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Länder

Sudan: Öl und Lügen

Von Thadeus Pato | 01.11.2004

50.000 Tote, eine Million innerer Flüchtlinge und 200.000 Flüchtlinge im benachbartem Tschad – das ist nach Angaben von Human Rights Watch die bisherige Bilanz des neuerlichen Bürgerkrieges im Sudan.

50.000 Tote, eine Million innerer Flüchtlinge und 200.000 Flüchtlinge im benachbartem Tschad – das ist nach Angaben von Human Rights Watch die bisherige Bilanz des neuerlichen Bürgerkrieges im Sudan.

Während der seit über 20 Jahren andauernde Krieg zwischen der Zentralregierung und der südsudanesischen Befreiungsorganisation SPLA im Jahr 2003 mit einem Friedensabkommen beendet schien, der dem Südsudan nicht nur eine Teilautonomie und Beteiligung an den Öleinnahmen, sondern auch dem Chef der SPLA, John Garang, den Posten als stellvertretender Ministerpräsident einbrachte, brach im gleichen Jahr in der westsudanesischen Provinz Darfur ein weiterer Konflikt aus.
Verantwortlich gemacht werden für die Vertreibungen, Massenmorde und Zerstörungen die sogenannten islamischen Reitermilizen Janjaweed, die von der Regierung in Khartum unterstützt werden sollen. Merkwürdigerweise kann aber keiner der sogenannten Experten sagen, um was für eine Bevölkerungsgruppe es sich dabei handelt. Was die wenigsten wissen, ist, dass es im Sudan AraberInnen im ethnischen Sinne so gut wie gar nicht gibt, abgesehen von einer kleineren Gruppe Zugewanderter, den sogenannten Kababisch, die vor ca. 200 Jahren aus Saudi-Arabien kamen. Die Sudanesen des Nordens sind ansonsten allesamt Schwarze, allerdings islamischen Glaubens und Arabisch sprechend. Bei den so genannten arabischen Reitermilizen handelt es sich mit höchster Wahrscheinlichkeit um Angehörige von Nomadenstämmen, die wegen der zunehmenden Bevölkerungsdichte (die Bevölkerung verdoppelt sich inzwischen ca. alle 20 Jahre) und den daraus entstehenden Landkonflikten mit den sesshaften Stämmen für ihre Durchzugsrechte in den Krieg ziehen.
In der internationalen Presse wird allerdings mit der Bezeichnung “islamische Reitermilizen” suggeriert, dass es sich um einen ethnischen Konflikt handele und die “Islamisten” ethnische Säuberungen vornähmen. Wie seinerzeit beim Bürgerkrieg im Südsudan wird außerdem der Eindruck erweckt, es gehe auch noch um einen Religionskrieg.

Der Einfluss der Ölkonzerne

Dass diese Propaganda zusammenfällt mit den Bestrebungen westsudanesischer Rebellenorganisationen Sudanese Liberation Movement (SLM) und Justice Equality Movement (JEM), auch für den Westsudan eine ähnliche Lösung wie für den Südsudan zu erreichen, ist dabei nicht zufällig. In Wirklichkeit geht es mal wieder ums Öl: In den letzten Jahren wurden Ölvorkommen in Gegenden von Libyen, Tschad und des Sudan entdeckt, wo man bisher keine vermutete. Dazu ist die Qualität des Öls besser als im Nahen Osten. Konzessionen, auch für den Darfur, sind bereits vergeben. Verschiedene Ölkonzerne liefern sich einen Wettlauf um diese neuen Ölquellen, unter anderem Talismán aus Kanada, National China Petroleum, Petronas und der österreichische Konzern OMV. Auch Total aus Frankreich ist mit im Rennen. Um diese Lizenzen geht es und dafür wird, vor allem von US-amerikanischer Seite, einmal mehr die islamistische Gefahr beschworen. Um an die begehrten Förderlizenzen zu kommen, muss die Regierung in Khartum geschwächt werden und dazu eignet sich der Konflikt in Darfur bestens: Nach dem zitierten Bericht von Human Rights Watch, “Sudan, Oil and Human Rights”, verüben die Erdölunternehmen Grundrechtsverstöße oder sie regen diese an, weil sie davon profitieren. Dann weigern sie sich, irgendeine Verantwortlichkeit zu übernehmen oder die Flüchtlinge zu entschädigen. Die späte Reaktion der UNO auf die Vertreibungen ist übrigens darauf zurückzuführen, dass einige Länder, nämlich Frankreich, Pakistan, China und Algerien, hinhaltenden Widerstand gegen eine entsprechende UN-Resolution leisteten. Die ausländischen Profiteure fahren also eine Doppelstrategie: Einerseits heizen sie den lokalen Konflikt an und verhindern eine rechtzeitige Intervention, andererseits benutzen sie die “islamistische Karte”, um die Regierung in Khartum für die Geschehnisse verantwortlich zu machen – mit einem derart in die Enge getriebenen Partner verhandelt es sich leichter.
Damit soll wohlgemerkt die sudanesische Regierung nicht in Schutz genommen werden. Aber wer den Sudan wirklich kennt, der weiß, dass die Zentralregierung in Khartum auf regionale Konflikte in dem größten afrikanischen Land, das die siebenfache Fläche der BRD und in weiten Landesteilen keinerlei Verkehrsinfrastruktur hat, seit jeher nur begrenzten Einfluss hatte – und auch ganz gerne tatenlos zusah.
Aber die ProfiteurInnen dieses Konflikts sitzen mit Sicherheit nicht in erster Linie in Khartum. Die sitzen in den Vorstandsetagen der Ölkonzerne und reiben sich die Hände, während die internationale Szene der professionellen Hilfsorganisationen freiwillig für sie die Drecksarbeit macht.

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