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Seifenblasen vom Streik verweht

Von Phillip Xantos | 01.02.2008

Auch schöpferischste IdeologieproduzentInnen können ein Klassenbewusstsein haben. Das beweist der seit 5. November andauernde Streik der DrehbuchautorInnen in den USA. Die kleine Writers‘ Guild of America, die 12 000 Mitglieder vertritt, fordert für das neue dreijährige MBA (Minimum Basic Agreement, der amerikanische Tarifvertrag) unter anderem eine Beteiligung an den Einnahmen aus dem Vertrieb von Filmen über das Internet sowie mehr von dem Geld, das mit dem Verkauf von DVDs eingenommen wird.

Auch schöpferischste IdeologieproduzentInnen können ein Klassenbewusstsein haben. Das beweist der seit 5. November andauernde Streik der DrehbuchautorInnen in den USA.

Die kleine Writers‘ Guild of America, die 12 000 Mitglieder vertritt, fordert für das neue dreijährige MBA (Minimum Basic Agreement, der amerikanische Tarifvertrag) unter anderem eine Beteiligung an den Einnahmen aus dem Vertrieb von Filmen über das Internet sowie mehr von dem Geld, das mit dem Verkauf von DVDs eingenommen wird. Für eine DVD, die im Laden $30 kostet, erhalten sie bislang nur 4 Cent. Außerdem geht es darum, für welche Bereiche das MBA künftig gelten solle. Die Streikenden fordern die Ausweitung des Geltungsbereiches auch auf die Bereiche Animations- und Reality-Sendungen.
Die WGA besteht aus zwei unabhängigen Verbänden: Dem größeren und kämpferischen WGA-West, der die DrehbuchautorInnen um Los Angeles (also auch Hollywood) organisiert und dem nur etwa halb so großen WGA-Ost. Es besteht also weder eine gewerkschaftliche Einheit in der Branche, noch eine Einheit von z. B. Theater- und Fernseh-DrehbuchautorInnen, noch überhaupt eine landesweite Einheit.
Auswirkungen
Dennoch kann – ähnlich wie beim GDL-Streik – auch hier eine kleine Gewerkschaft viel bewegen:  So mussten unter anderem bereits wenige Wochen nach Streikbeginn zahlreiche TV-Serien wie Desperate Housewives, Scrubs, Lost und das rassistische Echtzeit-Format 24 von den Sendeplänen gestrichen oder durch Wiederholungen ersetzt werden, denn die Drehbücher hierfür werden üblicherweise nicht auf Vorrat geschrieben. Die Reaktion der KapitalistInnen: In den betroffenen Traumfabriken wurden alle zur Produktion von sendefähigem Material nun nicht benötigten Menschen (TechnikerInnen, Kameraleute) entlassen. Sie stehen ohne Geld und Zahlungen für ihre Renten da und hoffen, nach Ende der Streiks wieder eingestellt zu werden. Insgesamt soll der Streik bislang einen „gesamtwirtschaftlichen Schaden“ von über $1 Milliarde verursacht haben.
Landesweite Aufmerksamkeit
Der Streik erreichte nationale Aufmerksamkeit. Umfragen zufolge nehmen mindestens 84% der Bevölkerung ihn zur Kenntnis, wovon über zwei Drittel mit der WGA sympathisieren. Nur vier Prozent halten, während sie auf die tägliche Lebenshilfe durch Soaps verzichten müssen, zum Unternehmerverband. Es gab sogar ZuschauerInnen der einzelnen Serien, die sich mit „ihren SchreiberInnen“ solidarisiert haben!

Mit den DrehbuchautorInnen hatten zunächst auch die BühnenarbeiterInnen der Broadway-Musical-Theater und ebenso die RegisseurInnen gestreikt. Diese Streiks wurden inzwischen mit Erfolgen beendet. Die Schauspielerinnen und Schauspieler, die in wiederum zwei anderen Gewerkschaften organisiert sind, genießen aufgrund ihres MBA kein Streikrecht. Sie sprachen aber ihre Solidarität aus.
Solidarität
Während Arnold Schwarzenegger, seines Zeichens als Charaktermaske auf unterschiedlichen Ebenen des gesellschaftlichen Überbaus aktiv, sich über den Streik „not amused“ zeigte, gaben Obama, Clinton und Co. ihre Unterstützung für die Streikenden bekannt. Die demokratischen VertreterInnen boykottierten folgerichtig eine im Dezember geplante Fernsehdebatte in Los Angeles.

Nachdem das Spektakel um die Verleihung der Golden Globes bereits ausfallen musste, könnte auch die 80. Gala zur Oscar-Verleihung ins Wasser fallen, da einige Stars, u.a. George Clooney und Julia Roberts sich bereits mit den Streikenden solidarisiert haben. Dies wäre für die hollywoodsche Unterhaltungsindustrie ein riesiges Debakel. Eine Einigung auf der Grundlage der Gewerkschaftsforderungen ist also wahrscheinlich.

Der letzte Streik hatte 1988 stattgefunden und fünf Monate gedauert. Als Reaktion der UnternehmerInnen wurde damals das erfolgreiche Reality-TV erfunden. Hier konnte dann obendrein noch an guten – also teuren – SchauspielerInnen gespart werden. Dennoch hat die Fernsehbranche damals einen Schlag erlitten, von dem sie sich bis heute nicht erholt hat.

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