Sozialraub und Verarmung
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Unter dem Radar

Sozialraub und Verarmung

Von Manuel Kellner | 16.10.2023

Das Scheinwerferlicht der großen Medien ist auf Kriegsgräuel gerichtet. Auf bestimmte Gräuel, auf andere nicht, wohlgemerkt. Das gleißende Licht blendet zudem. Wie praktisch! Da bleiben die asozialen Maßnahmen der Bundesregierung und die Senkung des Lebensstandards der Beschäftigten und Benachteiligten im Zwielicht. Dabei ist es höchste Zeit für massive Gegenwehr – bevor Resignation und noch mehr politische Abirrungen nach rechts um sich greifen.

Obwohl die Reichen immer reicher werden und die Konzerne Profite scheffeln, die die Inflation anheizen, stopft ihnen der neue Bundeshaushalt noch mehr Geld in den Rachen – und verschleudert Milliarden für eine Hochrüstung der Bundeswehr, die für die Landesverteidigung herzlich wenig, für weltweite Militärinterventionen hingegen gruselig viel leistet. Das Dogma der Schuldenbremse aber muss für die zahlreichen Maßnahmen des Sozialabbaus herhalten.

„Wir können nicht schweigend dabei zusehen, wie eine rückschrittliche Austeritätspolitik soziale Infrastruktur schreddert“, sagt dazu Ulrich Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands.

Der Bundeshaushalt beinhaltet drastische Sozialkürzungen. Zahlreichen Einrichtungen, die Menschen in Not helfen, werden die Unterstützungsgelder zusammengestrichen. Die Freiwilligendienste, die in den Bereichen Kitas und Schulen, Pflege, Naturschutz und Sport tätig sind, erhalten 78 Millionen Euro weniger, was zu Personalabbau im vierstelligen Bereich führen wird. „Selbstverständlich“ werden die Mittel für die Unterstützung und Beratung von Asylsuchenden ebenfalls zusammengestrichen – das gilt auch für die Förderung der Sprachkurse. Entgegen den Koalitionsvereinbarungen – aber heute gilt unter dem Druck der extremen Rechten als „gute Migrationspolitik“ ja nur die Abschreckung, Abschottung und verstärkte Drangsalierung von Flüchtlingen.

Dasselbe läuft aber auch beim neu eingeführten Bürgergeld. In diesem Bereich werden die Betroffenen deutlich weniger Unterstützung, Beratung und Weiterbildungshilfen erhalten. Andrea Nahles, die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, beziffert die Verluste auf 700 Millionen Euro. Die Mittel zur Förderung des sozialen Zusammenhalts im Zuge der Digitalisierung in Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden werden sogar ganz gestrichen. Die Mieten werden immer unbezahlbarer, der soziale Wohnungsbau liegt brach. (Vgl. https://www.der-paritaetische.de/stoppt-sozialkahlschlag/)

Die Reallöhne sind im zweiten Quartal leicht gestiegen, heißt es, wenn auch um weniger als ein Prozent. Bei den am schlechtesten Bezahlten proportional sogar am meisten. Das liegt an der Erhöhung des Mindestlohns, an der Erhöhung der Minijobgrenze von 420 Sauf 550 Euro, an munteren Tarifrunden, für die sich Hunderttausende engagierten. Sollen wir jetzt jubeln? Momentchen mal…

Reallöhne sollen ja die wirkliche Kaufkraft abbilden. Wir brauchen aber keine Statistik um zu spüren, dass wir mit dem Geld nicht auskommen. Gerade die besonders Benachteiligten kommen immer schlechter mit ihren Einkommen aus. Ein Grund dafür ist: Wenn die allgemeine Inflationsrate bei 6,5% liegt, sind gleichzeitig die Lebensmittelpreise um 11% gestiegen. Schon deshalb ist der angebliche Anstieg der Reallöhne eine Mogelpackung. Eine Rolle spielt auch die Inflationsausgleichprämie bis zu 3000 Euro, eine freiwillige Leistung der Unternehmer. Das ist aber eine einmalige Zahlung. Ohne sie gäbe es sogar statistisch weiteren Reallohnabbau. Zu guter Letzt ist die Lohnentwicklung weit davon entfernt, die Einkommensverluste 2021, 2022 und im ersten Quartal 2023 auszugleichen.

Aus alledem geht hervor, dass wir eine neue breite Bewegung gegen den Sozialabbau, gegen die Kaufkraftverluste der Beschäftigten, gegen die weitere Verarmung der besonders Benachteiligten, für eine massive Umverteilung von oben nach unten brauchen. Für Linke gilt es, eine solche Bewegung von der Basis her, in den Betrieben, Stadtteilen und Straßenzügen aufzubauen. Die Betroffenen können nicht allein aus ihrer Lage und ihren Existenzängsten heraus. Als erster Schritt ist zu erreichen, dass sie miteinander klären, wie ihre Lage wirklich ist, der zweite, dass sie sich öffentlich zu Wort melden, der dritte, dass sie sich vernetzen und gemeinsam aktiv werden – für Protest und Widerstand.

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