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Betrieb & Gewerkschaft

Tarifrunde Öffentlicher Dienst: Die Büchse der Pandora ist geöffnet

Von Thadeus Pato | 01.03.2005

„Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“: Das wird wohl die Standardantwort von ver.di-Chef Frank Bsirske werden, wenn man ihn auf das Ergebnis der Tarifrunde im Öffentlichen Dienst für die Beschäftigten des Bundes und der Kommunen anspricht.

„Der Gewerkschaftsrat hat eindeutig festgelegt, dass auch im Zusammenhang mit Not- und Härtefällen eine Arbeitszeitverlängerung – egal ob mit oder ohne Lohnausgleich – nicht abgeschlossen werden darf.“ So schrieb eben dieser Bsirske am 9.12.2004 an alle Sekretärinnen und Sekretäre, die für Ver.di Tarifverhandlungen führen. Aber der grüne Frank ist nun einmal kein Sekretär und deshalb setzte er sich nonchalant über seine eigenen Vorgaben hinweg: Eines der Ergebnisse der Tarifverhandlungen war denn auch die Verlängerung der Arbeitszeiten für die Bundesbeschäftigten in den alten Bundesländern auf 39 Stunden (verkauft als Angleichung der Arbeitszeiten in Ost und West). Bei den Kommunen bleibt es bei 38,5 Stunden (West) und 40 Stunden (Ost) – allerdings mit dem Damoklesschwert einer Öffnungsklausel für eine Erhöhung auf 40 Stunden im Westen auf landesbezirklicher Ebene. «Das Falscheste, was man machen kann…angesichts von 5 Millionen Arbeitslosen»- ebenfalls Originalton Bsirske, wobei ihm abgesehen von der Tatsache, dass man falsch nicht steigern kann, voll zuzustimmen ist –, nämlich Arbeitszeitverlängerung, hat er selbst ausgehandelt und dann auch in der Tarifkommission durchgepaukt.

Das Ergebnis

Aber dabei blieb es nicht. Das gesamte Ergebnis der Tarifrunde ist ein Desaster:

• Der Tarifvertrag hat eine Laufzeit von sage und schreibe 35 Monaten. Das heißt unter anderem, dass die nächsten drei Jahre im Falle eines (nicht unwahrscheinlichen) Anstieges der Inflationsrate keine Möglichkeit für Korrekturen besteht.
• Weihnachts- und Urlaubsgeld werden ab 2007 gekürzt – für die unteren Lohngruppen um zehn Prozent, für die mittleren um 20 Prozent, für die höchsten um 40 Prozent.
• Ganz wegfallen sollen die Zuschläge für Beschäftigte mit Kindern und für Verheiratete. Stattdessen sind „Leistungszulagen“ geplant.
• Die unterste Lohngruppe für gering Qualifizierte liegt jetzt bei 1286 Euro im Monat, das sind mindestens 300 Euro weniger als bisher.
• Alle Beschäftigten „dürfen“ nun zwischen 6 und 20 Uhr arbeiten – und zwar maximal zwölf Stunden am Tag und 45 Stunden pro Woche.

Demgegenüber wirken die vereinbarte pauschale Einmalzahlung von 300 Euro pro Beschäftigte(n) und Jahr für 2005 bis 2007 sowie die schrittweise Angleichung der Ostgehälter von 92,5 auf 97% des Westlohnes wie ein schlechter Witz, besonders wenn Bsirske sich damit brüstet, damit etwas für die unteren Lohngruppen getan zu haben. Dass er gleichzeitig Billiglohngruppen zugelassen hat und zufälligerweise die damit erfolgte Absenkung etwa diese dreihundert Euro ausmacht, darüber verlor er kein Wort. Ganz zu schweigen davon, dass eine pauschale Einmalzahlung etwas ganz anderes ist als die Festgeldforderungen, für die die Linke in den Gewerkschaften seit Jahrzehnten kämpft. Denn eine Einmalzahlung ist kein regulärer Lohnbestandteil, erhöht also in keiner Weise den Lohnsockel, von dem aus die nächsten Verhandlungen geführt werden.

Schily zufrieden

Innenminister Schily war dementsprechend auch sehr zufrieden: Eine reguläre Lohnerhöhung hat es nicht gegeben, in der Frage der längeren Arbeitszeiten wurde mit der genannten Öffnungsklausel ein Durchbruch erzielt, ebenso in Sachen Billiglohngruppen und dann hat man mit der Rekordlaufzeit des Vertrages auch noch Ruhe an der Front des Öffentlichen Dienstes bis nach der nächsten Bundestagswahl, was auch dem Grünenmitglied und ehemaligen Personaldezernenten Bsirske im Interesse seiner Partei nicht ungelegen kommen dürfte….
Im Interesse der Beschäftigten ist dieser Tarifabschluss allerdings nicht und das drückte sich auch in bei der Entscheidung in der Ver.di-Bundestarifkommission aus: Von 125 Teilnehmern stimmten dem Kompromiss 80 zu, bei fünf Enthaltungen. Die Angaben zu den Nein-Stimmen schwanken zwischen 32 und 44. Das ist zwar ein eindeutiges Ergebnis, aber es zeigt auch, dass der Widerstand gegen den Kurs der Gewerkschaftsführung nicht nur in der Mitgliedschaft, sondern auch auf Funktionärsebene größer wird. Bereits im Vorfeld der Verhandlungen hatte es seitens verschiedener Bezirke Proteste gegen eine damals schon befürchtete de facto-Nullrunde gegeben.
Und wie es weitergehen könnte, wenn nicht auf entschlossenen Widerstand statt auf Schmusekurs geschaltet wird, zeigt die Entwicklung auf Landesebene: In Bayern, das sich bereits letztes Jahr aus der Tarifgemeinschaft der Länder ausklinkte, werden Neuverträge schon seit 2004 mit 42 Stunden Wochenarbeitszeit abgeschlossen. Weihnachtsgeld gibt es gar nicht mehr.

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