TEILEN
Betrieb & Gewerkschaft

Tarifrunde im Öffentlichen Dienst: Divide et impera – Teile und herrsche

Von Thadeus Pato | 01.04.2005

Eigentlich können wir ganz zufrieden sein: Einheitliches Tarifrecht für Arbeiter und Angestellte, Vereinfachung der Tarifstruktur, geringere Einbußen als befürchtet, Angleichung Ost-West – so der Tenor der Verlautbarungen der ver.di-Führung zum Ergebnis der Tarifverhandlungen in Bund und Kommunen.

 
Die Realität des Abschlusses sieht allerdings anders aus, wie wir in der letzten Avanti bereits berichteten. Wie ist es zu diesem Abschluss gekommen und was sind die Gefahren, die aus ihm resultieren?

Ade einheitliches Tarifrecht?

Die Gewerkschaftslinke hatte bereits im vergangenen Jahr einen Ausstieg aus der sogenannten Prozessvereinbarung gefordert. Die Vereinbarung sah einen gemeinsamen Diskussionsprozess über ein neues einheitliches Tarifwerk zwischen öffentlichen Arbeitgebern und Gewerkschaften vor (die sich über zwei Jahre hinzogen und an dessen Ende jetzt der neue Tarifvertrag steht). Diese Vereinbarung wurde von einigen Bundesländern unterlaufen, die entweder aus der Tarifgemeinschaft ausstiegen und/oder nach Auslaufen der Verträge bei Neueinstellungen z.B. Weihnachts- und Urlaubsgeld zusammenstrichen und die Arbeitszeiten verlängerten. Das führte dazu, dass heute bereits in weiten Bereichen des öffentlichen Dienstes kein einheitliches Tarifrecht mehr existiert. So ist es heute beispielsweise in Bayern Realität, dass zwei Beschäftigte mit exakt der gleichen Tätigkeit unterschiedliche Arbeitszeiten haben und unterschiedlich entlohnt werden.
Und eben das war der Grund für die Forderung nach dem Ausstieg aus der Prozeßvereinbarung: Nur ein solcher Ausstieg hätte, im Verein mit Warnstreiks und anderen Kampfmaßnahmen, verhindern können, dass es zu einer Aufspaltung in Beschäftigte erster und zweiter und demnächst vielleicht dritter Klasse kommt und die Strategie des “teile und herrsche” durchkreuzt. Statt dessen wurde weiter verhandelt, als wäre nichts geschehen.

Schily ist zufrieden….

Innenminister Schily jedenfalls ist mit dem Ergebnis nicht nur zufrieden, sondern sogar der Meinung, das Maximale herausgeholt zu haben. Die entscheidenden Punkte für ihn und die Regierung waren dabei zum einen die Öffnungsklauseln, die regional unterschiedliche Arbeitszeiten ermöglichen und die fast dreijährige Laufzeit des Vertrages. Ersteres bedeutet eine zusätzliche Aufweichung des einheitlichen Tarifrechtes, letzteres Ruhe vor der nächsten Bundestagswahl. Und die eingeführten “leistungsbezogenen” Zulagen, von denen bisher nicht bekannt ist, wie sie verteilt werden sollen, stellen nicht, wie die ver.di-Führung suggerieren möchte, einen Fortschritt dar. “Die Beschäftigten werden ihrer Leistung entsprechend bezahlt und nicht mehr entsprechend dem althergebrachten Prinzip von Dienstherrn und Untergebenen: Das schafft Transparenz und eröffnet Chancen”, ist in der Präsentation des neuen Tarifvertrages auf der verdi-Homepage zu lesen. Das Gegenteil ist wahr: Letztendlich werden die Vorgesetzten über diese Zulagen befinden und haben damit ein zusätzliches Druckmittel in die Hand bekommen, um Wohlverhalten, Überstunden etc. durchzusetzen.

Unheilige Allianz

Die ver.di-Führung hat mit diesem Abschluß vor allem eines gezeigt: Staatsraison geht ihr vor gewerkschaftlicher Interessenvertretung. Leicht wurde ihr der Schulterschluss mit den öffentlichen Arbeitgebern allerdings dadurch gemacht, dass die Beschäftigten durch die katastrophale Arbeitsmarktlage und die allerorten durchgesetzte Lohndrückerei in der Privatwirtschaft keine großen Erwartungen an die Tarifrunde knüpften. Die allgemeine Haltung nach dem Abschluss war die des “schlimm, hätten wir aber noch schlimmer erwartet”. Zwar gab es in der Tarifkommission Gegenwehr. So argumentierte ein Vertreter der ArbeiterInnen in der Tarifkommission: “Wenn wir hier einknicken (in der Frage der Arbeitszeit, Anm. des Verf.), kann ich mich nirgends mehr blicken lassen”. Zahlreiche Delegierte stimmten gegen den Abschluss, aber letztendlich setzte sich die Allianz der Regierungstreuen mit dem Grünen Bsirske an der Spitze durch.

Wie weiter?

Die nächste Herausforderung steht vor der Tür: Im April beginnen die Verhandlungen über den Tarifvertrag für die Landesbediensteten. Wenn es hier nicht gelingt, als absolutes Minimum den mit Bund und Kommunen ausgehandelten Vertrag eins zu eins zu übernehmen, die bereits eingeführten Veränderungen in einigen Ländern (Bayern, Hessen, Baden-Württemberg) sowie Öffnungsklauseln bei der Arbeitszeit zu verhindern, so ist das einheitliche Tarifrecht endgültig passè. Deshalb muß die Linke in ver.di in den nächsten Wochen versuchen, den Druck auf die Gewerkschaftsführung zu erhöhen und breiten Widerstand gegen jeden Versuch, ein gesondertes Tarifrecht für die Länder zu etablieren, zu organisieren.

Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Zur Startseite