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Sieg nach 33 Tagen Streik

Von Paolo Gilardi (Bellinzona) | 01.05.2008

Am 9. April ging – zumindest vorläufig –einer der längsten und härtesten Arbeitskämpfe in der Schweizer Nachkriegsgeschichte zu Ende: Nach 33-tägigem Streik haben sich die 430 ArbeiterInnen im Reparatur- und Wartungswerk der CFF-Cargo (Güterverkehr der Bahn) in Bellinzona in der italienischen Schweiz gegen die Unternehmensleitung durchgesetzt. Ziel des am 7. März begonnenen und als Fabrikbesetzung geführten Streiks war die Rücknahme des von der Unternehmensleitung (in der auch VertreterInnen der Sozialdemokratie und der EisenbahnerInnengewerkschaft sitzen) beschlossenen Umstrukturierungsplans, der die komplette Schließung der Werke in Bellinzona mit 430 und der Geschäftsstelle in Fribourg mit 165 Beschäftigten sowie den Abbau von 152 Arbeitsplätzen in Basel und von 42 in Biel vorsah.

Am 9. April ging – zumindest vorläufig –einer der längsten und härtesten Arbeitskämpfe in der Schweizer Nachkriegsgeschichte zu Ende: Nach 33-tägigem Streik haben sich die 430 ArbeiterInnen im Reparatur- und Wartungswerk der CFF-Cargo (Güterverkehr der Bahn) in Bellinzona in der italienischen Schweiz gegen die Unternehmensleitung durchgesetzt.

Ziel des am 7. März begonnenen und als Fabrikbesetzung geführten Streiks war die Rücknahme des von der Unternehmensleitung (in der auch VertreterInnen der Sozialdemokratie und der EisenbahnerInnengewerkschaft sitzen) beschlossenen Umstrukturierungsplans, der die komplette Schließung der Werke in Bellinzona mit 430 und der Geschäftsstelle in Fribourg mit 165 Beschäftigten sowie den Abbau von 152 Arbeitsplätzen in Basel und von 42 in Biel vorsah. Während in Biel und Basel die Gewerkschaftsführung das Personal mit Erfolg dazu bewegen konnte, die Umstrukturierung hinzunehmen, nahm die Sache in Bellinzona und Fribourg einen gänzlich anderen Verlauf. In Fribourg gelang es den SEV-Oberen (Schweizer EisenbahnerInnengewerkschaft) noch, das Personal  von einem konsequent geführten Streik abzuhalten. In Bellinzona jedoch begann der Streik am 7. März gleich mit einer Werksbesetzung und endete erst 33 Tage später, nachdem die Unternehmensleitung ihren Umstrukturierungsplan uneingeschränkt zurückgenommen hatte.

Dieser Streik verlief vorbildlich, zum einen wegen der Kampfbereitschaft und zum anderen wegen des Organisationsniveaus der Arbeiter­Innen, die täglich Belegschaftsversammlungen mit Entscheidungsbefugnis durchführten und ihre Delegierten nach dem Prinzip wählten, dass diese sich vor den Vollversammlungen rechtfertigen mussten und jederzeit abwählbar waren. Damit durchkreuzten sie die Absicht des Unternehmens, „fern ab der Mobilisierungen“ und der realen Kräfteverhältnisse im stillen Kämmerlein zu verhandeln und machten somit die Verhandlungen gewissermaßen öffentlich. Dadurch musste es die Gegenseite hinnehmen, dass die Vollversammlungen zur Entscheidungsinstanz über das Verhandlungsergebnis wurden.
Ein Streik aller, nicht nur der EisenbahnerInnen
Indem sie sich an die Bevölkerung wandten und ihren Kampf zu einer Angelegenheit der gesamten Region machten, gelang es ihnen, die Kräfteverhältnisse zu ihren Gunsten zu verschieben und breitestmögliche Unterstützung zu erzielen. Beispielsweise besuchten in diesem Streikmonat viele Schulklassen das besetzte Werk, um sich vor Ort anzuschauen, wie sich die Industrialisierung der ganzen Region geschichtlich vollzogen hat. Zu diesem Thema wurden in den Fabrikräumen Veranstaltungen und Ausstellungen abgehalten. Es gab auch Diskussionsveranstaltungen über die Bedeutung des Zugverkehrswesens angesichts der zunehmenden Umweltkrise oder über die rückständige Entwicklung der Region aus Gründen der kapitalistischen Logik.

Diese Einbeziehung anderer Lohnabhängiger über die 430 Beschäftigten hinaus verlieh den Mobilisierungen einen erheblichen Elan. So wurde beispielsweise die selbstverwaltete Werkskantine zum allgemeinen Treffpunkt, wo die Leute zum Mittagessen hin gingen. Täglich gingen über 1000 Essen über den Tresen. Innerhalb eines Monats erlebte Bellinzona – eine Stadt mit unter 20 000 EinwohnerInnen – zwei Demonstrationen mit jeweils über 12 000 TeilnehmerInnen und eine dritte mit 8 000.
Gewonnene Schlacht, aber noch kein gewonnener Krieg!
Diese beeindruckende Mobilisierung in einer Stadt, in der am 1. Mai höchstens mal 1 000 Menschen demonstrieren, hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Unternehmensleitung in die Knie gegangen ist. Vereinbart ist jetzt ein Runder Tisch, an dem die Unternehmensleitung gemeinsam mit den Gewerkschaften, den örtlichen Behörden und VertreterInnen des Streikkomitees über die Zukunft des Industriestandorts Bellinzona verhandeln.

Auch nach Wiederaufnahme der Arbeit bleiben die ArbeiterInnen von Bellinzona weiterhin aktiv. Da – mit den Worten von Gianni Frizzo, dem Führer des Streikkomitees – „eine Schlacht, aber noch nicht der Krieg gewonnen wurde“, haben sie beschlossen, jeden Freitagnachmittag eine Versammlung abzuhalten. Denn die Erfahrung der vergangenen 33 Tage hat ihnen gezeigt, dass nur Mobilisierung sich auszahlt…

*    Paolo Gilardi ist Redakteur von Lignes rouges,  Monatszeitschrift der Gauche anticapitaliste/Antikapitalistische Linke, sympathisierende Organisation der IV. Internationale in der Schweiz

Übersetzung MiWe

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