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Betrieb & Gewerkschaft

Tarifrunde Öffentlicher Dienst – ver.di in der Zwickmühle

Von Thadeus Pato | 01.07.2005

Am 25.4. erklärte die Bundestarifkommission von ver.di die Tarifverhandlungen mit den Ländern für gescheitert. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder lehnte die Übernahme des ohnehin nicht berauschenden Ergebnisses (siehe Avanti Nr. 120 vom April) ab, das bei den bei den Verhandlungen mit Bund und Kommunen erzielt worden war. Insbesondere beharrte sie auf Öffnungsklauseln und Verlängerung der Arbeitszeiten.

Nun ist ver.di in der Zwickmüh-??le: Erstens gibt es in dem mit ??Bund und Kommunen ausgehandelten Vertrag eine Klausel, die es jenen erlaubt, wenn die Länder ein "besseres" Ergebnis erzielen, dieses zu übernehmen. Damit steht ver.di unter erheblichem Druck. Eine Niederlage würde bedeuten, auch den mit dem Bund und den Kommunen ausgehandelten Vertrag zu wertlosem Papier zu machen. Folgerichtig wurden in mehreren Bundesländern Warnstreiks ausgerufen, die bis hin zum Krankenhausbereich (z. B. an der Uniklinik Freiburg und in München) auch erfolgreich durchgeführt wurden.
Zweitens sprach der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft, Niedersachsens Finanzminister Möllring (CDU), offen aus, was die Spatzen von den Dächern pfeifen: Die Zeit arbeitet nicht für ver.di, sondern für die öffentlichen "Arbeitgeber". Denn seit einige Länder einseitig die Verträge kündigten, wurden bereits allerorts neue Verträge mit längeren Arbeitszeiten abgeschlossen und die bisherigen gelten nur noch für die Altbeschäftigten.
Hier rächt sich, dass ver.di nicht, wie letztes Jahr von der ver.di-Linken gefordert, seinerzeit sofort aus der sogenannten Prozessvereinbarung ausgestiegen ist, als einige Bundesländer die Tarifgemeinschaft der Länder und damit den Verhandlungstisch verließen. Nun hat man gleich zwei Probleme: Zum einen, dass das Ergebnis der Verhandlungen mit Bund und Kommunen nicht gerade dazu anreizt, dafür zu streiken und zum anderen, dass eine Spaltung der Beschäftigten bereits stattgefunden hat. In zahlreichen Dienststellen z.B. in Bayern arbeiten bereits jetzt KollegInnen miteinander, die für die gleiche Arbeit verschiedene Löhne bekommen und verschiedene Arbeitszeiten haben. Auch bei der Verlängerung von Zeitverträgen werden generell neue Verträge mit von den Arbeitgebern festgelegten neuen Bedingungen (Streichung von Weihnachts- und Urlaubsgeld, längere Arbeitszeiten) abgeschlossen.
Die einzig logische Antwort: Flächenstreik
Der einzige Weg aus diesem Dilemma wäre der Flächenstreik. Wenn ein Ergebnis unterhalb der Bundesebene herauskommt, ist die Aufspaltung der Beschäftigten in solche erster und zweiter Klasse ebenso festgeschrieben wie der Weg zurück zur 40- bzw. 42-Stunden-Woche – und es steht zu befürchten, dass dann auch das Ergebnis bei Bund und Kommunen kippt (s.o.). Wenn ver.di sich nicht selbst überflüssig machen will, muss die Urabstimmung für einen Flächenstreik sofort eingeleitet werden. Jeder tariflose Tag länger vermehrt die Zahl derer, die bereits unter neuen Bedingungen eingestellt werden – bisher sollen es nach Angaben von Möllring stellenweise schon an die 30% der Beschäftigten sein.
Die Kampfbereitschaft ist da, das zeigt die breite Beteiligung an den Warnstreikaktionen in mehreren Bundesländern. Möllring allerdings zeigte sich davon bisher unbeeindruckt: "Von den Warnstreiks merken wir bisher nichts." Und die ver.di-Spitze hält sich bedeckt: Derzeit sind keinerlei Informationen über das weitere Vorgehen zu bekommen. Der Verdacht liegt nahe, dass die Gewerkschaftsspitze mit Rücksicht auf ihre Parteifreunde bei SPD und Grünen vor der Bundestagswahl nicht zu viel Staub aufwirbeln will. In der Erklärung der Bundestarifkommission nach dem Scheitern der Verhandlungen wurden zwar starke Worte gefunden ("Der Druck muss spürbar erhöht werden, um die Arbeitgeber im Länderbereich zum Einlenken zu bewegen"), aber die Politik der Nadelstiche hat bisher rein gar nichts bewegt. DGB-Chef Sommer macht derweil gegenüber der CDU – deren Länderregierungen den derzeitigen Konfrontationskurs eingeleitet haben – schon mal auf Schmusekurs: "….Ich bin sicher, dass Union und Gewerkschaften in vielen Fragen gemeinsame Positionen entwickeln können."
Angesichts dieser Sachlage bleibt nur eins: Die Gewerkschaftsführung unter Druck zu setzen. Möllring hat Recht: Die Zeit arbeitet gegen ver.di. Was Not tut, sind nicht Nadelstiche, sondern ein kräftiger Hieb: Urabstimmung und Streik.

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