Studie widerlegt Merz-Hetze
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Mindestlohn deutlich höher als Bürgergeld

Studie widerlegt Merz-Hetze

Von Manuel Kellner | 24.09.2023

Eine der bittersten Folgen des Aufschwungs der extremen Rechten ist, dass sie die etablierte bürgerliche Politik wie einen Nasenbär durch die Manege führt. Egal in welcher Frage, egal ob Flüchtlingspolitik oder Klimakrise oder sonst was, wird der Rechten nachgeplappert und diese so weiter gestärkt. Offen wird gefordert, das Recht auf Asyl abzuschaffen. Mit Schaum vor dem Mund werden statt der Klimakrise die Klimakleber zu Problembären erklärt. Auch zum Thema Löhne und Sozialleistungen sind sich exponierte Politiker nicht zu schade, zum Sprachrohr dümmlichster Stammtischparolen und Revolverblatt-Hetze zu werden.

CDU-Chef Merz hatte öffentlich erklärt, arbeiten lohne sich nicht mehr, weil die „Transferleistungen“ mehr Geld bringen würden als die geringsten Löhne. Unterton: das Bürgergeld dürfe  deshalb nicht erhöht, sondern müsse eher gesenkt werden. Auslöser für diese Art von Demagogie war die für den 1. Januar 2024 anstehende Erhöhung des Bürgergelds um rund 12 Prozent.

Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) hat nun im Auftrag des ARD-Magazins Monitor neue Berechnungen vorgelegt. Aus ihnen geht hervor, dass Mindest- und Niedriglohnbezieherinnen deutlich höhere Einkommen erzielen als die Bezieher von Bürgergeld. Es handelt sich dabei um Unterschiede von mehreren hundert Euro, bei Alleinstehenden durchschnittlich 532, bei Familien mit Kindern zwischen 446 und 788 Euro. Der Mindestlohn ist seit seiner Einführung 2015 um 46 Prozent gestiegen, der Regelsatz des Bürgergelds (vormals Hartz IV) für Alleinstehende um 41,1 Prozent. (https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-lohnabstand-gewaehrleistet-existenz-)

Mal abgesehen davon, dass die Aussage von Merz zu den Ärmsten der Armen (egal ob mit Arbeitseinkommen oder nicht)  aus dem Mund eines finanziell sündhaft gut gepolsterten Mannes geradezu obszön ist: Sie ist auch kontrafaktisch, erstunken und erlogen (ich müsste ihn beleidigen, wenn ich unterstellte, er glaube selber den widerlichen Widersinn, den er zum besten gibt).

Momentchen mal…

Aber Momentchen mal, was würde denn daraus folgen, wenn es zumindest in etwa stimmen würde, was Merz behauptet? Ein beliebiger Warenkorb für den durchschnittlichen Bedarf eines normalen Haushalts an Lebensmitteln zeigt doch, dass sowohl das Bürgergeld als auch der Mindestlohn nur zum Sterben zu viel, zum Leben aber zu wenig sind. Die Schlussfolgerung ist also sonnenklar: Der Lohnabstand muss durch kräftige Lohnerhöhungen und insbesondere durch die Erhöhung des Mindestlohns eingehalten werden.

Es ist auch lebensfremder Quatsch, wenn yellow press und trash-TV-Formate unterstellen, dass vergleichsweise hohe Sozialleistungen die Leute dazu bringen würden, freiwillig die abschüssige Bahn der Erwerbsarbeitslosigkeit zu betreten, sozusagen um von „Transferleistungen“ zu „profitieren“. Die Abkunft dieser Art von Schauermärchen ist klar: die Bürgerlichen schließen von sich auf andere, und da sie wissen, dass den wirklichen Profiteuren jede Gaunerei recht ist, wenn sie sich nur selbst bereichern und noch mehr Leute für sich arbeiten lassen können, halten sie diese kapitalistische Besonderheit für eine anthropologische Konstante.

Ein ebenso leeres Gerede wie das vom mangelnden Arbeitsanreiz bei vergleichsweise hohen Sozialleistungen ist die angebliche „Lohn-Preisspirale“. Die wird von den Funktionären und Speichelleckern des Kapitals sogar dann bemüht, wenn, wie jetzt, die Reallöhne hinter dem Preisanstieg empfindlich zurückbleiben.

Der wirkliche Zusammenhang ist vielmehr der Druck von unten, der dem Druck von oben (auf Löhne und Sozialleistungen) von den Lohnabhängen und Benachteiligten entgegengestellt wird: Die Erhöhung der Sozialleistungen begünstigt die Erhöhung des Mindestlohns; die Erhöhung des Mindestlohns begünstigt die Erhöhung der niedrigsten Löhne, die Erhöhung der niedrigsten Löhne begünstigt die Erhöhung der Reallöhne überhaupt. Dies alles wiederum schmälert die Profite, das sei hier freimütig eingeräumt.

Der Interessenkonflikt zwischen Arbeit und Kapital ist eben ein antagonistischer Klassengegensatz. Wer den nicht will, muss mit uns für die Enteignung der Enteigner, die Aufhebung des Kapitalverhältnisses und den Aufbau einer klassenlosen Gesellschaft streiten.

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