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Betrieb & Gewerkschaft

Tarifabschluss der Länder – eine vertane Chance

Von Paul Brandt | 28.04.2013

Der Tarifabschluss für die Beschäftigten der Länder ist das Ergebnis einer „Politik mit angezogener Handbremse“ seitens der Gewerkschaftsspitzen.

Der Tarifabschluss für die Beschäftigten der Länder ist das Ergebnis einer „Politik mit angezogener Handbremse“ seitens der Gewerkschaftsspitzen.

Aus den diesjährigen Verhandlungen zwischen der Verhandlungskommission der Länder und der Tarifgemeinschaft, bestehend aus ver.di, der GEW, dem Beamtenbund und der Gewerkschaft der Polizei, kam unter dem Strich für die Beschäftigten ein mageres Ergebnis heraus: Rückwirkend ab dem 1. Januar 2013 wird es 2,65 % mehr Lohn geben, ab dem 1.1.2014 dann 2,95 %. Das Ganze bei einer Laufzeit von 24 Monaten. Auszubildende werde „bei Bedarf“ übernommen – wer definiert den wohl?

Bei dem Urlaub bleibt es bei der bisherigen Regelung, die Beschäftigten in den psychiatrischen Kliniken erhalten einen zusätzlichen Urlaubstag. Viele werden sicher mit diesem Ergebnis zufrieden sein, eine wirkliche Verbesserung ist es aber nicht.

Wer die vereinbarten Lohnerhöhungen um die Inflationsrate korrigiert, kommt für dieses Jahr beim Einkommen auf eine Steigerung von einem Prozent und für 2014 auf 1,8 Prozent (prognostiziert). Auch die 30 Urlaubstage sind kein wirklicher Verhandlungserfolg, da die Absenkung für einzelne Gruppen auf 26 Tage gerichtlich als unzulässig beschieden wurde.
Was die berechtigten Interessen der Lehrkräfte nach einer einheitlichen Eingruppierung betrifft, stießen sie auf Granit. Das ist besonders bitter. Die Lehrkräfte gehörten zu den kämpferischsten Teilen bei den Warnstreiks.

Die Laufzeit des Tarifvertrages von 24 Monaten führt dazu, dass die Tarifverhandlungen der Kommunen und des Bundes immer um ein Jahr versetzt zu denen der Länder geführt werden, das schwächt die Durchsetzungsfähigkeit von Forderungen.
Wäre mehr drin gewesen?
Auch wenn es keine Garantien für den Erfolg von Lohn- und Arbeitskämpfen gibt, so meinen wir dennoch: Ja, es wäre für die Kolleginnen und Kollegen mehr drin gewesen. Das Argument von dem schwachen gewerkschaftlichen Organisationsgrad der Beschäftigten überzeugt nicht.

Es gab eine kämpferische Stimmung bei den verschiedenen Warnstreiks, die Mobilisierung bei den Lehrkräften war sehr erfolgreich. Bei den Warnstreiks in Berlin gingen über 12.000 Beschäftigte auf die Straße, besonders aktiv dabei die Erzieherinnen und Erzieher, die an den Schulen eingesetzt werden. In Düsseldorf nahmen über 10.000 am Warnstreik teil.
Die Sympathie in der Bevölkerung für die Warnstreikenden war wesentlich größer als in den vergangenen Jahren, die Forderungen trafen auf deutliches Verständnis. Die Argumentation der Politiker von den knappen Kassen griff in der Öffentlichkeit überhaupt nicht. Unter den warnstreikenden Kolleginnen und Kollegen kam ein verbindendes, über den jeweiligen Betriebsbereich hinausgehendes Gemeinschaftsgefühl auf, das belebte.
Was wurde unterlassen?
Grundsätzlich ist eine Tarifgemeinschaft der Gewerkschaften eine gute Sache. Eine Gemeinschaft mit der Gewerkschaft der Polizei und der Deutschen Polizeigewerkschaft (Beamtenbund) ist allerdings ein Unding. Das schwächt die Kampfbereitschaft der Lohnabhängigen. Denn in dieser Gemeinschaft mit der Polizei sitzen die KollegInnen mit Kräften in einem Boot, die, wenn es drauf ankommt, die bestehende Verteilungs- und Ausbeutungsordnung gegen die Klasse der Lohnabhängigen verteidigen werden.

Tarifgemeinschaften müssen genutzt werden. Gemeinsame, gezielte Veranstaltungen und Diskussionen zu Kampfmaßnahmen in den Betrieben und Verwaltungen erhöhen die Durchsetzungskraft. Die gewerkschaftlichen Vertrauensleute der verschiedenen Bereiche und Dienststellen können gemeinsame konkrete Aktionen organisieren und vorantreiben. Eine offensive Lohnforderung (300 Euro Festgeld) mobilisiert zusätzlich und macht den Verhandlungsgegnern klar, dass  mit den Beschäftigten nicht zu spaßen ist. Auch durch eine demonstrative, frühe Vorbereitung auf einen möglichen Streik und die Bildung von Streikkomitees an der Basis kann Druck bei den Verhandlungen erzeugen.

Besonders aber wurde wieder einmal auf die Vernetzung mit Tarifkämpfen anderer Branchen verzichtet. In diesem Jahr stehen Tarifverhandlungen für mehr als 9 Millionen Beschäftigte an – und das im Jahr der Bundestagswahl. Eine Koordination dieser Verhandlungen führt geradezu zwangsläufig zu mehr Kampfkraft.

Die gezielte Einbeziehung der Bevölkerung hätte gute Chancen ermöglicht. Zum einen gab und gibt es besonders für die Forderungen der Lehrkräfte viel Verständnis. Zum anderen kann das aufgegriffen werden, um auch auf die Lage der prekär Beschäftigten der Klasse aufmerksam zu machen und mit ihnen das Bündnis zu suchen, mit und ohne Job wird „die Kohle“ immer knapper.

Ein immer  größeres Problem ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, gerade in Ballungszentren. Wir müssen daran arbeiten, diese Verknüpfung von Arbeit und allgemeinen Lebensverhältnissen mehr in den gewerkschaftlichen Zusammenhang zu stellen. So können auch neue Mitglieder für eine klassenkämpferische Tendenz in den Gewerkschaften gewonnen werden.

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