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Länder

Repressionswelle in Pakistan

Von Pierre Rousset | 01.07.2007

Am 5. Juni wurde Farooq Tariq, Generalsekretär der LPP, verhaftet und der Innenminister hat eine dreimonatige Haftdauer für ihn erlassen. Etliche hundert weitere Verhaftungen wurden in den letzten Tagen vorgenommen. Das Militärregime will um jeden Preis die demokratischen Proteste beenden, die durch die Amtsenthebung des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes im vergangenen März ausgelöst worden waren. Die aktuelle Lage ist sehr brisant und verlangt unsere Solidarität. [zum Zeitpunkt des Drucks dieser Nummer war Farooq bereits wieder entlassen]

Am 5. Juni wurde Farooq Tariq, Generalsekretär der LPP, verhaftet und der Innenminister hat eine dreimonatige Haftdauer für ihn erlassen. Etliche hundert weitere Verhaftungen wurden in den letzten Tagen vorgenommen. Das Militärregime will um jeden Preis die demokratischen Proteste beenden, die durch die Amtsenthebung des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes im vergangenen März ausgelöst worden waren. Die aktuelle Lage ist sehr brisant und verlangt unsere Solidarität. [zum Zeitpunkt des Drucks dieser Nummer war Farooq bereits wieder entlassen]

Der Sekretär der Arbeiterpartei Pakistans LPP wurde am 5. Juni 2007 ohne richterlichen Haftbefehl an seinem Wohnort in Lahore festgenommen. Dies ist bereits das zweite Mal innerhalb weniger Wochen, dass er von der Polizei des pakistanischen Staates Punjab, dessen Hauptstadt Lahore ist, in Gewahrsam genommen wurde. Vor einem Monat setzte man ihn rasch wieder auf freien Fuß, nachdem der Protest gegen diese Willkürmaßnahme unüberhörbar geworden war.

Diesmal aber wurde aus dem Innenministerium eine dreimonatige Haftverfügung gegen Farooq Tariq nachgereicht. Er wurde in das Gefängnis von Bahawalpur, acht Fahrstunden von Lahore entfernt, verlegt und unterlag einem völligen Besuchsverbot – vorbehaltlich einer vorherigen Erlaubnis durch das Ministerium. Damit versuchten die Machthaber ihn – unter Verstoß gegen seine verfassungsmäßigen Rechte – zu isolieren.

Farooq Tariq hat in Pakistan die Unterstützung zahlreicher fortschrittlicher Persönlichkeiten, engagierter Anwälte und linker Organisationen erhalten. Die vielfältigen Proteste auch aus dem Ausland haben auch dieses Mal die Freilassung bewirkt, denn nach 15 Tagen Haft wurde Farooq ohne Begründung wieder auf freien Fuß gesetzt.
Klima der Anspannung
Die Verhaftung des Generalsekretärs der LPP erfolgte in einem Klima äußerster politischer Anspannung. Das Militärregime von Pervez Musharraf hat diese Krise selbst provoziert, indem es am 9. März Iftikhar Mohammed Chaudry, den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes, wegen „ungebührlichen Verhaltens und Machtmissbrauchs“ seines Amtes enthoben hat. Dieser war zwar linker Neigungen völlig unverdächtig, aber hatte damit begonnen, einige der besonders unhaltbaren Beschlüsse des Regimes zu blockieren. Eigentlich nichts Besonderes aber zuviel für General Musharraf, der seine Kritiker mundtot machen möchte.

Chaudry weigerte sich, seine Entlassung hinzunehmen und geriet somit zur Symbolfigur einer  breiten demokratischen Protestbewegung gegen das Militärregime. Die Rechtsanwälte traten in einen mehrtägigen Generalstreik und erhielten dabei zunehmende Unterstützung und Zustimmung. Hunderttausende demonstrierten in zahlreichen Städten des Landes für Chaudry  oder gegen den mit seiner Strafverfolgung betrauten Hohen Justizrat. Am 12. und 13. Mai wollte das Regime die Proteste in einem Blutbad ersticken, indem es unter Mithilfe der Handlanger der Kommunitaristischen Partei MQM1 die Menge angriff, die zur Begrüßung Chaudrys in Karachi, der Wirtschaftshauptstadt des Landes, zusammengeströmt war. Es gab 41 Tote und ca. 150 Verletzte.2
Hunderte verhaftet
Den Erwartungen des Regimes zum Trotz gingen die Mobilisierungen auch nach dem Massaker weiter. Daher wurde die Repression verschärft, Versammlungen mit mehr als fünf Teilnehmern verboten und die Pressefreiheit beschnitten. Etwa 200 Journalisten gerieten ins Visier der Justiz, weil sie gegen diese Maßnahme protestierten. Auch die Medien stehen unter Beschuss der Regierung, die ihnen androht, umstandslos die Räumlichkeiten zu konfiszieren und die Verbreitung zu stoppen. Der Informationsminister Mohammed Ali Durrani bekannte sich freimütig zu den Zielen dieser Zensurmaßnahmen: „Wir werden es nicht erlauben, dass Armee und Justiz in den Schmutz gezogen werden. Das werden wir nicht mehr tolerieren.“
Seit dem 5. und 6. Juni haben die Fälle von Vorbeugehaft vor neuerlichen Demonstrationen sprunghaft zugenommen. Mehr als 350 Menschen wurden verhaftet, vorwiegend in Lahore, aber auch andernorts wie in Rawalpindi nahe der Hauptstadt Islamabad. Gegen zahlreiche andere wiederum wird juristisch ermittelt. Davon betroffen sind Gewerkschafter und engagierte Demokraten oder Mitglieder der Oppositionsparteien, einschließlich der Volkspartei von Benazir Bhutto und der Moslemischen Liga von Nawaz Sharif.

Unter den Linken hat die LPP – und besonders ihr Generalsekretär – in den letzten Monaten alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Mobilisierung der Rechtsanwälte zu unterstützen und gegen die Absetzung von Chaudry zu protestieren. Namentlich auf ihre Initiative hin wurde gemeinsam mit der Stiftung für Arbeiterbildung (LEF) am 23. Mai im Presseclub von Lahore eine Solidaritätskonferenz mit den Anwälten organisiert, um die soziale Basis des demokratischen Widerstands unter der Bevölkerung zu verbreiten. Über 60 Organisationen nahmen an dieser von der Anwaltskammer unterstützten Konferenz teil, darunter einflussreiche Gewerkschaften, Bauernverbände, feministische Gruppierungen und verschiedene politische Parteien. In den Redebeiträgen wurde bei dieser Gelegenheit der Zusammenhang zwischen dem demokratischen Widerstand gegen die diktatorischen Maßnahmen des Regimes und dem sozialen Widerstand gegen dessen neoliberale Politik hervorgehoben.
Niemand kann vorhersagen, wie sich die politische Krise entwickeln wird und wieweit die Machthaber gehen werden, um die Demokratiebestrebungen der Bevölkerung zu brechen. Die LPP ist eine der Organisationen, die sich am meisten für die Durchführung des pakistanischen Sozialforums engagiert hat, ebenso wie für das Weltsozialforum und in der internationalen Antikriegsbewegung sowie in der Antiglobalisierungsbewegung. Auch hat sie viel dazu beigetragen, die internationalistischen Beziehungen in Asien – besonders mit Indien – wiederzubeleben, aber auch die nach Europa (Teilnahme am ESF in Athen) und Afrika (Teilnahme am WSF in Nairobi).
Die anderen Gefangenen, die noch nicht freigelassen wurden und die von der Repression betroffenen Organisationen müssen sich auf unsere Solidarität verlassen können!

Übersetzung: MiWe

1     Die MQM wurde von reichen Moslems gegründet, die während der Teilung 1947 aus Indien geflüchtet waren. Gegen den Willen der dortigen, ebenfalls muslimischen Bevölkerung hat sie in der Hafenstadt Karachi (15 Mio. Einwohner) die politische Kontrolle an sich gezogen. Momentan steht sie im Bündnis mit General Musharraf und seiner Moslemli
ga (PML-Q). MQM ist berüchtigt für ihr mafiöses Verhalten und die Gewalttätigkeit ihrer Handlanger.

2     s. dazu Tariq Ali „Pakistan: Law and Order“ The Guardian, 16. Mai 2007

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