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SEAT-Barcelona und VW-Wolfsburg: Zwei Standorte, eine Strategie

Von Thadeus Pato | 01.03.2006

Als im August 2005 der VW-Konzern ankündigte, in seinem spanischen SEAT-Werk die Lohnkosten um 10% senken zu wollen und die Entlassung von über 1 300 Beschäftigten drohte, kümmerte das die deutsche IG Metall wenig. Dass das Vorgehen des VW-Konzerns nicht auf Spanien beschränkt ist, sondern europaweite Dimensionen hat, ist jetzt offenbar geworden. Denn die Strategie der VW-Zentrale ist offensichtlich darauf ausgerichtet, die derzeitige Lohnkürzungs- und Entlassungsorgie scheibchenweise durchzuziehen.

Als im August 2005 der VW-Konzern ankündigte, in seinem spanischen SEAT-Werk die Lohnkosten um 10% senken zu wollen und die Entlassung von über 1 300 Beschäftigten drohte, kümmerte das die deutsche IG Metall wenig. Dass das Vorgehen des VW-Konzerns nicht auf Spanien beschränkt ist, sondern europaweite Dimensionen hat, ist jetzt offenbar geworden.

Einen Tag vor Weihnachten wurden 660 ArbeiterInnen bei SEAT entlassen, davon über 20% Frauen, obwohl der Frauenanteil in der Belegschaft nur bei 5% liegt. Einzig die anarchistische Gewerkschaf CGT hatte dem Kuhhandel, den die beiden größeren Gewerkschaften CCOO und UGT mit der Konzernleitung abgeschlossen hatten, nicht zugestimmt. Statt der ursprünglich 1 364 Entlassungen waren es „nur“ 660. Dabei ist aber wesentlich, dass sich unter den Entlassenen auffällig viele langjährig beschäftigte aktive GewerkschafterInnen befinden, die teilweise schon unter dem Franco-Regime wegen illegaler gewerkschaftlicher Aktivitäten verfolgt wurden. VW hat offensichtlich die Gelegenheit genutzt, das Werk zu „säubern“. Wie der ebenfalls entlassene Gewerkschaftsaktivist Diosdado Toledano, selbst seit 35 Jahren aktiv, dem Verfasser berichtete, haben die Entlassenen jetzt ein Komitee gebildet und kämpfen weiter für ihre Rechte.
Europäisches Netzwerk
Und sie versuchen dabei, teilweise bereits erfolgreich, ein Netzwerk auf europäischer Ebene über Kontakte zu KollegInnen aus den anderen VW-Standorten in Europa aufzubauen. Denn die Strategie der VW-Zentrale ist offensichtlich darauf ausgerichtet, die derzeitige Lohnkürzungs- und Entlassungsorgie scheibchenweise durchzuziehen: Nachdem in Barcelona tabula rasa gemacht worden war, kam prompt im Februar die Ankündigung von massiven Stellenkürzungen in Wolfsburg einschließlich Arbeitszeitverlängerung. Der Plan ist, zusätzlich zu dem bis 2009 geplanten Abbau von ca. 20 000 Arbeitsplätzen, das Konzept des Wolfsburger Teilwerks „Auto 5000“ auf den restlichen Betrieb auszudehnen, was eine geschätzte Einkommenseinbuße von 20% für die ArbeiterInnen von VW bedeuten würde. Von der Neuausrichtung der Montage- und Komponentenwerke im Inland könnte also innerhalb von drei Jahren jeder fünfte der gut 100 000 Beschäftigten der Kernmarke VW betroffen sein. Allein bis zu 14 000 Beschäftigte sollen laut Reuters in den nächsten Jahren in den vorgezogenen Ruhestand gehen. Rechnerisch müssten sich somit bis zu 6 000 Mitarbeiter bereit erklären, mit Abfindungen auszuscheiden. Wer dann als nächstes dran ist, bleibt abzuwarten, aber klar ist, dass die gnadenlose Rationalisierung auf dem Rücken der Beschäftigten keinen Standort auslassen dürfte, aus dem noch etwas herauszupressen ist.
Richtige Initiative
Vor diesem Hintergrund ist die Ini­tiative der entlassenen KollegInnen bei SEAT die einzig richtige. Es muss dringend der europa- und weltweiten Strategie von Konzernen wie Volkswagen eine ebenso effektive internationale Organisierung und vor allem eine gemeinsame Strategie der Gewerkschaften entgegengesetzt werden. Nur so kann die Salamitaktik des Vorstandes konterkariert werden, nur so kann verhindert werden, dass die einzelnen nationalen Produktionsstandorte gegeneinander ausgespielt werde. Das haben die KollegInnen bei SEAT verstanden und deshalb ist ihr Ansatz so wichtig. Die IG Metall in Wolfsburg hat allerdings bisher wenig Anstalten gemacht, internationalen Widerstand zu organisieren. Sie spielt derzeit auf Zeit: Im März sind Betriebsratswahlen, und vorher will man sich bedeckt halten. Deshalb zeigte man sich pro forma überrascht und empört, dabei hatte Konzernchef Pischetsrieder bereits im November öffentlich damit gedroht, vorzeitig aus dem laufenden Traifvertrag auszusteigen, der betriebsbedingte Kündigungen bis 2011 ausschließt. Nach den Wahlen wird man sich in üblicher Weise mit dem Konzern einigen, vielleicht fällt ja wieder eine Brasilienreise dabei ab…
So wird nichts bleiben, als eine Koordination und ein Netzwerk von unten zu entwickeln. Denn Solidarität haben nicht nur die Entlassenen von SEAT dringend nötig. Die allerdings im Moment besonders. 

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