikenden die Sympathien vieler TeheranerInnen auf ihrer Seite, und erstmals kam es zu größeren Solidaritätsaktionen der internationalen Gewerkschaftsbewegung. Unter anderem forderten die US-amerikanische Transportarbeitergewerkschaft der Teamsters und ver.di die Freilassung der Aktivisten.
So wurden zwar wie gewohnt die Repressionskräfte in Marsch gesetzt. „Der Druck auf alle Gewerkschaftsmitglieder hat sich erhöht, die Konten wurden gesperrt und die Lohnauszahlung gestoppt“, heißt es in einer Erklärung der Streikenden, die sich gezwungen sahen, den Arbeitskampf abzubrechen. Das Regime sah sich aber auch zu Kompromissen gezwungen. Der Direktor der Vahed-Gesellschaft wurde entlassen, die meisten inhaftierten Gewerkschafter wurden freigelassen. Mansur Ossanlou ist jedoch immer noch im Gefängnis, und derzeit ist unklar, welche Forderungen der Streikenden erfüllt wurden. „Unabhängig vom endgültigen Ausgang dieser Runde der Konfrontation hat die Arbeiterklasse im Iran einen wichtigen Sieg errungen“, resümiert die Arbeiterkommunistische Partei des Iran – Hekmatist. „Dies war nur eine Schlacht in einem Krieg, der gerade beginnt.“

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